Blick aus dem Frauenzimmer

Sommerstimmung bringt die Kunst österreichischer Stimmungsimpressionistinnen auch ins Dorotheum. Immer wieder finden sich die Werke jener Künstlerinnen in Ausstellungen und auf dem Kunstmarkt.

Im Grunde könnte man, wollte man allgemein über die Frau in der Kunst sprechen, bei Plinius dem Älteren anfangen, erwähnt dieser doch in seiner Abhandlung über die Erfindung der Malerei ein zeichnendes Mädchen. Auch in der Zeit des Mittelalters würde man sich künstlerisch betätigende Frauen finden, nicht zu vergessen die großen Ausnahmekünstlerinnen des 16. und 17. Jahrhunderts in Italien und in den Niederlanden. Künstlerinnen setzten sich im 18. Jahrhundert mehr oder weniger erfolgreich für die Aufnahme von Frauen an Akademien ein. Der Weg ins 19. Jahrhundert, in das Jahrhundert der Umbrüche, der Emanzipation, der sozialen Revolution, war bereitet. Die Kunst des 19. Jahrhunderts ist von zwei großen Tendenzen bestimmt: Einerseits von einem Festhalten, einer Rückbesinnung; große Meister, der Duktus ganzer Epochen wurden kopiert, der Stil des Historismus prägte unter anderem auch Städte wie Wien. Andererseits sind aber gerade am Anfang dieses Jahrhunderts die Wurzeln der Moderne zu finden.

Österreichische Künstlerinnen wie Tina Blau-Lang (1845–1916), Marie Egner (1850–1940) oder Olga Wisinger-Florian (1844–1926) gehören zu dieser Moderne, sind gute Beispiele nicht nur für die neue Kunstströmung des Stimmungsimpressionismus, sondern auch für die Neupositionierung der Frau, die schon zu Lebzeiten geehrt, deren Kunst ausgestellt und gehandelt wurde.

Tina Blau in fortgeschrittenem Alter
Tina Blau in fortgeschrittenem Alter

So schrieb Adalbert Franz Seligmann in seinem Nachruf auf Tina Blau in der „Neuen Freien Presse“ am 31. Oktober 1916: „In der Modernen Galerie [heute Belvedere] befindet sich ihre ‚Krieau‘ und auch unser Kaiser hat in seinem Privatbesitz mehrere Gemälde Tina Blaus.“ Und über ihre künstlerische Bedeutung: „Neben Schindler und Robert Ruß [sic] etwa wird sie einzureihen sein. Was ihre Kunst vor allem auszeichnet, ist der männliche, energische Zug, der gerade den Wiener Künstlern häufig fehlt. Es ist so gar nichts Frauenzimmerhaftes, so gar nichts Weibliches oder Süßliches darin zu finden […].“
Folgt man nun Seligmanns Beispiel und setzt Tina Blau neben Emil Jakob Schindler und Robert Russ, zweifellos legitime Vergleiche, so wird die Qualität ihrer Kunst deutlich aufgezeigt. Sie ist, neben Emil Jakob Schindler, Carl Moll, Theodor von Hörmann, Hugo Darnaut, Marie Egner und Olga Wisinger-Florian, eine bedeutende Vertreterin des österreichischen Stimmungsimpressionismus; flirrend, schwer, frisch und strahlend sind ihre Landschaften. Männlich? Oder weiblich? Gibt es einen Unterschied?

Schindler und Russ erzielen Toppreise; so wurde Emil Jakob Schindlers „Blick auf Ragusa“ um 317.500 Euro im Dorotheum verkauft, ein Gemälde von Robert Russ, „Gardone am Gardasee“, wechselte für etwa 1,2 Millionen Schilling, heute rund 87.500 Euro, den Besitzer. In derselben Auktion erzielte aber dann das Gemälde einer Künstlerin den höchsten Preis: Olga Wisinger-Florians „Blühende Wiese“ wurde um 1,3 Millionen Schilling (umgerechnet rund 95.000 Euro) verkauft. Werke von Künstlerinnen erreichten im Dorotheum gute Ergebnisse: so Wisinger-Florians „Blühender Bauerngarten“ 290.000 Euro, Tina Blaus „Beim Atelier der Künstlerin, Prater 1907“ 97.900 Euro und Marie Egners „In der Blütenlaube“ 165.500 Euro.

