
Mit ihren überdimensionalen Verhüllungen im öffentlichen Raum prägten Christo und Jeanne-Claude die Geschichte der zeitgenössischen Kunst und änderten den Blick auf die Welt, wie wir sie sehen. Die beiden im Dorotheum angebotenen Kunstwerke zeigen zwei der bedeutendsten Kunstprojekte des Künstlerpaares: „Surrounded Islands“ und „Verhüllter Reichstag“.
Das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude zelebrierte es immer wieder aufs Neue, mit seinen Installationen an großen öffentlichen Orten magische Momente ins Leben zu rufen: Im New Yorker Central Park waren es safrangelbe Gates, in Japan und Kalifornien rapsgelbe und kornblumenblaue Regenschirme. Tanzende Stoffzäune und Talvorhänge konnten entlang von Highways und Berghängen in den USA bestaunt werden, während das Publikum am Iseosee in der Nähe von Brescia in Italien dazu eingeladen wurde, auf einem Pier buchstäblich auf dem Wasser zu gehen. In Deutschland erlangte die Kunst der beiden vor allem durch die Verhüllung des Reichstagsgebäudes 1995 Popularität, für die sie sich über 20 Jahre einsetzten. Deren Umsetzung wurde schließlich zum innenpolitischen Symbol für Aufbruch und Wiedergeburt der Demokratie.
Christo Vladimiroff Javacheff wurde am 13. Juni 1935 in Gabrovo, Nordbulgarien, geboren. Am selben Tag kam auch seine spätere Frau Jeanne-Claude in Casablanca als Tochter einer französischen Militärfamilie zur Welt. Als junger Künstler an der Kunstakademie in Sofia geriet Christo früh in Konflikt mit den vorherrschenden sozialistisch-realistischen Tendenzen, die von den damaligen Professoren vorgegeben wurden. Enttäuscht vom kommunistischen Regime floh er in einem Güterwagen nach Wien und reiste von dort nach Paris weiter, wo er Camus und Sartre las und sich mit dem Malen von Gesellschaftsporträts seinen Lebensunterhalt verdiente. Dort begegnete er auch Jeanne-Claude, als er von deren Mutter einen Porträtauftrag erhielt. Ihre Beziehung ging mit einer lebenslangen künstlerischen Partnerschaft einher.

In diesen Jahren begann Christo bereits mit Stoffen zu arbeiten: Ausgehend von der Idee, dass jeder Gegenstand einen Platz in der Kunst haben sollte, bespannte er Kisten, Flaschen, Stühle und sogar Autos mit Leinwand, um sie danach mit Seilen und Schnüren zusammenzubinden. Dieses spielerische Prinzip des Verpackens und Versiegelns bietet eine bemerkenswerte Vielseitigkeit: Die Gegenstände werden sowohl verhüllt als auch enthüllt, dem Betrachter wird die Vertrautheit der alltäglichen Gegenstände plötzlich verwehrt und dadurch in einen unbekannten Schwebezustand neuer Möglichkeiten und Sichtweisen hineingezogen.
Eines der spektakulärsten Projekte, die Christo und Jeanne-Claude je realisierten und bei dem sie die natürliche Umgebung in eine symbiotische Verbindung aus Kunst, Stadt und Natur verwandelten, trägt den Namen „Surrounded Islands“ (1980–1983): „Wir sind fasziniert davon, wenn Wasser und Erde aufeinandertreffen“, so Christo in einem Interview 2019. „Als wir in den späten siebziger Jahren nach Florida kamen, fuhren wir mit einer Journalistin des Miami Herald herum. […] Wir baten sie wiederholt, den Damm noch einmal zu überqueren. Sie dachte, wir würden gerne eine Brücke überqueren. Aber nein, wir sahen uns die Inseln an. Wir wollten die Inseln mit schwimmendem Stoff umgeben.“ Elf Inseln im Großraum Miami, die hauptsächlich ein Ableben als Mülldeponien führten, waren für einen kurzen Zeitraum von zwei Wochen mit knapp 604.000 Quadratmetern schwimmenden rosafarbenen Polypropylen-Gewebes umgeben, das die Wasseroberfläche bedeckte und sich von jeder Insel 61 Meter weit in die Bucht erstreckte. In der Ausgabe des „Orlando Sentinel“ vom 17. April 1983 heißt es: „Rosa bedeutete früher Flamingos, Sonnenuntergänge und Art-Déco-Hotels. Jetzt bedeutet es Christo.“
Die Vorbereitungen für „Surrounded Islands“ waren langwierig und komplex. Sie umfassten unzählige Treffen mit Regierungs- und Kommunalbeamten, um eine Genehmigung zu erhalten. Ab 1981 arbeitete ein breit gefächertes Team von Anwälten und Ingenieurbüros über Meeresbiologen bis hin zu Ornithologen mit Christo und Jeanne-Claude zusammen. Hilfskräfte entfernten insgesamt 40 Tonnen Sperrmüll von den Inseln. Das Ergebnis, so der Kunstkritiker Jacob Baal-Teshuva, „ist einer der unvergesslichsten und poetischsten Anblicke, die die Kunst in der Neuzeit hervorgebracht hat“.
Die Projekte von Christo und Jeanne-Claude beeindruckten aufgrund ihrer ästhetischen Schönheit und magischen Ausstrahlung ein großes Publikum – auch Menschen, die sonst keinen Zugang zu zeitgenössischer Kunst haben. Die verwendeten Gewebe schillerten in den verschiedensten, kräftigsten Farben, reflektierten Sonne, Licht und Wolken. Lange nachdem alle physischen Spuren entfernt und die Materialien recycelt wurden, bleiben uns die Dokumentationen, Zeichnungen, Collagen und Modelle als materialisierte Zeit- und Augenzeugen der Einzigartigkeit der Kunst des Paares.
AUKTION
Zeitgenössische Kunst I, 21. Mai 2025, 18:00 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386