Arthur Arbesser

SUPERLATIV IST NICHT GENUNG

Bei kaum einem Modeschöpfer spielt die Kunst so eine bedeutende Rolle wie bei Arthur Arbesser. Prints, Geometrie und starke Farben sowie der Hang zu außergewöhnlicher Qualität charakterisieren die Arbeiten des international gefragten Mailänder Modetalents aus Wien. Ein Porträt.

von BRIGITTE R. WINKLER

Arthur Arbesser © Denisson Bertram

Wie gut, dass es Superlative gibt. Für Arthur Arbesser braucht man ständig welche, will man dem jungen Modeschöpfer gerecht werden. Kaum hatte der Wiener sich mit seinem eigenen Label selbstständig gemacht, wurde er von der italienischen „Vogue“ gleich einmal zum besten Nachwuchsdesigner erklärt. In der Jury von „Who is on Next“ war auch Suzy Menkes, die Ikone der weltweiten Modeberichterstattung. Dabei lernte sie Arthur kennen und lieben. Über seine darauffolgende Kollektion schrieb sie damals, 2014, noch in der „Herald Tribune“ (heute „New York Times International“): „Ich habe in 40 Jahren keine bessere Modepräsentation gesehen.“

Daraufhin rannte ihm die gesamte internationale Modepresse die Türe ein. Und was war daran so toll? Alles. Die Location – die großartige Privatwohnung des Kunstliebhabers, Architekten und Kurators, Luca Cipelletti, den er kurz davor kennen gelernt hatte. Die unbedingte Beziehung von Arthur Arbessers Mode zur Kunst. Man hatte zum Beispiel das Gefühl, die klare Kontur der Hose, die neben dem Foto eines der Schnittbilder Lucio Fontanas hing, entspreche genau der Form dessen Schnittes in der Leinwand. So erging es einem mit all den Outfits, mit denen Arthur alle Räume vom Vor­ bis ins Badezimmer in Beziehung zum Interieur bespielt hatte. Und natürlich die Modelle selbst. So einfach, puristisch und doch so speziell. Die wunderbaren Materialien. Man wollte einfach alle haben.

Defilée in einer Mailänder Kletterhalle: Arbessers Autumn/Winter Kollektion 2019/20 © Henrik Blomqvist

„Und was kommt jetzt?“, dachte man in der nächsten Saison. Kann man das steigern? Arthur konnte und kann. Kein Wunder, dass ein Teil seiner vorigen Herbstkollektion, „Eine Wiener Garderobe“, die er für Wien Tourismus entworfen hatte, wochenlang im Wiener Leopold Museum im Rahmen von „Egon Schiele RELOADED“ ausgestellt war. Samt den Fotos von Elfie Semotan mit den österreichischen und von Arthur geliebten Topmodels Cordula Reyer und Helena Severin. Arbesser hatte sich dafür von Koloman Moser und Josef Hoffmann inspirieren und die Stoffe von der heimischen Textilmanufaktur Backhausen produzieren lassen.

Und wie war Arthur Arbesser zur Mode gekommen? „Das kommt aus einem angeborenen Grundinteresse an der ganzen Sache. Am Sich­-Verkleiden, Sich-­anders­-Anziehen, daraus, eine andere Person zu werden durch das Gewand“, erklärt der Modeschöpfer selbst beim Interview für das Dorotheum MyART MAGAZINE. Also studierte er Mode am renommierten Central Saint Martins College in London. Bewarb sich gleich bei führenden Häusern. In Mailand. Das ihm als Arbeitsplatz vorschwebte, seit er dort eine Kollegin aus Wien, Onka Allmayer ­Beck, besucht hatte. Und wurde gleich von einem der größten Modegestalter des Universums engagiert, von Giorgio Armani. Sieben Jahre arbeitete er in Mailand quasi Seite an Seite mit der Ikone. (Auch mit der kreativen Onka, die ihm inzwischen Grafiken und Keramiken macht.) War gleich erfolgreich, wurde gelobt, bestens bezahlt, überall hingeschickt, stieg vom Praktikanten zum Senior Designer auf, hatte Freizeit, Ferien.

„Landscapes“, 2019 Spring/Summer Kollektion, Arthur Arbesser für Fay ©FAY

Und vermisste doch etwas.

Das absolut nach eigenen Ideen Gestalten­Können. Die totale künstlerische Selbst­Verantwortung. Nach sieben erfolgsverwöhnten Jahren verließ er bewundernswerterweise Armanis Modereich. Verabschiedete sich vom gefeierten, sicheren Chor, um alleine zu singen. Ohne jede Gewissheit, dass ihn jemand hören wollte. Begann 2012 mit einer kleinen Präsentations­Installation seines eigenen Labels in einem Mailänder Geschäftslokal von Freunden. Arbeitete sich in kurzer Zeit vom gefragten Nachwuchstalent zum „spannendsten Designer“ (so auch die österreichische Tageszeitung „Die Presse“) Mailands empor. Entwickelte in so kurzer Zeit eine unverkennbare eigene Handschrift. Die immer wieder geprägt ist von seinen WienerWurzeln, von seiner Kindheit und Jugend mit den kunst­ und kulturaffinen Eltern. Man spürt bei jeder Kollektion, dass Arthur Qualität wichtig ist. Immer wieder sind Künstler mitbeteiligt, wie zum Beispiel die 29­ jährige Agathe Singer, eine Illustratorin, die in Paris lebt. Prints müssen einfach sein. Und Geometrie, vor allem Streifen. Da ziehen sich aber auch einmal goldene Fäden durch einen Strickpullover, bilden ein Muster, das an das Wiener Geflecht erinnert, wie man es von den Thonet ­Stühlen kennt.

