Alain Gruber – „L’Art de Vivre“

Lebenskunst eines Ästheten

Ludwig XV., Ludwig XVI., Marie Antoinette: Sein großes Interesse galt dem 18. Jahrhundert, dem bewegten, noch vor-fotografischen „höfischen“ Zeitalter, das so unterschiedliche Kunstströmungen wie Klassizismus und Romantik umfasst. Alain Gruber (1943-2020) vereinte in sich den Kunsthistoriker, Dekorateur, Connaisseur, Buchautor und Kurator. Spiegel seiner facettenreichen Persönlichkeit war das Wohnhaus des gebürtigen Schweizers in Fribourg. Das rund 450 Gegenstände umfassende Inventar des ab 2002 ganz nach dem Geschmack des Kunst-Ästheten eingerichteten Hauses versteigert das Dorotheum nun am 27. April 2021 in einem so genannten „Single Owner Sale“. Bezeichnender Titel: „L’Art de Vivre“.

L'Art de Vivre

Lagerfeld und Givenchy

Die Alain Grubers Haus nachempfundene Wiener Ausstellung der Exponate im Palais Dorotheum, die ab Lockdown-Ende bis zum Auktionstag, dem 27. April, als Museum auf Zeit zu besichtigen ist, hält den Geist des in Basel in den Fächern Kunstgeschichte, französische Literatur und Geschichte Graduierten wach. Gruber, dessen Spezialgebiete vor allem Tafelsilber und Tapisserie waren, verstand sich als genialer Arrangeur wohnlicher Ambiente, die er als Gesamtkunstwerk inszenierte. Sein enormes Wissen auf dem Gebiet historischer Textilien schätzten Designer wie Karl Lagerfeld, Yves Saint Laurent oder Hubert de Givenchy.

French Eye

Auch dem Lord Rothschild diente Alain Gruber in den 1990er Jahren als „French Eye“ bei den Restaurierungsarbeiten in Waddeston Manor, Buckinghamshire, Großbritannien. Es handelt sich dabei um das imposante Schloss der englischen Rothschild-Linie, das 1957 dem National Trust vermacht wurde. Henri Samuel, der bei der New Yorker Society für seinen französischen Geschmack sehr beliebt war, hatte Alain Gruber für die textile Neugestaltung von Waddeston Manor empfohlen. Als Spezialist für dekorative Kunst und die Geschichte des Ornaments lehrte der Kunsthistoriker von 1986 bis 1990 an der Universität Fribourg.

 

Dekoration und Ornament

Alain Grubers breit gestreute Fachkenntnisse offenbarten sich ebenfalls in seiner von 1977 bis 1990 ausgeübten Funktion als Leiter der Stiftung des Schweizer Textilindustriellen Werner Abegg und seiner Frau Margaret in Riggisberg (CH). Von ihm kuratierte Wechselausstellungen zu den Themen wie Chinoiserie, Grotesken, Jagdmotiven etc. ermöglichten es den Besuchern Textilien und Objekte der Sammlung aus der Perspektive der Geschichte dekorativer Künste zu erleben. Zudem akquirierte Gruber für die Kollektion antike Stoffe aus dem 18. Jahrhundert, seiner Lieblingsepoche. Das Faible für jene Zeit ging so weit, dass er zum Beispiel Marie Antoinettes Wegstationen von Wien nach Paris nachreiste. Die Tochter von Kaiserin Maria Theresia war durch die Hochzeit mit Ludwig XVI. eine der berühmtesten Frauen der Epoche gewesen.

Epochale Feste

Der renommierte Kunsthistoriker Andre Chastel, Alain Grubers Lehrer in Paris am Institut d’art et archéologique, regte ihn auch zum – auf das 18. Jahrhundert konzentrierten – Dissertationsthema an: „Die großen Feste und ihre Dekorationen zur Epoche Ludwig XVI.“ Diese Vorliebe für das 18. Jahrhundert verband Alain Gruber auch mit großen Museumskuratoren wie Mikhail Pietrovsky, Direktor der Eremitage in St. Petersburg und Philippe de Montebello, Direktor des Metropolitian Museums in New York.

 

Stilgeschichte

Die Dorotheum-Auktion bietet nunmehr die Gelegenheit attraktive Kunst- und Dekorationsgegenstände sowie Mobiliar zu erwerben. Seien es Himmelbetten, antike Stiche, Etageren, Konsolen und Ziertische, Leuchtkörper und vieles mehr. Großen Raum nehmen auch Gegenstände aus Silber ein: Alain Gruber war 1973 bis 1976 Kurator für Tafelsilber und Uhren am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich gewesen und verfasste den Bestandskatalog „Weltliches Silber“. 1981 erschien einer seiner bedeutendsten Publikationen, auf Deutsch „Gebrauchssilber des 16. bis 19. Jahrhunderts“. Wichtig hierbei ist der innovative Forschungsansatz, der eher die Funktion und den Gebrauch des Silbers als die Stilgeschichte in den Vordergrund rückt.

 

Kunst und Dekoration

Marie Antoinettes Spuren finden sich öfters in der Sammlung des Kunsthistorikers, zum Beispiel in Form einer Büste aus Bisquitporzellan. Wohl als Geschenk eines Privatsammlers in Anerkennung für die Verdienste von Alain Gruber diente ein bemalter Sèvres-Porzellanteller aus einem Service „für Königin Marie-Antoinette“.

Sei es eine raffinierte Bronze eines geflügelten Teufels, seien es lavierte Interieur-Ansichten oder Louis-XVI.-Fauteuils, der Kosmos des Alain Gruber umfasst vieles. Und lädt ein, besondere Stücke mit Geschichte auch für das eigene Zuhause zu entdecken – auf Palais im Dorotheum oder auf dorotheum.com.

ONLINE AUKTION
L’Art de Vivre
27.04.2021, 14 Uhr

Besichtigung:
19.4. – 27.4.2021

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