Zentralgestalt: Arnulf Rainer

Ein singuläres Œuvre, das über das Bild und die Malerei hinausweist: Mit seinen Übermalungen und expressiven Selbstdarstellungen zählt Arnulf Rainer zu einer konstanten Größe am österreichischen wie am internationalen Kunstmarkt.

„TRRR“, einfach „TRRR“, steht da als Signatur – exemplarisch für einen provokanten Nachkriegskünstler namens Arnulf Rainer. Im Dezember 2024 begeht er seinen 95. Geburtstag. Seit 1945 hat Rainer viele Ismen der Kunst durchlaufen und vor allem mit seinen typischen Übermalungen internationale Kunstgeschichte geschrieben. Zahlreiche Auszeichnungen, mehrmalige Teilnahmen an documenta und Biennale Venedig sowie Retrospektiven im Guggenheim Museum New York, im Centre Pompidou, im Amsterdamer Stedelijk Museum zeugen von der Weltgeltung des 1929 in Baden bei Wien geborenen Künstlers.

Die „TRRR“-Signatur des jungen Pre-Punk, mit der Ende der 1940er-Jahre erste „Zentralgestaltungen“ unterzeichnet wurden, sollte das Knurren eines bissigen Hundes imitieren. Knapp zuvor war der Autodidakt, der beide Wiener Kunstakademien im Groll verlassen hatte, noch im gegenständlichen Bereich des Phantastischen Realismus unterwegs gewesen, mit Ernst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer, Wolfgang Hollegha und Josef Mikl in der Formation „Hundsgruppe“. Eine einzige Ausstellung stellten sie zusammen, bei deren Eröffnung Rainer spontan eine „Publikumsbeschimpfung“ abhielt. Zu jener Zeit wahrlich sehr mutig. Die wesentliche Stiländerung ins Gestisch-Abstrakte brachte 1951 ein Aufenthalt im damaligen Hotspot der Avantgarde, Paris. Mit seiner Partnerin Maria Lassnig entdeckte Arnulf Rainer den Surrealismus und die neue Strömung Informel, die seinem Bestreben nach Automatismus in der Malerei entgegenkam. Im Zuge von Experimenten entstanden nun hochkonzentrierte Blindzeichnungen und „automatistische Kritzelexpressionen“ (Rainer), bei denen sich rasch eine Horizontal- und eine Vertikalform herauskristallisierten. Die Werkgruppe der „Kreuze“ aus späteren Jahren haben ihre Ursprung darin.

Arnulf Rainer, Michelangelo, 1967 Öl auf Ultraphanfolie, 118 x 88 cm Schätzwert € 50.000 – 70.000
Arnulf Rainer, „Unfertige Skizze von Michelangelo“, 1967 Öl auf Ultraphanfolie, 118 x 88 cm Schätzwert € 50.000 – 70.000
Arnulf Rainer, Rücken, 1974 Öl auf Papier, 50,8 x 73 cm Schätzwert € 28.000 – 45.000
Arnulf Rainer, Rücken, 1974 Öl auf Papier, 50,8 x 73 cm Schätzwert € 28.000 – 45.000

Über „Proportionscollagen“ und die Serie der „Reduktionen“ – strenge monochrome Schwarzbilder mit linear-geometrisch abgegrenztem Weißrest – kam Rainer zu den „Übermalungen“. Ihre Entstehung verdankt sich einem Prozess: „Aus Unzufriedenheit korrigierte ich die Bilder dauernd, bis sie anfingen, immer dunkler zu werden. Daraus entwickelten sich ohne große Konzepte die Übermalungen‘“, so Rainer über Rainer. Aus „Liebe und Vervollkommnungsdrang“ entstand diese umfangreiche Werkgruppe des Künstlers nach eigenen Angaben, aber auch auf der Suche nach Ruhe jenseits der Gestik, nach dem Ausloten von Malgrund, Farbe und Bildrand.

Viele Spielarten dieser meist monochromen „Übermalungen“ sind seit damals entstanden. Die meisten in Schwarz, viele in Rot, einige in Braun oder, ganz selten, in Blau. Ideal für ihn sei „das ganz dunkle Bild, voll von überwältigendem Schweigen“. Diese „dunkle, schwere Ruhe“, so Rainer, möchte er „immer wieder erleben, formulieren, suggerieren. Immer neue Anläufe nehmend versuche ich Varianten zu finden.“ Die frühen Versionen der oft unbetitelten „Übermalungen“ sind extrem rar und bei Sammlern höchst begehrt. Gesammelt wurde Rainer von seinen Anfängen weg, er machte rasch Karriere: Wie Maria Lassnig süffisant bemerkte, gehörte er zu Monsignore Otto Mauers „Stephansbuben“, den Avantgarde-Künstlern rund um den progressiven Gottesmann und dessen Galerie nächst St. Stephan. 1955, mit 26, stellte Rainer dort erstmals solo aus.

Arnulf Rainer, Blaue Übermalung, 1956, Öl auf Leinwand, 70 x 110 cm, Schätzwert € 130.000 – 220.000
Arnulf Rainer, Blaue Übermalung, 1956, Öl auf Leinwand, 70 x 110 cm, Schätzwert € 130.000 – 220.000

Rainer, selbst Sammler von Art-Brut-Kunst, schuf Mitte der 1960er Jahre eine Reihe von Zeichnungen unter Einfluss von Alkohol und LSD. Dies wiederum brachte ihn zur Beschäftigung mit Körpersprache und performativen Elementen; so malte er etwa mit bloßen Händen wilde Ölbilder oder überarbeitete Grimassenfotos von sich selbst. Frühe expressive Selfies sozusagen. Sie entstanden so: Nach der Fotosession erfolgte die Auswahl nach den Kriterien „Intensität der Gesichtsverwandlung und Nervenanspannung“ (Rainer). Dann habe er „drübergraphiert“, wobei mit der Stärke der physiognomischen Qualität auch die grafische Akzentuierung schneller gelungen sei. Alle Werke wurden da längst schon mit „A.R.“ oder „Arnulf Rainer“ signiert. Aber das rebellische „TRRR“ ist immer mitgemeint.

AUKTION

Zeitgenössische Kunst I, 20. November 2024, 18:00 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386

No Comments Yet

Comments are closed




Auktions-Höhepunkte, Rekord-Preise und spannende Kunst-Geschichten. Mit dem Dorotheum Blog sind Sie immer am Puls des Auktionsgeschehens!


Archive