Ai Weiwei: Translocation = Transformation

Weiwei, Ai: Wang ancestral hall, looking down

‚My activism is a part of me. If my art has anything to do with me, then my activism is part of my art.‘

–Ai Weiwei, ‚Ai Weiwei’s Year of Living Dangerously‘. Art in America, September 2009.

Konzeptkünstler, Dokumentar Filmer, social media Guru, Aktivist …Ai Weiwei (geb. 1957) ist einer der facettenreichsten zeitgenössischen Künstler.

In seiner neuesten Ausstellung thematisiert er die harten Wahrheiten der europäischen Flüchtlingskrise: „AI WEIWEI:  translocation – transformation“, kuratiert von Alfred Weidinger, öffnet seine Türen ab dem 14. Juli bis zum 20. November 2016 im 21er Haus.

‚Everything is art. Everything is politics.‘

Ai Weiweis Kunst befasst sich sowohl mit der Politik in seiner Heimat China, als auch mit dem Umgang Europas mit der derzeitigen Flüchtlingskrise. Vertreibung, Migration und das Potenzial zur Veränderung durch erzwungene Umsiedlung, sind wiederkehrende Themen im Oeuvre des Künstlers. Seine erste große Einzelausstellung in Österreich befasst sich mit genau diesen Inhalten. Das Herz der Präsentation ist einer aus der Zeit der Ming-Dynastie (1368-1644) stammender Ahnentempel einer Teehändler Familie. Der 14 Meter hohe Tempel, dessen über 1.300 Teile noch nie zuvor China verlassen haben, erhält eine neue Bedeutung durch die Entfernung aus seiner ursprünglichen Umgebung. Interessanterweise hat sein temporäres neues Zuhause, das 21er Haus, eine ähnliche Geschichte. Ursprünglich stand das heutige Museum an einem anderen Ort und wurde für einen vollkommen anderen Zweck verwendet. Die Neu-Kontextualisierung des Tempels in dieser Umgebung lässt einen spannenden Dialog zwischen diesen beiden Räumlichkeiten, die die Geschichte zusammen gebracht hat, entstehen.

Aber warum, Ai Weiwei?

Warum hat Ai Weiwei diese beiden so unterschiedlichen, aber doch mit einer ähnlichen Geschichte geprägten Gebäude zum Zentrum seiner Wiener Ausstellung gemacht? Der Grund liegt in Maos „Kulturrevolution“ (1966-1976). Diese zeichnete sich durch brutale Vorgangsweisen aus, um die chinesische Kultur und ihre Werte auf Linie mit der Ideologie der kommunistischen Partei zu bringen. Die Richtlinien des Regimes begründeten die Illegalisierung von familiären Traditionen, die Konfiszierung und auch oftmals die Zerstörung von privatem Besitz. Eines der Opfer dieser Regelungen war Ai Weiweis Vater, der Dichter Ai Qing, dem das Publizieren verboten worden war und der schließlich mit samt seiner Familie in die chinesische Einöde umgesiedelt wurde. Diese 20 Jahre andauernde Demütigung und erzwungene Umsiedlung prägten den Künstler und seinen künstlerischen Weg maßgeblich. Nach seinen Jahren in den USA, der Rückkehr nach China und dann der schlussendlichen Emigration nach Deutschland, wurde er zum permanenten Nomaden, sowohl in seinen Gedanken als auch in seiner physischen Umgebung, wobei jeder „Umzug“ einen maßgeblichen Prozess der Adjustierung und der inneren Migration in Form einer Veränderung der Identität mit sich brachte.

Translocation=Transformation

Der Grund für Ai Weiweis Faszination mit der Vergangenheit des 21er Hauses? Das Gebäude stand knapp vor dem Abriss, nachdem es als Pavillon bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel ausgedient hatte, um schlussendlich seine neue Rolle als Museum für zeitgenössische Kunst in Wien zu erhalten. Der Konnex zu der Wang Ahnenhalle? Die chinesische Regierung vernachlässigte den Tempel so sehr, dass er ebenfalls kurz vor der Zerstörung stand, hätte ihn nicht Ai Weiwei durch seinen Kauf gerettet. Der zerstörerischen Ideen der Kulturrevolution entgegen zu wirken erfand Ai Weiwei dieses baufällige, und doch imposante Stück Kunst neu und packt es in einen ebenso wichtigen „Tempel“ der Kultur, dessen Vergangenheit auch durch Migration und drohender Zerstörung geprägt war.

Die Ausstellung umfasst nicht nur den Tempel und die Anspielungen an die Politik der Teekultur, sondern sie reicht hinüber bis ins Obere Belvedere, dessen Wassergarten geschmückt ist durch Ai Weiweis Installation: „Circle of Animals/Zodiac Heads“. Dieses Werk besteht aus zwölf Bronzeköpfen, wovon jeder für ein anderes korrelierendes Sternzeichen des chinesischen Horoskops steht. Sie sind mit Kommentaren über einen von britischen und französischen Truppen zerstörten Brunnen im Yuaming Yuan Sommerpalast in Peking aus dem Jahr 1860 bestückt.

AI WEIWEIS „translocation – transformation“ ist eine Ausstellung von großer Dimension. Sie umfasst Länder, Kulturen, Architekturen und Geschichten. Das Ganze, könnte man fast sagen, ist größer als die Teile, aus denen es besteht. Diese Teile sind riesig – vielleicht und hoffentlich groß genug, um selbst einmal eine Revolution zu zerschlagen.

AI WEIWEI ‚translocation – transformation im 21er Haus von 14. Juli 201620. November 2016. Arsenalstraße 1, 1030 Wien.

 

No Comments Yet

Comments are closed




Auktions-Höhepunkte, Rekord-Preise und spannende Kunst-Geschichten. Mit dem Dorotheum Blog sind Sie immer am Puls des Auktionsgeschehens!


Archive