Arbessers Autumn/Winter Kollektion 2019/20 © Henrik Blomqvist

Schnell stellten sich auch Kooperationen ein: mit Iceberg, mit Silhouette, mit Absolut Wodka, mit YOOX. 2017 wurde er Chefdesigner der italienischen Modemarke Fay, die zum Tod’s­Imperium von Diego Della Valle gehört. Berühmt und beliebt für ihre Sportjacken mit den vier Hakenverschlüssen, im Original „Quattro Ganci“ genannt. Gleich seine erste Kollektion, „Ready for Departure“, begeisterte. So echt Fay und doch so neu! Jetzt will jemand Hoteluniformen von ihm, einen Wandteppich für eine Kapelle in Wien …

Und nicht nur das.

Er sagte prominenten Einladungen zu: das Ballett der Wiener Staatsoper für das Neujahrskonzert einzukleiden, den Fächer des Wiener Opernballs zu designen oder die Kostüme der Stewardessen für die Film­ und TV­Preisgala Romy zu entwerfen.

Nicht zu vergessen seine eigene Herbstkollektion, die jüngst im Februar während der Mailänder Modewoche gezeigt wurde. Und wieder ist es Arthur Arbesser gelungen, sich zu steigern. Seine aktuelle Kollektion begeistert durch raffinierte Schlichtheit, spezielle Stoffe von Backhausen in wunderbaren Farben und Mustern. Perfekt dazu auch wieder die Location bei der Mailänder Modewoche: eine riesige Kletterarena, die in ihrer Farbigkeit und Gestaltung eher an eine Galerie erinnerte. Als hätte Arthur sie gestalten lassen.

„Eine Wiener Gaderobe“, ©Elfie Semotan, 2018 für Wien Tourismus

Bei der Präsentation der neuen Kollektion „In the Cloud“ für Fay fühlte man sich selbst wie schwebend. Arthur: „Ich liebe die Qualität dieser Marke und trage die Sachen selbst gerne.“

Und auch das ist noch nicht alles.

„Für Februar 2020 steht ,Der Rosenkavalier‘ in Berlin in der Oper unter den Linden auf meinem Programm. Schon das Neujahrskonzert war durch und durch eine positive Erfahrung in diesem Sinn.“ Eine Bereicherung war es sicher auch, bald nach dem „Who is on Next?“­Preis auch in die Endrunde für den renommierten LVMHPreis zu kommen. Bei dem sich 1.000 Nachwuchsdesigner bewerben und zehn ins Finale gewählt werden. Von so gestandenen Könnern wie Karl Lagerfeld, Haider Ackermann oder Dior­ Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri. In Österreich erhielt er vergangenes Jahr den mit 10.000 Euro dotierten „outstanding artist award“ für experimentelles Modedesign.

Geld, das sofort in sein Modelabel fließt. Zur Zeit Armanis floss es oft woanders hin.
Arthur: „Ich bin schon als Jugendlicher gerne mit meinen Eltern ins Dorotheum gegangen. Sie sind treue Kunden. Das ist eine Wiener Institution, mit der ich groß geworden bin. Ich habe von meinem Armani­Gehalt da einiges an Bildern und Gläsern erworben. Zurzeit ist der Geldhahn ein bisschen abgedreht. Aber wenn ich in Wien bin, gehe ich trotzdem hin, wenn Künstler, die mich interessieren, angeboten werden. Dann schau ich mir zumindest den Ausrufungspreis an.“

Mode und Kunst, Arbessers Spring/Summer Kollektion 2015 © Henrik Blomqvist

Bleibt überhaupt Zeit für ein Privatleben? Auch da auf keinen Fall so viel wie zu Armanis Zeit. Aber sein Freund, obwohl ein exzellenter und gefragter Arzt, nimmt sich immer wieder Zeit, um Arthur zum Beispiel backstage bei den Modeschauen zu unterstützen. Und er holt ihn bei all diesem Wahnsinn aus künstlerischen Höhen oder tiefstem Frust wieder auf den Boden der Realität. Durch Gespräche über seine Arbeit. Arthur: „Er arbeitet mit Leukämiepatienten. Da wird alles andere dann so unwichtig.“

brigitte R. Winkler ist Kunsthistorikerin und Modejournalistin, u. a. für „Kurier“, aus Wien. Sie hat seit 40 Jahren keine internationale Modeschau verpasst.

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