Die Zeichnung einer Madonna mit Kind von Peter Paul Rubens gibt spannende Einblicke in die Arbeitsweise des Malerfürsten.
Nach Abschluss seiner Lehre wurde Peter Paul Rubens 1598 in die Malergilde von Antwerpen aufgenommen. Ein Jahr später reiste er nach Italien und war dort beeindruckt von den Werken der Großen: Raffael, Michelangelo, Tizian, Veronese … Die Künste des jungen Malers aus dem Norden fielen ihrerseits auf und sehr bald berief Herzog Vincenzo Gonzaga ihn als Hofmaler nach Mantua. Am Hof des Herzogs lernte er die Fresken von Giulio Romano und die Werke von Andrea Mantegna kennen, die ihm viele Anregungen boten – Eindrücke, die auch nach seiner Rückkehr nach Antwerpen seine Arbeit mitbestimmen sollten.
Von Giulio Romano und in weiterer Folge von Raffael inspiriert ist auch die Zeichnung einer „Madonna mit Kind“, eine der seltenen Zeichnungen von Rubens, die in roter Kreide ausgeführt sind. Dass es sich um eine eigenhändige Arbeit von Rubens handelt, darüber ist sich die aktuelle Rubens-Forschung einig. Auch die Nähe zu ausgeführten Gemälden spricht dafür. Evident ist, dass die Arbeit in engem Zusammenhang mit einer im Museum Kunstpalast Düsseldorf verwahrten Studie steht, die Giulio Romano zugeschrieben wird. Der Prototyp der Komposition dürfte wiederum auf einen früheren Entwurf Raffaels zu seiner „Madonna mit Kind und Engeln“, heute im Musée Condé in Chantilly, zurückgehen. Während es sich bei Raffaels Zeichnung um einen mehrfigurigen Kompositionsentwurf handelt, konzentriert sich Giulio auf die Figur des Kindes und die Arme der Madonna. Die Rubens-Zeichnung gibt die Figur des Christuskindes im unteren Teil völlig analog zu der Studie Giulio Romanos wieder. Der Künstler erweitert die Komposition aber am oberen Rand um die Darstellung der liebevoll ihrem Kind zugewandten Mutter.
Die Überarbeitung fremder Bildvorlagen ist exemplarisch für die Arbeitsweise von Rubens, wie dies zahlreiche Beispiele des Künstlers belegen. Offen bleibt für die kunsthistorische Forschung in diesem Fall die Frage, wie das Rubens-Blatt genau entstanden ist. Hat Rubens in Kenntnis des Romano-Blattes seine Zeichnung angefertigt oder hat er gar eine weitere Ausführung oder Kopie besessen und direkt auf dem Blatt eine Überarbeitung umgesetzt? Die Antwort wird wohl ebenso ein Geheimnis bleiben wie die Frage, in welchem Zeitraum Rubens die einzelnen Teile der aus mehreren Streifen bestehenden Zeichnung gefertigt hat. Wahrscheinlich ist, dass die oberen Teilen später entstanden sind und dabei das gesamte Blatt nochmals überarbeitet wurde.
In jedem Fall aber ist die Zeichnung ein eindrucksvolles und in den verwendeten Materialien seltenes Beispiel für die Arbeitsweise des großen flämischen Meisters bei der Aneignung von Bildmotiven italienischer Vorbilder in seine eigene künstlerische Sprache.
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