Die Abstraktion in der Kunst fand in Europa in der informellen Kunst ihren Anfang: Expressiv in Form und Farbe verarbeiteten die Künstler Unbewusstes. Emilio Vedova ist ein wichtiger Vertreter des Informel, zwei seiner Werke finden sich in der Auktion Zeitgenössische Kunst am 16. Mai 2018.
Von Petra Schäpers und Susanne Zimmermann
Die Hand Malt von Selbst
Seit den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts drücken die Künstler ihre Befreiung von jeglichen Traumata und Gräueln des Weltkrieges durch die Abstraktion ihrer Werke aus. Mit dem Action Painting und dem Abstract Expressionism waren die amerikanischen Künstler Vorreiter der neuen Kunstrichtung. Ihnen folgten ab 1947 in Europa die informellen Künstler. Die in Nuancen unterschiedlichen Strömungen der abstrakten Kunst entwickelten sich weltweit ab 1950 unter den verschiedensten Voraussetzungen. Von allen Künstlern wurde ein hoher Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Authentizität formuliert, häufig äußerten sie sich auf großformatigen Leinwänden, die von einer bis dahin nicht gekannten Unmittelbarkeit und von körperlicher Direktheit in ihrer Malerei zeugen.
Jeder Künstler entwickelte allein schon durch seine Biografie einen ganz eigenen Stil. Für sie alle war der Verzicht auf das bildnerische Kompositionsprinzip wie auch auf realistische Motive von großer Bedeutung. Durch die haptische und physische Eigenschaft von Farbe und Bildträger ließen die Maler die Materialität sprechen und machten sie sich für ihr Werk zu eigen. Der Künstler insistierte auf seine offensiv vorgetragene gestische Handschrift und appellierte mit der eminent physischen Malerei einzig und allein an seine eigene Persönlichkeit. Die Hand malte von selbst – die Künstler des Informel verarbeiteten auf ihren Leinwänden aus dem Unterbewusstsein heraus das Gesehene und Erlebte aus der Zeit des Krieges, der Résistance und der Gefangenschaft.
Venezianischer Impuls
Emilio Vedova begann in den 1930er-Jahren als Autodidakt mit der Malerei, zusätzlich arbeitete er bei einem Fotografen und Restaurator. Der Ausgangspunkt für sein künstlerisches Œuvre war der „venezianische Impuls“, seine intensive Beschäftigung mit den Architekturen und der Natur in und um seine Heimatstadt Venedig. Die Auflösung der realen Darstellung in ein expressives Strichwerk begann bei Emilio Vedova bereits in den Dreißigerjahren. Seine Gemälde zeugen nicht nur von seiner tiefen Verbundenheit mit Venedig, sondern auch von dem, was er in der Zeit der Résistance gesehen und durchlebt hatte. In seine Arbeiten flossen all seine Erfahrungen in unmittelbar gestischem Ausdruck ein.
Im Jahr 1942 trat Vedova der Corrente bei, einer Gruppierung von Künstlern, die sich gegen die faschistische Kunst aussprachen. Von 1944 bis 1945 engagierte er sich als Antifaschist im Widerstand und unterzeichnete 1946 in Mailand das Manifest „Beyond Guernica“. Gemeinsam mit Künstlern wie Renato Guttuso, Bruno Cassinari und Renato Birolli gründete Emilio Vedova 1946 in Venedig die Nuova Secessione Artistica Italiana. Sein Biennale- Debüt in Venedig hatte Emilio Vedova 1948, und bereits 1952 wurde seinem Werk ein ganzer Raum gewidmet.
Die in den frühen Fünfzigerjahren entstandenen Werkzyklen „Scontro di situazioni“, „Ciclo della Protesta“ und „Cicli della Natura“ zeigen besondere und eigenständige Varianten bestimmter persönlicher Bewusstseinslagen, die Vedova in seinen Gemälden verarbeitete.
Mit der documenta II in Kassel 1959, an der auch Emilio Vedova teilnahm, war die institutionelle Etablierung der freien Abstraktion vollzogen.
AUKTION
Zeitgenössische Kunst I
16. Mai 2018, 18 Uhr
Palais Dorotheum Wien
Information:
Petra Schäpers und Alessandro Rizzi, Experten für Zeitgenössische Kunst
Foto oben:
Emilio Vedova
Per una protesta No. 6
aus dem Ciclo della protesta, 1953
Öl auf Leinwand, 140 x 190 cm
Schätzwert €280.000 – 380.000