
Dass gleich 221 Zeichnungen der Pop-Art Ikone Andy Warhol in einer Auktion versteigert werden, ist wohl eine Sensation. Das Dorotheum bietet in seiner Online-Auktion „Andy Warhol – The 1950s Drawings from Daniel Blau“ am 27. März 2025 eine außergewöhnliche Auswahl an Papierarbeiten eines der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts an. Die Startpreise sind sehr moderat angesetzt, was die Auktion für alle Kunstbegeisterten besonders spannend macht.
221 Andy-Warhol-Zeichnungen aus den 1950er Jahren
Bevor Andy Warhol zur Ikone der Pop-Art avancierte, etablierte er sich im New York der 1950er Jahre als Illustrator. Nach seinem Studium der Werbegrafik am Carnegie Institute of Technology zog es ihn in die pulsierende Metropole, wo er sich rasch einen Namen machte und zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Zu seinen Auftraggebern zählten Tiffany & Co, The New York Times, I. Miller Shoes, Bonwit Teller, Columbia Records, Fleming-Joffe, NBC und viele weitere Unternehmen. In den 1960er Jahren war Warhol bereits weltberühmt.
Ein Blick auf sein Werk aus den 1950er Jahren offenbart jedoch die Wurzeln seines Schaffens und gewährt faszinierende Einblicke in seine künstlerische Entwicklung und Arbeitsweise. Dies belegen auch die 221 Arbeiten auf Papier, die am 27. März im Dorotheum versteigert werden. Die „Drawings“ zeigen einen unermüdlichen Warhol, der seine gesamte Umwelt künstlerisch verarbeitet. Sie belegen zugleich seine enge Verbindung zur Mode- und Werbewelt, die seinen Stil nachhaltig prägte.
Ein neuer Blick auf Warhols frühe Zeichnungen
Diese frühen Originale entdeckte der deutsche Kunstsammler und Galerist Daniel Blau 2011 tief verborgen im Archiv der Warhol Foundation. Nachdem Blau diese Arbeiten ans Licht brachte, initiierte er wenige Jahre später die erste große Wanderausstellung From Silverpoint to Silver Screen – Andy Warhol 1950s Drawings.
Die Ausstellung machte Station im Louisiana Museum in Humlebæk, im Teylers Museum in Haarlem und in der Staatlichen Graphischen Sammlung der Pinakothek der Moderne in München. Weitere Schauen folgten, darunter eine umfassende Präsentation im Musée des Beaux-Arts in Le Locle, das Warhols illustrative Praxis kunsthistorisch einordnete. Eine weitere bedeutende Ausstellung fand an der New York Academy of Art statt, die Warhols Zeichnungen der 1950er Jahre mit dem kreativen Umfeld New Yorks in Verbindung brachte.
Auch im mumok in Wien wurde 2020 im Rahmen von ANDY WARHOL EXHIBITS: A Glittering Alternative Warhols kuratorische Praxis beleuchtet, darunter seine frühen Präsentationsformen und Zeichnungen. Die Kunstsammlung Jena stellte seine Werke 2022 in einen Dialog mit der Kunst der Neuen Sachlichkeit in der Ausstellung Follow George Grosz.
Wovon erzählen Warhols Zeichnungen der 50er Jahre?
Warhols Arbeiten aus dieser Zeit bewegen sich zwischen Mode-Illustrationen, Werbegrafiken und homoerotischen Darstellungen. Sie zeigen frühe Einflüsse, die später in seinen berühmten Porträtserien von Ikonen wie Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor wiederkehren.
Besonders faszinierend sind seine Zeichnungen der Drag-Szene der 1950er Jahre, die sein Interesse an subkulturellen Bildwelten offenbaren. Seine Arbeiten basierten häufig auf Fotografien und Magazinbildern. Lot 15 verweist auf eine solche Quelle: eine Zeichnung von Andries Zwart und Jan van den Heuvel, zwei niederländischen Jungen, die 1951 als Motive für die „Kinderzegels“-Wohltätigkeitsbriefmarken ausgewählt wurden. Diese Marken unterstützten soziale Projekte und wurden in einer Ausgabe des LIFE-Magazins vom 14. Januar 1952 unter dem Titel Dutch Kids Pose for Postage and Their Faces Go Around the World vorgestellt.
