Im 15. Jahrhundert erlebte Florenz sprichwörtlich eine Wiedergeburt des Interesses an der klassischen Antike. Hinzu kam ein neues Interesse an der naturalistischen Darstellungsweise. Weltliche Auftragswerke und Andachtskunst spiegeln den Zeitgeist der Frührenaissance wider. Herausragende Beispiele dafür sind in der Auktion Alte Meister zu finden.
Den Künstlern bot sich im renaissancezeitlichen Florenz ein breites Betätigungsfeld, weil die zivile Obrigkeit große öffentliche Projekte finanzierte: So schufen Donatello, Lorenzo Ghiberti und Nanni di Banco in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts Skulpturen für die Fassaden der Kathedrale, der Loggia della Signoria (heute Loggia dei Lanzi), des Orsanmichele und des Baptisteriums. In all diesen Gebäuden sehen wir die Schlichtheit und Monumentalität der Klassik mit naturalistischer Pose und Formgebung vereint.Die Bildhauerei beeinflusste wiederum die Malerei, die Architektur und andere Künste.
Frührenaissance: Wiedererwachen der Künste
Florenz erlebte eine – aus heutiger Sicht historische – Epoche des kulturellen Wiedererwachens, einen Schlüsselmoment künstlerischen Schaffens, das inspiriert war von den Vorbildern und Werten des klassischen Altertums und sich im 16. Jahrhundert von Italien bis über die Grenzen Europas hinaus ausbreitete.
„Die Schlacht von Pharsalos“
„Die Schlacht von Pharsalos“ von Apollonio di Giovanni (circa 1415/17–1465) kommt am 25. April 2017 bei der Auktion Alte Meister zur Versteigerung. Dieses herausragende Beispiel der Malerei des 15. Jahrhunderts vereint die aktuellen Entwicklungen der zeitgenössischen florentinischen Monumentalmalerei mit einer erzählerischen und emotionalen Ausdruckskraft, die dem hoch dekorativen und wunderschön ausgeführten Tafelbild des Künstlers besondere Strahlkraft verleiht. Apollonio entsprach dem großen Interesse seiner Förderer an der Antike und führte viele neue Motive sowohl der klassischen als auch der zeitgenössischen Literatur in die florentinische Kunst ein. Die Dekorationsmalerei auf Truhen hatte oft literarische Allegorien, religiöse Themen und historische Ereignisse wie insbesondere Schlachten aus mittelalterlichen Erzählungen, der Mythologie oder der klassischen Literatur zum Inhalt.
Das Tafelbild war ursprünglich die Vorderseite einer aufwendig gestalteten Truhe (cassone), wie sie zur Renaissancezeit als dekorative Möbelstücke in Italien beliebt waren. Truhen zur Aufbewahrung persönlicher Habseligkeiten wurden oft paarweise hergestellt und mit Bildern und Pastiglia-Applikationen verziert. Solche cassoni wurden Bräuten üblicherweise als Heiratsgut mitgegeben und zeigten die gesellschaftliche Stellung, den Vermögensstand und die Sippschaftsverhältnisse bei Verwandtenehen an. Sie waren in Nord- und Mittelitalien weit verbreitet – insbesondere in der Toskana des 14. bis 16. Jahrhunderts – und wurden für gewöhnlich in Werkstätten hergestellt, die auf ebensolche Truhen und auf artverwandte Malarbeiten etwa für Geburtstafeln (deschi da parto) und Wandvertäfelungen (spalliere) spezialisiert waren.
Der Schöpfer des Tafelbildes, Apollonio di Giovanni, war zwischen den späten 1430er- und den 1460er-Jahren tätig und war der vielleicht bekannteste und am besten dokumentierte Vertreter solcher Werke im Florenz des mittleren 15. Jahrhunderts (Quattrocento).
Die Arbeit weist die opulenten naturalistischen Züge etwa des in den Uffizien von Florenz befindlichen Altarbildes „Anbetung der Könige“ auf, das Gentile da Fabriano 1423 für den Florentiner Banker Palla Strozzi anfertigte. Wie bei den Werken Masaccios sind die Figuren in einem realistisch anmutenden Bildraum verortet, wiewohl auch Zierelemente und -muster deutlich betont werden. Die Perspektive entstammt dem neuen, an klassische Vorbilder angelehnten Architekturstil Filippo Brunelleschis. Letztere Errungenschaft hatte Leon Batista Alberti in seiner theoretischen Abhandlung „De pictura“ im Jahr 1435 dargelegt. Florenz war zu diesem Zeitpunkt bereits das führende Zentrum der Renaissancekultur im 15. Jahrhundert.
Neue Perspektiven in Florenz
Die Anwendung der Linearperspektive revolutionierte die Abbildung des Raums. Florentiner Künstler bedienten sich dieser neuen Technik ab dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts. Exemplarisch dafür sind die Bilder Paolo Uccellos, der durch die Anordnung der Figuren die Illusion schuf, der reale Raum des Betrachters würde sich in den Bildraum erstrecken. Dieser Effekt wird zum Beispiel in Uccellos drei Tafelbildern deutlich, die den „Kampf bei San Romano“ darstellen.
