Richard Rodriguez: Von Basquiat bis Van Dyck

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Nach seinem samstägigen Ausflug zum Flohmarkt an der Porte de Vanves in Paris empfängt uns Richard Rodriguez in seinem originellen Haus, in dem zeitgenössische und alte Kunstwerke mit eindrucksvollem Nippes auf faszinierende Weise zusammenspielen.
Als einer der Ersten in Frankreich erkannte er die Bedeutung Jean-Michel Basquiats, umgibt sich aber ebenso leidenschaftlich mit Werken Alter Meister.

Ein Sammler im Wandel

Schon in jungen Jahren nimmt Richard Rodriguez bei Italien-Reisen mit seinen Eltern die Kunst der Renaissance auf. Unter dem Eindruck des Protagonisten von Michelangelo Antonionis Film „Blow Up“ strebt er eine Karriere als Fotograf an, was seine Familie aber nicht gutheißt. Rodriguez studiert also Jus, absolviert ein Doktoratsstudium in europäischem Recht und wird Rechtsberater.

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Der Sammler inmitten seiner Werke mit einem Foto, das Basquiat und Madonna zeigt

Nach wie vor von der italienischen Renaissance geprägt, beginnt er aus einer gewissen Frustration heraus, Zeichnungen des 16. und 17. Jahrhunderts zu sammeln, die erschwinglicher sind als zeitgenössische Kunst. Ein Freund führt ihn in das „Cabinet des Dessins“ des Louvre, die Sammlung von Zeichnungen, ein. Dort schärft er seinen Blick und lernt Arbeiten durch genaues Studieren der Details einzuschätzen.

Von der Renaissance zur Zeitgenössischen Kunst

Seine Neugierde führt Rodriguez schließlich jedoch zur zeitgenössischen Kunst. Mit großer Leidenschaft versucht er, unter den Künstlern von heute Klassiker von morgen auszumachen – wie etwa H.R. Giger, für den ihn dessen erste Pariser Ausstellung Mitte der 1970er-Jahre einnimmt. Die großen Ausstellungen zu Cézanne 1978 und Pollock 1982 in Paris sind für Rodriguez Schlüssel zum Verständnis der modernen Kunst. Mit Werken der Künstlergeneration der frühen 1980er – Pincemin, Blais, Combas, Beuys, Rauschenberg und Warhol – erfährt seine Sammlung Zuwachs. Begegnungen mit Beuys und Buren erweisen sich als entscheidend für ihn.

1984 lernt Richard Rodriguez die Graffitikünstler des Kollektivs Les Frères Ripoulin kennen, die ihm von einem jungen Amerikaner berichten: Keith Haring. Eines Abends entdeckt Rodriguez an den Wänden der Pariser Métro-Station Dupleix neben Werken der Frères Ripoulin auch ein hinreißendes Gemälde Harings. Er löst das Werk von der Mauer ab und verkauft es einige Jahre später an einen bedeutenden französischen Sammler. Wenige Monate vor Harings Tod trifft Rodriguez den Künstler. „Das ist der Typ, der mich abgezogen hat“, sagt dieser zu seinen Freunden und dankt Rodriguez für die Erhaltung des Werkes, das er zurückzukaufen wünsche.

Richard Rodriguez als Entdecker Basquiats

Als einer der ersten französischen Sammler erkennt Richard Rodriguez auch die Bedeutung Jean-Michel Basquiats.

Richard Rodriguez Condottiere Jean-Michel Basquiat Antoine van Dycks Portrait de Georg Petel Dorotheum
Richard Rodriguez mit seinem „Condottiere“ von Jean-Michel Basquiat vor Antoine van Dycks „Portrait de Georg Petel“, im Dorotheum erworben

1987 ermöglichen ihm ein niedriger Dollarkurs und ein Kredit, angesichts dessen Höhe ihn seine Freunde für verrückt erklärten, den Erwerb des Basquiat-Gemäldes „Grigri“, in das er sich unsterblich verliebt hat; bei einem Paris-Besuch erzählt ihm der Künstler, es handle sich dabei um eines seiner Lieblingsbilder. 1988, vor Basquiats Tod, gelangt ein Werk zum Verkauf, das an die Studie zu einem von der florentinischen Kultur inspirierten „Condottiere“ erinnert. Angesichts des Desinteresses der meisten Galeristen ersteigert Rodriguez das Werk, das von da an seine Visitenkarte schmückt. Trotz zahlreicher Angebote trennt er sich nie mehr von dem Bild.

 
Nach dem Tod Basquiats ist Rodriguez überzeugt davon, dass der Wert seiner Werke rasant steigen werde. Er verkauft nahezu seine gesamte Kollektion, um genügend Mittel zu haben, die erste Basquiat-Sammlung aufzubauen. 1992 organisiert er die erste Pariser Ausstellung im Musée de la Seita, das im Jahr davor Egon Schiele präsentierte – für Rodriguez ein Genie wie Basquiat mit ähnlichem Schicksal. Beide starben im gleichen Alter, beide wurden von bekannten Mentoren gefördert: Schiele von Klimt, Basquiat von Warhol. Als Richard Rodriguez ein internationales Netzwerk von Basquiat-Fälschern aufdeckt, ist er endgültig als einer der weltweit wichtigsten Experten des Malergenies anerkannt.