Das Magazin zeigte neben den Briefmarken auch fotografische Porträts der Kinder. Warhols Zeichnung ist eine Auseinandersetzung mit diesem Bildmaterial.

Zahlreiche von Warhols kommerziellen Aufträgen begannen mit Vorstudien und Skizzen, so auch Lot 72, eine Zeichnung mit Tempera auf Papier. Sie steht im Zusammenhang mit seiner Kollaboration mit Reid Miles für das Albumcover von Blue Lights von Kenny Burrell. In einer Zeit, in der Plattencover oft mit aufreizenden Frauenbildern arbeiteten – sogenannten ‚Cheesecake‘-Fotografien –, entwickelten Warhol und Miles, Grafiker und Photograph, eine alternative Bildsprache. Statt eines klischeehaften Pin-up-Motivs entschieden sie sich für eine Illustration: eine liegende Frau mit direktem Blickkontakt zum Betrachter. Die reduzierte Darstellung spiegelt die subtile Atmosphäre von Burrells Musik wider und verdeutlicht Warhols Fähigkeit, kommerzielle Illustrationen als künstlerisches Medium zu nutzen – ein Ansatz, der sich später in seiner Pop-Art konsequent fortsetzte.

Die Blotted-Line-Technik
Viele von Warhols frühen Zeichnungen entstanden mit der sogenannten Blotted-Line-Technik, einer Verbindung von Zeichnung und Druckgrafik. Warhol experimentierte mit dieser Methode bereits während seines Studiums am Carnegie Institute of Technology und perfektionierte sie in den 1950er Jahren für seine kommerziellen Arbeiten. Warhol begann mit einer Bleistiftzeichnung auf nicht saugfähigem Papier wie Transparentpapier, das er auf ein saugfähigeres Blatt legte. Dann überzog er einzelne Linienabschnitte mit Tinte und tupfte sie auf das darunterliegende Papier.
So entstanden die charakteristisch gebrochenen, filigranen Linien, die Warhols Illustrationen auszeichnen. Oft kolorierte er sie mit Aquarellfarben oder verlieh ihnen durch Vergoldung zusätzliche Tiefe. Die Technik ermöglichte ihm, eine Vorlage in mehreren Varianten zu reproduzieren, wodurch er seinen Kunden verschiedene Versionen eines Motivs präsentieren konnte – eine Vorwegnahme seiner späteren seriellen Bildproduktion in der Pop-Art. Daher bestehen viele Arbeiten aus einer ursprünglichen Tintenzeichnung und ihrer spiegelbildlichen Monotypie. Ein schönes Beispiel dafür ist eine um 1955 entstandene Abbildung eines Engels mit Trompete.
Ein neuer Blick auf Warhols Anfänge
Viele dieser Zeichnungen – Porträts, Stillleben oder Männerakte – zeigen eine weniger bekannte, aber nicht minder faszinierende Facette Warhols.
Blau sieht in diesen Werken auch Bezüge zur europäischen Kunstgeschichte, insbesondere zu Egon Schiele, Jean Cocteau, Henri Matisse und Gustav Klimt. Zusätzlich zu dieser außergewöhnlichen Werkgruppe werden am 28. März 2025 auch Papierarbeiten von George Grosz, Markus Lüpertz, Per Kirkeby und Neal Fox aus dem Bestand von Daniel Blau versteigert. Die Warhol-Zeichnungen aus den 1950er Jahren erlauben eine Neubewertung seines frühen Schaffens und werfen ein neues Licht auf die Ursprünge einer der prägendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
AUKTIONEN
Andy Warhol – The 1950s Drawings, 27. März 2025, 16 Uhr
From Grosz to Kiefer, 149 works on paper, 28. März, 15 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien