Ihre Malerei ist skrupellos und aggressiv, stützt sich auf die Macht des Zeichens und der formlosen Abstraktion. Die Künstler der losen CoBrA-Gruppe schufen ein Universum fantastischer Bilder, das ebenso fröhlich stimmt wie verstörend wirkt.
Ein Überblick
In die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist die Gruppe CoBrA als einer der ersten Vertreter der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen europäischen Neo-Avantgarde eingegangen. Ihre Wurzeln liegen im Pariser Café Notre Dame: Dort trafen 1948 die Belgier Joseph Noiret und Christian Dotremont, die Holländer Karel Appel, Constant und Corneille sowie der Däne Asger Jorn aufeinander und gründeten die Gruppe CoBrA. Deren Name – eine Schöpfung Dotremonts – setzt sich aus den Initialen jener Städte zusammen, denen die Künstler entstammten: Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam.
Weitere Maler – unter anderem Pierre Alechinsky, Robert Jacobsen, Pol Bury, Karl Otto Götz oder Lucebert – schlossen sich in der Folge der CoBrA-Bewegung an, der jedoch nur eine kurze Existenz als Gruppe beschieden war: 1951 löste sie sich auf. Der Geist der CoBrA blieb indes in den folgenden Jahrzehnten lebendig und prägte die europäische ebenso wie die internationale Kunstproduktion.
Ohne Etikett ist die Freiheit des Schaffens
Die CoBrA-Künstler lehnten jegliche Etikettierung und stilistische Festmachung ab. Die Mannigfaltigkeit und Freiheit ihres Schaffens sollten jedoch nicht verhindern, dass ihre Arbeiten – wie es bei den meisten Avantgardekünstlern der Fall war – eine charakteristische Sprache sprachen und daraus tatsächlich ein Stil hervorging: der CoBrA-Stil. Bald kam man dem Geschmack des Publikums und der Gunst der Kritiker entgegen – was dem anfangs revolutionären Projekt ein Ende setzte. Doch auch nach Auflösung der Gruppe blieben die ehemaligen Mitglieder in ihren späteren Werken dem Geist und den Grundprinzipien von CoBrA treu.
Was die verschiedenen Köpfe dieser Bewegung verband, waren die noch offenen Wunden, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte. Sie nährten den Wunsch, jeglichen Idealismus zu überwinden, die Kunst zu einer aktiven Kraft des gesellschaftlichen und politischen Lebens zu machen. Soziale Rollen hätten, so die Überzeugung der CoBrA-Mitglieder, den natürlichen Drang des Einzelnen, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, unterdrückt. Man zielte nun also darauf ab, die Rolle des professionellen Künstlers zu entmystifizieren und den schon damals gut abgesteckten Kunstmarkt zu untergraben, indem man einer Volkskunst, die von jedem geschaffen werden könne, das Wort redete.
Getrieben von Intention
Die CoBrA-Künstler waren von der Intention getrieben, der akademischen Welt mit einer „Rückkehr zu den Ursprüngen“, einer Besinnung auf die „rohe“, reine, primitive Kunst zu begegnen. Sie waren Dichter der schöpferischen Freiheit, Wiederentdecker jener echten Spontaneität, die Jean Dubuffet, Theoretiker der „Art Brut“ (1947), so verherrlicht und bewundert hatte, einer „unschuldigen“ Kunst, die ganz nach ursprünglichen Mechanismen – oft mit traumhaften Resultaten – geschaffen wurde; sie spielte eine wesentliche Rolle für die CoBrA-Bewegung und hatte entscheidenden Einfluss auf sie.
Jorn, Appel, Constant, Corneille, Alechinsky, Lucebert schufen so ein Universum fantastischer, symbolstarker Bilder. Sie kreierten von seltsamen Kreaturen bevölkerte Welten, die ebenso fröhlich stimmen wie verstörend wirken: Katzen, Vögel, urtümliche Lebewesen und verzerrte Gesichter durchdringen und beleben die Leinwände der CoBrA-Künstler. Ihre Malerei ist skrupellos und aggressiv, spielt mit hellen Farben und pastösen Materialien, stützt sich auf die Macht des Zeichens und der formlosen Abstraktion.
Die CoBrA-Gruppe ist der informellen Kunst im Allgemeinen und dem „Gestischen“ im Besonderen zuzuordnen. Dieser Begriff ist geradezu prädestiniert für die Beschreibung von Werken, die darauf abzielen, der schöpferischen Wut des Malers Ausdruck zu verleihen. Pinsel und Geste verschmelzen und bringen Werke hervor, die schnell und mühelos auf die Leinwand geworfen scheinen. „Schön, hässlich, schockierend, ekelhaft, bedeutungslos, düster, widersprüchlich … Es ist einerlei, solange nur das Leben kraftvoll hervorsprudelt“, so Asger Jorn.
Der von den Surrealisten übernommene Automatismus, der für den Expressionismus charakteristische Ausdruck der inneren Regungen und der Hang zur kindlichen, ja grotesken Imagination sind jene Quellen, aus denen sich – neben offenkundiger Bezugnahme auf die lebendige nordische Volkskunst – die unverkennbare Kunst der CoBrA-Gruppe.
„Let’s suppose that the first colour I apply to the canvas is red. Now that action determines everything else that happens to the painting. After that I could put yellow on it, and some blue. Then I might perhaps obliterate the red with black, and the blue would perhaps become yellow, and the yellow purple, while the black changes to white. Obviously anything can happen. But the whole fascinating process began with that first red, and if I hadn’t begun with red, the whole painting would have been different. Is there a system, is there order, in this chaos?“ (Karel Appel)
Die CoBrA-Gruppe im Dorotheum
Im November 2017 gelangen nun die Werke zweier CoBrA-Hauptvertreter im Dorotheum zur Auktion: „Earth Bird“ (1955) von Karel Appel und „Brokigt brak – Patchy quarrel“ (1964) von Asger Jorn. Beide Gemälde erzeugen mit ihren breiten, scharf gesetzten Pinselstrichen, den schillernden Farbkontrasten und ihrer geradezu aggressiven Intensität eine ebenso traumgleiche wie „kindliche“ Atmosphäre. Sie stehen unübersehbar in der Tradition des nordischen Expressionismus, der die CoBrA-Künstler geprägt hat.
AUKTION
Zeitgenössische Kunst
22. November 2017, 18 Uhr
Palais Dorotheum Wien