Francis Picabia: Vielschichtig

Francis Picabia zählt zu den schillerndsten Künstlerfiguren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Berühmt für seine Beiträge zur Dada-Bewegung, sind die Arbeiten der 1930er-Jahre vorwiegend figurativ und bestechen durch die surrealistisch anmutende Überlagerung gegenständlicher Elemente.

Francis Picabia in seinem Atelier Foto: Wikimedia – Library of Congress
Francis Picabia in seinem Atelier
Foto: Wikimedia – Library of Congress

Francis Picabia, der sich selbst als „schönes Monster“ bezeichnete, entzieht sich mit seiner Kunst einfachen Kategorisierungsversuchen. Der Franzose mit spanischen Wurzeln war Künstler, Schriftsteller und Provokateur, schrieb für Film und Theater und veranstaltete Feste und Soireen für die High Society von Cannes. Obwohl er vermutlich am besten bekannt ist für seine Beiträge zur Dada-Bewegung, umfasst sein Schaffen beinahe jede künstlerische Strömung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von den impressionistischen Anfängen über Kubismus und Abstraktion hin zu einer fotorealistischen Arbeitsweise.

Die 1930er-Jahre bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – jene Zeit, in der die beiden zur Auktion kommenden Werke entstanden – zeugen bei Picabia von seltener Konstanz, was seine Lebensumstände anbelangt, sowie von Unbeständigkeit im Bereich der Malerei. Mit Ausnahme einer Gruppe ab-strakter Kompositionen war sein gesamtes Œuvre dieser Zeit figurativ. In diesen figurativen Arbeiten jedoch ergab sich eine Vielfalt changierender Modi zwischen Realismus und Transparenz.

Francis Picabia, Ohne Titel, ca. 1938/39, erzielter Preis € 299.000
Francis Picabia, Ohne Titel, ca. 1938/39, erzielter Preis € 299.000

Mit den Transparenzen-Bildern begann um 1927 eine knapp fünfjährige Phase Picabias: Er schichtete einzelne Motive in simultaner Darstellung übereinander, die an die Mehrfachbelichtungen von Fotografien erinnern. Diese Gemälde, die sich zu einer illusionistischen, undurchdringlichen Allegorie eines surrealen Traums oder einer transzendentalen Erfahrung zusammenfügen, versagen sich einer traditionellen Lesart. Gaston Ravel assoziierte auf seine Weise: „Die vielfältigen Eindrücke, die wir in unseren Filmen verwendet und missbraucht haben“, so der französische Regisseur, seien hier „unbeweglich gemacht durch seinen magischen Pinsel!“. Was „auf den ersten Blick vielleicht etwas verwirrend“ sei, werde nach und nach klar: „Es ist ein Wunder! Es ist eine Verzauberung, eine, vielleicht unfreiwillige, Hommage an das Kino.“

Francis Picabia, Ohne Titel, ca. 1937 Öl auf Karton, 95,6 x 73,1 cm Schätzwert € 240.000 – 320.000
Francis Picabia, Ohne Titel, ca. 1937 Öl auf Karton, 95,6 x 73,1 cm Schätzwert € 240.000 – 320.000

Ende der 1930er-Jahre kehrte Picabia noch einmal zu dieser Idee der Überlagerung zurück. Im Gegensatz zu den vielschichtig interferierenden Oberflächen seiner früheren Transparenzen zeigt das vorliegende „Porträt“ die Weiterentwicklung dieser Arbeitsweise. Reduziert auf die grundlegenden Elemente des bildeinnehmenden Kopfes und dreier Vögel, werden diese mit kräftigem Pinselstrich festgehalten und von einem leuchtenden, tiefen Blau umfangen. Das zweite Werk von 1937 ist der realistischen Phase des Künstlers zuzuordnen. Mit erneut zwei Vögeln, die nun aber, auf zwei verknöcherten Ästen mit überdimensionalen Blättern sitzend, in eine äußerst karge Landschaft eingebettet wurden, ist dieses Werk möglicherweise Teil jener Schaffensphase von 1937, die von der Darstellung südfranzösischer Landschaften und Figuren darin dominiert wurde.

AUKTION

Moderne, 28. November 2023
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386

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