Walter Pichler: Chillen in der „Galaxy 1“ und „Galaxy 2“

Walter Pichler

Die von Raumfahrt und Rennfahrzeugen inspirierten Aluminiummöbel „Galaxy 1“ und „Galaxy 2“ von Walter Pichler reichen in ihrer Ästhetik und in ihrem konzeptuellen Anspruch weit über das Sixties-Space-Age hinaus. Erstmals wird eine komplette „Galaxy“-Sitzgruppe, ein Meilenstein der österreichischen Designgeschichte, in einer Auktion angeboten.

Werke, die die Zeit überdauern. Welcher Künstler träumt nicht davon? Walter Pichlers „Galaxy“, eine Sitzgruppe aus Tisch und vier Stühlen, zählt zu diesen Klassikern. In den 1960er-Jahren war vieles (noch) möglich. Warum nicht einen Stuhl auf einer Autoshow präsentieren, dachte der österreichische Künstler Walter Pichler (1936 – 2012). 1966 hatte er auf Initiative des späteren langjährigen MAK-Direktors Peter Noever eine Art Wahrzeichen des Space Age, den Aluminiumstuhl „Galaxy 1“, entworfen: ein scheinbar über dem Boden schwebendes unkonventionelles Möbel aus Aluminium, dessen in die Seiten und in den Rücken gestanzte große Löcher an die Leichtbauweise in der Luftfahrt erinnerten; selbst die Nieten waren aus dem Flugzeug- oder Raketenbau übernommen. Die Konstruktionsverbindungen und die gummigefederte Aufhängung der Sitzflächen stammten vom Citroën 2CV, der legendären „Ente“.

Gustav Peichl mit Walter Pichler und Peter Noever_Galaxien
1968: Architekt Gustav Peichl – hier flankiert von Walter Pichler und Peter Noever – implantierte seinen Bauten bevorzugt „Galaxien“. (© C. Skrein in: Christian Skrein, 68, Künstler, Legenden, Fotografien, Wien 2001, S. 67)

Bei der „3. Racing Car Show“ von Jochen Rindt, die 1967 wie alljährlich die schnellsten Wagen der vergangenen Saison zur Schau stellte, präsentierten Peter Noever und Walter Pichler das Möbel in einer speziell entwickelten Koje. Im Stuhl saß ein Mannequin – so hießen Models damals – mit Sturzhelm. „Wir haben eine Koje genommen, wie eine Autofirma“, so Pichler dazu. „Wir haben bewusst einen anderen Zusammenhang gewählt als den der Kunst, aus der Galerie heraus, den Stuhl als Rennauto präsentiert.“ Im Fachblatt „md“ hieß es euphorisch: „Die Geräuschkulisse bildete frisch aus London und San Franzisko importierte, psychodelische Musik‘. Wenn Rennwagen reden könnten, würden sie von ihrem Erstaunen berichten!“ Walter Pichler war damals bereits ein Shootingstar der Kunstszene. 1967 nahm er mit Hans Hollein und Raimund Abraham an der Ausstellung „Visionary Architecture“ im Museum of Modern Art in New York teil. Das futuristische Möbel machte gleich Furore, man zeigte es unter anderem im österreichischen Pavillon auf der Expo 67 in Montreal. Die documenta 4 präsentierte eine Auswahl von „Prototypen“, in denen Pichler die vom Medienkonsum bestimmte Welt voraussah, etwa den „TV-Helm (Tragbares Wohnzimmer)“ oder die pneumatischen Räume.

Verladung Galaxy Gruppe_Expo 67 Montreal
Verladung einer „Galaxy“-Flotte für die Präsentation im österreichischen Pavillon auf der Expo 67 in Montreal © Svoboda Büromöbel, Folder 1967

Zu Pichlers – nicht auf der documenta gezeigten – Prototypen zählten auch der Stuhl „Galaxy 1“ und der Couchtisch „Galaxy 2“. Beide Modelle realisierte der Künstler mit der österreichischen Firma Svoboda Büromöbel. Mehr als 30 Jahre nach dem ursprünglichen Entwurf produzierte sie eine Re-Edition des Stuhles auf Anregung von Hans Hollein, der ihn für die Österreichische Botschaft in Berlin vorsah. Auch Gustav Peichl implantierte seinen Bauten bevorzugt Pichlers „Galaxien“.

Die Nähe zur Architektur und zu Architekten blieb Pichler zeit seines Lebens. In den Augen des Künstlers, der zwischen Architektur und Skulptur keine Grenzlinien sah, ist der Stuhl eine besitzbare Skulptur – auf der sehr prominente Menschen probesaßen: Etwa Alexej Leonow, der erste „Weltraumspazierer“, der unter anderem mit Arthur C. Clarke, dem Ko-Drehbuchautor von Stanley Kubricks Weltraumfilm „2001 – Odyssee im Weltraum“, an der Weltraumkonferenz UNISPACE 1968 in Wien teilnahm. Oder Übermalungskünstler Arnulf Rainer, der sich im selben Jahr für das Cover des Katalogs zu seiner Ausstellung im 20er Haus im „Galaxy 1“ sitzend mit expressiv bemaltem Gesicht ablichten ließ.

Galaxy Gruppe_Auktion Design
Das Space Age lässt grüßen: Walter Pichlers Sitzgruppe „Galaxy“ mit vier Sesseln (Schätzwert je Paar: € 20.000 – 25.000) und Couchtisch (Schätzwert € 15.000 – 20.000), Auktion Design, 20. Mai 2015

„Galaxy 1“ gab es ursprünglich mit Kunststoff- wie Ledersitzen, Pichler selbst bevorzugte die Farbe Rot. Vier schwarz-sitzige Stühle – von insgesamt rund 50 in den 1960er-Jahren produzierten Stücken – kommen am 20. Mai im Dorotheum zusammen mit dem Couchtisch der Serie zum ersten Mal gemeinsam zu einer Auktion (Lot 10, Lot 11, Lot 12).

Gerti Draxler, Design-Expertin im Dorotheum, studierte Kunstgeschichte und initiierte 1996 die Dorotheum-Designauktionen. (Dieser Artikel erschien im myART MAGAZINE Nr. 05/2015)

Auktion Design
Mittwoch, 20. Mai 2015, 17 Uhr
Palais Dorotheum

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