Artemisia Gentileschi: Madonna

Artemisia Gentileschi gilt heute als eine der bedeutendsten Barockmalerinnen und feierte bereits in ihrer Zeit große Erfolge. Ein frühes Madonnengemälde zählt zu den  Highlights der Classic Week im Oktober.

Die in Rom geborene Artemisia Gentileschi wurde schon früh von ihrem Vater Orazio (1563–1639) zur Malerin ausgebildet. In Florenz, wo sie 1613 bis 1620 lebte und 1616 als eine der ersten Künstlerinnen in die Accademia del Disegno aufgenommen wurde, feierte sie mit ihren Bildern große Erfolge. Wieder in Rom und ab 1630 in Neapel arbeitete sie auch für das spanische Königshaus und war 1639/40 in London für die englische Krone tätig. An all ihren Lebensstationen, so auch 1626 bis 1630 in Venedig, hatte sie Kontakt zu humanistischen und literarischen Kreisen, was sich in zahlreichen rühmenden Gedichten über sie und ihre Malerei niederschlug. Noch im 18. Jahrhundert mit einer Biografie gewürdigt, geriet sie erst im 19. Jahrhundert in Vergessenheit. Ihr wohl berühmtestes Werk, „Judith enthauptet Holofernes“, führte sie 1612/13 und 1613/14 in zwei Fassungen (heute in Neapel und Florenz) aus.

Ihr frühestes signiertes und datiertes Gemälde, „Susanna und die beiden Alten“ von 1610, wird als ihr Gesellenstück bezeichnet. In dieser Zeit dürfte auch das erste einer Reihe von Madonnenbildern entstanden sein, die einander nicht nur ähneln, sondern auch ein Gemälde von Artemisias Vater zum Vorbild haben, das 1609 signiert und datiert ist (Bukarest, Nationalmuseum).

Artemisia Gentileschi Madonna mit Kind um 1610 Rom, Palazzo Spada

Die Forschung kannte lange Zeit nur zwei dieser Madonnenbilder, das eine im römischen Palazzo Spada, das andere im Florentiner Palazzo Pitti. Sie wurden nicht immer Artemisia zugewiesen und werden auch bis heute unterschiedlich datiert. Dasjenige im Palazzo Spada gehörte bis 1637 zusammen mit anderen Bildern von Orazio und Artemisia einem römischen Sammler und kam kurze Zeit später in den Besitz der Familie Spada. Es wurde möglicherweise von Artemisias Ehemann, dem Apotheker Pierantonio Stiattesi, 1616 in ihrem Auftrag nach Rom gebracht. Jenes im Palazzo Pitti befand sich wohl spätestens seit 1663 dort. Beide Bilder könnten noch in Rom oder schon in Florenz entstanden sein.

Die beiden anderen Bilder befinden sich in Privatbesitz. Das jetzt im Dorotheum angebotene Gemälde wurde erst durch zwei Ausstellungen über Artemisia, 2011 in Mailand und 2012 in Paris, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Das andere, 2015 entdeckt, war 2018 in Ghent und 2021 in Mailand zu sehen, in Ausstellungen, die sich den Malerinnen im Barock widmeten. Es scheint nicht vollendet zu sein, da das Sitzmöbel fehlt, weshalb vermutet wurde, dass es sich dabei um jenes Bild handelt, das im Inventar des von Artemisia 1620 in Florenz zurückgelassenen Besitzes aufgelistet ist.

In allen vier Bildern sitzt die Muttergottes auf einem Stuhl (er fehlt zwar im vierten Bild, Maria ist aber in Sitzposition wiedergegeben) und bietet ihre linke Brust dem Kind dar, das auf ihren Knien ruht und sich ihr zuwendet. Im Palazzo Pitti hält es ein Paar Kirschen in der Hand, im Palazzo Spada streckt es zärtlich die Hand nach dem Gesicht der Mutter aus, im Dorotheum ist hinter seinem Lockenkopf der Abglanz eines Heiligenscheins sichtbar und im letzthin aufgefundenen Bild hat es dunklere Locken. Bis auf solche Details sind die vier Gemälde allerdings so ähnlich, dass sie wohl nach demselben Karton gemalt wurden. Sicherlich nach dem väterlichen Vorbild von 1609 entstanden, dürften sie zwischen 1610 und 1620, als Artemisia Florenz verließ, gemalt worden sein.

Artemisia Gentileschi (1593–1653) Madonna mit Kind Öl auf Leinwand, 116 x 89,3 cm Schätzwert € 400.000 – 600.000
Artemisia Gentileschi (1593–1653) Madonna mit Kind Öl auf Leinwand, 116 x 89,3 cm Schätzwert € 400.000 – 600.000

AUKTION

Alte Meister, 22. Oktober 2024, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

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Tel. +43-1-515 60-403

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