Olga Wisinger-Florian, "Blühender Bauerngarten"
Olga Wisinger-Florian, „Blühender Bauerngarten“

 

Tina Blau, „Blick auf den Arco de Tito Vespasiano“ , 1879
Tina Blau, „Blick auf den Arco de Tito Vespasiano“ , 1879

Heute finden sich ihre Arbeiten regelmäßig in Auktionen. Der „Blick auf den Arco de Tito Vespasiano“ von Tina Blau zum Beispiel wird am 21. April zum Verkauf angeboten. Das Bild ist, wohl im Zuge ihrer Italienreise, 1879 entstanden. Detailreich ist der „Arco de Tito Vespasiano“ dargestellt, im Hintergrund deutlich das Forum Romanum; bewölkt und schwer liegt der Himmel über den italienischen Ruinen, alles ist impressionistisch unscharf, stimmungsvoll von der kargen Landschaft der Via Sacra umfangen. 1880 wurde dieses Gemälde erstmals in einer Wiener Ausstellung, im Künstlerhaus, gezeigt, 1971 in der Österreichischen Galerie Belvedere und 1996 im Jüdischen Museum. Es steht musterhaft für ihre Kunst im österreichischen Kulturbetrieb, Tina Blau für die neuerlangte selbstbestimmte Position der Frau, für eine Frau mit dem Beruf Künstlerin.
So erhielt sie ihre Ausbildung in Wien und München, unternahm Studienreisen, ganz im Sinn der Zeit, nach Italien und Holland, teilte sich das Atelier mit Emil Jakob Schindler, heiratete den Künstlerkollegen Heinrich Lang, unterrichtete und war schließlich auch Gründungsmitglied der „Kunstschule für Frauen und Mädchen“ in Wien. Ihre Arbeiten waren regelmäßig in Ausstellungen zu sehen, wurden immer schon ge- und verkauft, so hat ja auch der Kaiser mehrere davon besessen.

Die Umbrüche des 19. Jahrhunderts führten also nicht nur zu einem Umdenken in den politischen Vorstellungen der Bevölkerung, sondern auch zu sozialer Umstrukturierung. Die Frau erkannte ihre Rechte, begann für sie zu kämpfen und sich neu zu positionieren. Vermehrt, nicht mehr nur im Privaten, sondern auch im Beruf, konnte sich eine Frau als Künstlerin etablieren. Mädchen hatten mehr Möglichkeit einer Ausbildung, Vereinigungen formierten sich, der Beruf der Künstlerin war keine Seltenheit, kein Kuriosum mehr. Frauen unterrichteten, arbeiteten und reisten, bespielhaft dafür auch: Marie Egner.

Egner, Marie
Marie Egner

Die Malerin Marie Egner wurde, wie ihre fünf Jahre ältere Kollegin Tina Blau, in Österreich und Deutschland ausgebildet und gehörte dem Kreis um Emil Jakob Schindler an. Studienaufenthalte ließen sie reisen und brachten sie unter anderem nach Italien und England – Fahrten, die sie sich selbst verdient finanzierte. Auch Egner führte eine eigene Malschule. „Sie beteiligt sich sehr viel an Ausstellungen sowohl in Wien als auch im Auslande, überall Erfolge erntend.“ (Karoline Murau, „Wiener Malerinnen“, 1895)

Das Gemälde „Vorgarten mit blühenden Stockrosen“, welches auch in der April-Auktion zu finden ist, zeigt die Üppigkeit des Sommers, saftig grün im strahlenden Sonnenlicht.

Marie Egner, „Vorgarten mit blühenden Stockrosen“
Marie Egner, „Vorgarten mit blühenden Stockrosen“

Zusätzlich zu ihren bekannten stimmungsimpressionistischen Landschaftsbildern, die sie besonders gerne direkt im Freien malte, fertigte Marie Egner, sozusagen als Schlechtwetterprogramm, Blumenstillleben.

Nun sind also Tina Blau, Marie Egner und Olga Wisinger-Florian beeindruckende, starke Beispiele dafür, dass Frauen in der Kunst des 19. Jahrhunderts präsent und akzeptiert waren, dass ihre qualitätsvolle Kunst in der Kunstgeschichte, im Kunstgeschehen und auf dem Kunstmarkt einen wichtigen Platz einnimmt.

Ausstellungstipp
MEISTERWERKE IM FOKUS: TINA BLAU
4. November 2016 – 9. April 2017
im Belvedere Wien

Information: Dimitra Reimüller, Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts im Dorotheum

 

Video: Gemälde des 19. Jahrhunderts | Preview

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