
Durch seine frühe Beschäftigung mit algorithmischen Prozessen für seine künstlerische Arbeit gehört der tschechische Maler Zdeněk Sýkora zu den innovativsten Künstlern seiner Generation. „Linien Nr. 109“ ist ein Schlüsselwerk seines Schaffens.

Gemälde „Linien Nr. 24 –
Das Jüngste Gericht“, 1989
Foto: Archiv Lenka und Zdeněk
Sýkoras Louny, Miroslav Kukla
Kaum ein Künstler hat das Verhältnis von Kunst, Wissenschaft und Technik so konsequent neu gedacht wie Zdeněk Sýkora (1920–2011). Schon in den frühen 1960er- Jahren begann er, mithilfe von Computern Bildkompositionen zu entwickeln – und wurde damit zu einem Pionier der algorithmisch generierten Kunst. Was damals visionär war, prägt heute unser Verständnis einer Welt, die zunehmend von digitalen Strukturen durchdrungen ist. Sýkoras Werk nimmt diese Entwicklung vorweg und übersetzt sie in eine Bildsprache von zeitloser Modernität.
Die hier präsentierte Arbeit „Linien Nr. 109“ aus dem Jahr 1993 ist ein eindrucksvolles Beispiel aus seiner reifen Schaffensphase. Auf weißem Grund entfaltet sich ein vibrierendes Netzwerk aus Linien in Rot, Blau, Grün, Schwarz und Orange. Sie überlagern und verschlingen einander, bilden Knotenpunkte und Schleifen, folgen Bahnen, die zugleich streng berechnet und voller Überraschungen erscheinen. Der Betrachter verliert sich in dieser Komposition, die einerseits an Stadtpläne oder Netze erinnert, andererseits an natürliche Strukturen wie Wurzeln, Flüsse oder Adern. Gerade diese Spannung zwischen rationaler Konstruktion und poetischer Offenheit macht den besonderen Reiz von Sýkoras Linienbildern aus. Sie sind visuelle Partituren, deren Rhythmus sich beim Betrachten entfaltet. Jede Linie wirkt wie eine Stimme, die sich in das große Ganze einfügt, während das Auge von einer Bewegung zur nächsten geleitet wird. Sýkoras Arbeiten sind in den wichtigsten Sammlungen Europas vertreten, etwa im Centre Pompidou in Paris oder in der Nationalgalerie Prag. Mit „Linien Nr. 109“ bietet das Dorotheum ein Werk an, das sowohl kunsthistorisch als auch ästhetisch eine zentrale Rolle einnimmt – ein Höhepunkt im Œuvre eines Künstlers, der die Malerei in das digitale Zeitalter geführt hat.

AUKTION
Zeitgenössische Kunst I, 19. November 2025, 18:00 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386