Im Lichte Caravaggios

Am 8. Juni kommt im Dorotheum eine Auswahl bedeutender Gemälde Alter Meister des 17. Jahrhunderts zur Auktion. Sie stammen von Künstlern, die als Freunde und Malerkollegen unter dem Einfluss des Meisters des Lichts Michelangelo Merisi da Caravaggio standen.

Im 17. Jahrhundert war Rom das kosmopolitische Zentrum der erstarkten Katholischen Kirche. Mit gerade einmal 100.000 Einwohnern war die Stadt klein genug für engen künstlerischen Austausch, hatte zugleich jedoch die erforderliche Größe, um sich zu einem pulsierenden Schmelztiegel der Kulturen zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund bildete sich im Gefolge Caravaggios (1571–1610) eine Gruppe von Künstlern, die sich in ihrer Arbeit gegenseitig befruchteten, während ringsum die Form und der Zweck von Kunst neu verhandelt wurden.

Michelangelo Merisi da Caravaggio

Caravaggio selbst musste im Jahr 1606 nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang für immer aus Rom fliehen. Was blieb, war sein gewaltiger Einfluss. Sehr bald fand eine neue Generation von Künstlern in Rom zusammen und setzte sich eingehend mit seinen stilistischen Innovationen auseinander. So entstand ein heterogenes Œuvre mit vielen künstlerischen Parallelen und wechselseitigen Einflüssen, wie die Arbeiten in der bevorstehenden Auktion zeigen.

Caravaggisti

Orazio Gentileschi (1563–1639) kannte Caravaggio persönlich. Die meisten jüngeren Künstler lernten dessen Werk durch ihn und durch andere frühe Anhänger Caravaggios kennen, die persönlich oder künstlerisch eng miteinander verbunden waren. Orazios Tochter Artemisia Gentileschi (1593–1653) etwa war selbst stark von Caravaggio beeinflusst. Sie wirkte zwischen 1608 und 1612 in Rom, verließ jedoch die Stadt, nachdem sie von ihrem Lehrer Agostino Tassi vergewaltigt worden war. Im skandalträchtigen Prozess trat der venezianische Maler Carlo Saraceni (1579–1620) als Zeuge gegen Tassi auf und bestätigte den verhängnisvollen Kontakt zwischen Artemisia und Tassi. Als Beispiel für eng mit dieser Bewegung verbundene Künstler sei auch Giovanni Francesco Guerrieri (1589–1655/9) genannt, der 1806 nach Rom zog und dort in einem Kloster unweit Orazios Ateliers lebte.
Domenico Fiasella (1589–1669) kam ein Jahr später aus Ligurien nach Rom. Zwar gibt es keinen Beleg für seine direkte Verbindung zu Gentileschi, doch hatte er zuvor in Genua unter Orazios Bruder Aurelio Lomi studiert. Caravaggios Stil fand auch im Ausland seine Nachahmer: Artemisia lernte nach ihrer Rückkehr nach Rom im Jahr 1629 den französischen Maler Simon Vouet (1590–1649) kennen. Zwischen ihnen entwickelte sich eine für beide Seiten vorteilhafte berufliche Beziehung. Ein weiterer Künstler im Umkreis von Vouet war Nicolas Regnier (1591–1667); die zwei kannten sich vermutlich auch aufgrund ihrer gemeinsamen Herkunft.

Aufbruch und Wandel

Diese und andere Künstler wirkten zu einer Zeit des beispiellosen künstlerischen Aufbruchs und Wandels. Ihre Werke waren nicht zuletzt ein Produkt der strikten Vorgaben, die ihnen die erstarkte Kirche auferlegte. Im Zuge des des Konzils von Trient (1545–1563) wurden die Künste in den Dienst der Gegenreformation gestellt, um als Bollwerk der Kirche gegen die Angriffe des aufkeimenden Protestantismus zu fungieren. Das Konzil wollte die Künste reformieren, die fortan die Massen von den Lehren der Kirche zu unterrichten hätten. Kunstwerke sollten demnach zweckmäßig und didaktisch sein, ihr Inhalt klar verständlich, ihr Ausdruck lebensnah. Die Kirche lehnte Extravaganz ebenso ab wie Geziertheit und übermäßige Eleganz, wie sie im ausklingenden Manierismus in Mode war. In den folgenden Jahren setzten Künstler wie Caravaggio und seine Anhänger dieser Vereinnahmung einen neuen, naturalistischen Stil entgegen, der die europäische Malerei nachhaltig prägen sollte.

Die Caravaggisten waren bis etwa 1620 als Zirkel aktiv. Dann verließ einer nach dem anderen die Ewige Stadt, die Gruppe löste sich auf. Die Künstler kamen zunehmend vom römischen Stil wieder ab und übernahmen Einflüsse aus Neapel, Venedig, Genua und von jenseits der Alpen. Was blieb, ist der Geist eines Künstlers, dessen Werk sie viele Jahre lang verbunden und nachhaltig fasziniert hatte.

Mark MacDonnell ist Experte für Alte Meister im Dorotheum.

AUKTION

Alte Meister
8. Juni 2021

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