2012 werden auf der Pariser Kunstmesse FIAC aberwitzige Preise für moderne Werke erzielt – eine für Rodriguez irritierende Erfahrung. Als er sich bei einem Antiquitätenhändler in das wunderbare Porträt eines „Homme de qualité“ aus dem 18. Jahrhundert von Joseph-Siffrein Duplessis verliebt, kauft er das Bild und geht fortan seiner Leidenschaft für alte Porträts nach, die er auf eine Kindheitserinnerung zurückführt. Denn im Esszimmer seiner Großmutter hing eine Kopie des „Baldassare Castiglione“ von Raffael, vor dem er große Angst hatte, drohte doch seine Großmutter: „Sei brav, Richard, denn dieser Herr sieht alles, was du tust“.

Zurück zum Anfang

Richard Rodriguez schlägt nun einen neuen Weg ein, beschäftigt sich mit klassischer Malerei, besucht unzählige Museen, Messen und Auktionshäuser, oft auch das Dorotheum. Die Enttäuschung darüber, dass ihm bei seiner ersten Auktion ein Porträt Philips IV. aus dem Atelier Velázquez entgeht, überwindet er im Oktober 2015: Da ersteigert er ein dem Atelier van Dycks zugeschriebenes Porträt Georg Petels, das als eine Kopie der in der Alten Pinakothek in München befindlichen Version gilt.

Als hartnäckiger Zweifler, der er ist, weist Rodriguez auf die lange Freundschaft zwischen Petel und van Dyck hin und merkt an, dass das von ihm erworbene Porträt den jungen Petel mit zwei störenden Gerstenkörnern auf dem Augenlid zeigt; sie sind wohl auf den Marmorstaub zurückzuführen, mit dem der Bildhauer in Berührung kam.

Ein solch präzises Detail konnte nur der Meister van Dyck selbst geschaffen haben – eine These, die durch einen Brief des Fachmannes Wilhelm Suida von 1938 erhärtet wird. „Die van Dycks fallen mir zu“, schmunzelt Richard Rodriguez. Im Jahr davor erwirbt er bereits ein dem Atelier des Meisters zugeschriebenes Porträt der Gräfin von Somerset; Expertin Susan Barnes bestätigt ihm, dass es unter Aufsicht und Mitarbeit van Dycks selbst geschaffen worden sei.

Die Wände von Rodriguez’ Büros schmücken zwei königliche Porträts: eines von Ludwig XIV. als Kind und ein auf dem Flohmarkt von Saint-Ouen erstandenes Frauenbildnis, in dem der Sammler Anna von Österreich, die Mutter des Königs, erkannt hat. Beide Porträtierte weisen jenes ererbte Grübchen auf, das dem Pinsel Beaubruns zu verdanken ist.

Robert Rauschenbergs Hommage à Duchamp Porträt Saint Jean Künstler Reifen
Robert Rauschenbergs „Hommage à Duchamp“ und Porträt von Saint Jean von einem unbekannten Künstler

Im Haus von Richard Rodriguez vermischen sich Werke und Epochen. Mehrere Frauenbildnisse, alle ungewöhnlich: ein junges Mädchen mit rasierter Stirn von 1542, zweifellos eine Holländerin aus Friesland; eine „Rembrand’sche Frau mit Perlen und Spitzen“, die Gerrit van Honthorst zugeschrieben wird; eine Frau mit offenem Spitzenkragen und verrutschter Halskette, in ihrer Privatsphäre überrascht, von Cornelis de Vos.

Wenngleich sich Richard Rodriguez vor allem mit alten Porträts umgibt, hat er sich doch nie von einigen wunderbaren zeitgenössischen Werken getrennt, die seine Sammlung besonders machen und ihre Qualität bestätigen. So hat er Basquiats „Condottiere“ ebenso behalten wie zwei aufwühlende Bilder von Anselm Kiefer (ein „Ex voto“ mit Bezug zum Attentat auf die Twin Tower und eine Allegorie der römischen Vestalin „Claudia Quinta“) eine Skulptur Rauschenbergs, die eine Hommage an seinen geistigen Vater Marcel Duchamp ist, das Porträt der Hélène Rochas von Warhol und zahlreiche Fotos, etwa von Basquiat mit Madonna.

Unerreichbare Ziele?

Zum Abschluss unseres Besuchs verrät uns der unermüdliche Erzähler und erfahrene Sammler Richard Rodriguez, er träume von zwei Bildern, die er zweifellos nie besitzen werde: „Les Demoiselles d’Avignon“ von Picasso und „Carré blanc“ von Malewitsch.

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