Im Jahr 1904, zum 25-jährigen Jubiläum des „Kunsthauses Hohenzollern“ wird anlässlich der ersten Wiener Werkstätte-Ausstellung in Berlin über den Stilgegensatz geschrieben, der sich bei einer „großen Anzahl ihrer kunstgewerblichen Arbeiten“ bemerkbar macht. Die eigensinnig-vierkantige Geradlinigkeit, die aus allen ihren Entwürfen immer wieder, halb pedantisch, halb kapriziös, hervorbricht, ist Grundelement eines ernsten, fast archaisch herb anmutenden Stils.
Lot 51: Josef Hoffmann, Tischuhr, Wiener Werkstätte, vor 1909, € 30.000 – 50.000
„In solchen Ernst der Formensprache streuen die Künstler nun allerhand Spielereien und Tändeleien ein, Lapislazuli und anderes buntes Gestein mischt sich kokett in Gegenstände alltäglichen Gebrauchs.“
Dies entspricht der Forderung, die Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Wärndorfer in ihrem Arbeitsprogramm stellten:
„Wo es angeht, werden wir zu schmücken suchen, doch ohne Zwang und nicht um jeden Preis. Wir benützen viel Halbedelsteine, besonders bei unsrem Geschmeide; Sie ersetzten uns durch ihre Farbschönheit und unendliche, fast nie wiederkehrende Mannigfaltigkeit den Wert der Brillanten (…) Wir müssen gestehen, dass ein Schmuck aus Silber, an sich ebenso wertvoll sein kann, wie ein solcher aus Gold und Edelsteinen.
Der Wert der künstlerischen Arbeit und die Idee sollen wieder erkannt und geschätzt werden.“
Wenn der Kunsthistoriker Otto Breicha über die Brüder Franz und Karl Hagenauer 1974 resümiert: „Sie waren Designer, ehe noch dieser Begriff erfunden worden war“, erkennt er den enorm avancierten Anspruch und die künstlerischen Umsetzungen der Werkstätte Hagenauer in ihrer frühen Zeit. Der figural und ornamental durchbrochene Spiegel von Karl Hagenauer, der ab den frühen 1930er-Jahren bis Mitte der 1970er ausgeführt wurde, überzeugt nicht nur durch seine sorgfältige Ausführung in vernickeltem Messing, auch verführt er sowohl zum optischen „Abtasten“ als auch zum haptischen „Anfassen“.
Die moderne Formensprache der Motive ist enorm: Elegante Figuren bewegen sich in gewollter Asymmetrie zwischen geometrischen Naturmotiven und stilisierten Tieren. Ein lebhaftes Durchdringen und Verschmelzen von Art-déco-Formen und New Modernism entlässt den Rahmen in den Wohnbereich. Nicht zu vergessen: In der Mitte, im strengen Rechteck des Spiegels, können wir alles im Auge behalten.
Magda Pfabigan ist Expertin für Jugendstil und Art Déco im Dorotheum.
Lot 4: Karl Hagenauer, großer Spiegel mit figural durchbrochenem Rahmen, Entwurf: um 1930, Ausführung: Werkstätten Hagenauer, Wien, bis Mitte der 1970er Jahre, € 12.000 – 15.000