Während wir der Tradition der Werkstättenkunst zweifellos auch einfältige, konservative Arbeiten zu verdanken haben, lässt sich das von der Florentiner Tradition nicht gerade behaupten. Der hohe Grad an Originalität, den die Künstler der Stadt sich bewahrten, lässt darauf schließen, dass ihre Kunden Innovation zu schätzen wussten. Giorgio Vasari meinte, dass wohl nicht zuletzt der Wettstreit zur Entwicklung der führenden Florentiner Künstler beigetragen habe.
Kirchlich und weltlich
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts hatte die persönliche die körperschaftliche Form des Mäzenatentums abgelöst. Das war vor allem den Medici zu verdanken, die auf diese Weise ihre Macht und ihr immenses Vermögen zur Schau stellten. Die von Cosimo de’ Medici in Auftrag gegebenen Arbeiten an den Kirchen von San Lorenzo und San Marco beispielsweise standen den Aufträgen der reichsten Gilden um nichts nach.
Auch im häuslichen Bereich hielt die Andachtskunst Einzug. Während die Künstler heute in der Regel die profane Darstellung des Selbst bevorzugen, dienten renaissancezeitliche Kunstwerke vorwiegend der christlichen Andacht. Bei den Aufträgen handelte es sich zumeist um Ikonen, kleinformatige Andachtsbilder, Gebildvotive, Altarbilder und Zyklen mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament und anderen Heiligengeschichten.
Jacopo del Sellaio
Ein bedeutendes Beispiel für diese beliebte florentinische Kunstform ist das Rundbild (Tondo) „Madonna mit Kind, dem Johannesknaben und dem Erzengel Gabriel“ von Jacopo del Sellaio (Florenz 1441–1493).
Das runde Format des Tondo ist eine von zahlreichen Erfindungen der florentinischen Maler des 14. Jahrhunderts. Solche Tafelbilder waren nicht als Altarbilder für Kirchen gedacht, sondern dienten der persönlichen Andacht der Patrizier von Florenz, die sie häufig in den Schlafgemächern ihrer Palazzi anzubringen pflegten. Das Rundbild eroberte denn auch bald die gesamte Toskana und Regionen jenseits davon, entstanden ist es aber in Florenz. Es zeugt vom Bedarf an religiösen Werken außerhalb der Kirchen und Klöster.
Im vorliegenden Bild finden wir zwei Arten der Ikonographie in der Figur der Heiligen Jungfrau vereint: die der Stillenden Gottesmutter (Madonna del latte) und die der Madonna der Demut (Madonna dell’umiltà).
Das Werk Jacopo del Sellaios umfasst auch etliche cassoni und spalliere mit Szenen aus dem Alten Testament und der römischen Geschichte, die in Zusammenarbeit mit anderen Meistern seiner Werkstätte entstanden. Klar erkennbar ist der Einfluss Sandro Botticellis, dessen Stilelemente sich bei Jacopo del Sellaio mitunter mit jenen anderer Zeitgenossen vermischen. Unverkennbar ist im vorliegenden Tondo auch die Handschrift Fra Filippo Lippis, des Lehrmeisters Jacopo del Sellaios. Die zwischen 1470 und 1490 entstandene Arbeit ist von ganz vorzüglicher Qualität und geradezu beispielhaft für die florentinische Frührenaissance.
Ein Potpourri an Stilen
Im späten 15. Jahrhundert wurde Florenz von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Turbulenzen ergriffen, und auch das private Mäzenatentum geriet in den Predigten des Girolamo Savonarola stark unter Beschuss. Der Vertreibung der Medici im Jahr 1494 folgte die Wiederherstellung der Republik und damit der Startschuss für Projekte, die den neuen Herrschern dienlich waren. Im Zentrum des Interesses stand nunmehr der Palazzo della Signoria, der heutige Palazzo Vecchio.
1501 erhielt Michelangelo den Auftrag zu einer Monumentalstatue des David, des traditionellen Symbols für die Unabhängigkeit der Stadt Florenz. Die Prinzipien der klassischen Kunst blieben jedoch vorherrschend und die Florentiner Künstler galten auch weiterhin als führend.
Mit der Rückkehr der Medici im Jahr 1512 nahm hauptsächlich unter der Federführung Michelangelos auch die bildhauerische und architektonische Verschönerung von San Lorenzo wieder Fahrt auf. Gleichzeitig entwickelten jüngere Florentiner Künstler wie Rosso Fiorentino und Jacopo da Pontormo bestimmte Charakteristiken der Hochrenaissance und trugen damit entscheidend zu einer Vielfalt an Stilen bei, die gemeinhin unter dem Begriff Manierismus subsumiert werden. Francesco Ubertini, genannt Bachiacca (1494–1557), zählt zu dieser Generation.
Sein Bild „Die Predigt des heiligen Johannes des Täufers“ ist ein wichtiges, bestens erhaltenes Beispiel für den eleganten, vergeistlichten Manierismus, von dem Florenz im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts ergriffen wurde.
Information: Mark MacDonnell
Experte für Alte Meister
AUKTION
Alte Meister, 25. April 2017
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