Franz Hauer: Selfmademan und Sammlerikone

Franz Hauer stellt die wohl bemerkenswerteste Sammlerpersönlichkeit der frühen Moderne dar: Mit ihm wurde ein Hausknecht aus der Wachau zum zentralen Sammler von Egger-Lienz, Schiele und Kokoschka. Der erste Verkauf der Kollektion fand vier Jahre nach dem Tod des Sammlers 1918 im Dorotheum statt. Die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems widmet Franz Hauer nun eine ihrer Eröffnungsausstellungen.

Egon Schiele, Bildnis Franz Hauer, 1914 Landessammlungen Niederösterreich, © Landessammlungen Niederösterreich, Foto: Christoph Fuchs

Wie groß ist die Chance, den engen Grenzen der eigenen Herkunft zu entkommen und Lebensinhalte zu erschließen, die unerreichbar scheinen? In der Zeit um 1900 waren die Möglichkeiten des gesellschaftlichen Upgradings mehr als eingeschränkt. Vieles war dazu notwendig. Mit Geld allein konnte man nicht durchstarten.

Wenn der Künstler, Galerist und Networker der Wiener Moderne Carl Moll den rasch zur Legende gewordenen Sammler als „Kunstenthusiasten originellster Art“ bezeichnet, wird die Unvergleichbarkeit Franz Hauers zur zentralen Botschaft. Tatsächlich wird mit dem plötzlichen Auftauchen eines Underdogs und Newcomers an der Spitze der Kunstsammler seiner Zeit Neuland betreten. In Armut am Land aufgewachsen, geprägt vom Verlust fast aller Geschwister in den ersten Jahren, als Fleischhauergeselle ebenso wie als Hotelhausknecht in Krems schicksalhaft dem Überlebenskampf ausgesetzt, gelang es Hauer dennoch, einen beeindruckenden sozialen Aufstieg zu realisieren. Einen Aufstieg, der dank des Ertrags aus einer einzigen Gastwirtschaft nicht nur Reichtum, Immobilien und alle Annehmlichkeiten mit sich brachte, sondern auch eine kulturelle Transformation bedingte, die einer Wiedergeburt gleichkam.

Familie Hauer, um 1909, Franz Hauer sitzt rechts auf dem Stuhl, Privatsammlung, Foto (Ausschnitt): Christoph Fuch

Ein aristokratischer Kleidungsstil und kultivierte Umgangsformen begründeten eine mehr als stattliche Erscheinung, die das gesellschaftliche Leben in der Reichs- und Residenzstadt Wien gehörig aufmischen konnte. Unvergleichbar ist aber vor allem die Tatsache, dass Hauer ohne jeglichen Bildungshorizont nicht nur zur Kunst finden konnte, sondern dieser sein ganzes verbleibendes Leben widmen sollte. Die Kunst „wurde zur unstillbaren Leidenschaft. Den Gasthausbetrieb konnte er einem Geschäftsführer überlassen und sich nunmehr ausschließlich seiner Galerie widmen“, die er in der Wiener Silbergasse erworben und ausgebaut hatte. Zuletzt dürfte sein Bestand an Kunstwerken wohl über 1.000 Werke gezählt haben.

Tina Blau, Ägyptischer Palast bei der Weltausstellung 1873 im Wiener Prater von einem ehemaligen
Seitenarm der Donau aus gesehen, 1878

Franz Hauer wurde 48 Jahre alt, sein Sammlerleben währte kaum mehr als fünf Jahre. Sein Tod im Juni 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, markierte auch den Anfang vom Ende der Bedeutung Wiens als intellektuelles und künstlerisches Zentrum Europas.

Die Tatsache, dass mit Franz Hauer eine Ära zu Ende ging, war wohl auch Oskar Kokoschka bewusst, der Hauer als Wegbereiter seiner internationalen Karriere sah. „Er war einer der letzten großen und echten Wiener mit Kultur zu einer Zeit, wenn Adel und Bürgertum bereits diese österreichische Kultur zu verschachern begonnen hatten, statt sie zu erneuern.“

Auktionsskatalog, K. K. Versteigerungsamt Dorotheum, 1918 und zwei der versteigerten Werke, Foto: Universitätsbibliothek Heidelberg, Nachlaß Franz Hauer, Umschlagvorderseite – CC-BY-SA 3.0

Was ist es nun, das Franz Hauer zur Ausnahmeerscheinung in dieser illustren Runde großartiger Sammler macht? Zum einen ist seine amerikanisch anmutende Erfolgsgeschichte von „ganz unten“ nach oben, radikaler als jene vergleichbarer Sammler. Ein zentraler Unterschied zur ersten Riege der österreichischen Kunstsammler liegt auch in der Quelle des Reichtums. Bei ihnen handelte es sich fast durchwegs um Industriekapitäne. Demgegenüber begründete Franz Hauer seinen Reichtum mit einem einzigen Restaurant, genauer: einer Gastwirtschaft. Das Griechenbeisl war keine Spitzengastronomie, kein berühmter Koch tischte Speisen auf, und dennoch oder gerade deswegen gelang es dem Ort, zu einem europäischen Szenelokal ersten Ranges zu werden. Diese Positionierung war schon in den Jahren vor 1900 gelungen, die Gäste kamen aus aller Herren Länder und reichten von Karl May bis zu Mark Twain. Franz Hauer kreierte eine Atmosphäre, die stark von Lokalkolorit und einer gewissen „Urigkeit“ geprägt war. Das Pilsner Bier vom Fass war in diesem Ambiente markenbildend und Inhalt von Erzählungen, Gedichten und Liedern, die dem Griechenbeisl gewidmet waren.

Albin Egger-Lienz, Totentanz, 3. Fassung, 1914, © Landesmuseum für Kärnten

Vergleicht man den Sammlungsinhalt Hauers mit dem seiner Zeitgenossen, so fällt die Breite seines Interesses auf. Hauer war keineswegs auf einen bestimmten Stil fixiert, sein Interesse war in einem so hohen Ausmaß stilübergreifend, dass man das komplette Repertoire der Kunst seiner Zeit – vom Realismus bis zum Expressionismus – in seiner Sammlung fand. Was all diese Strömungen miteinander verband, war die Tatsache, dass es sich beinahe ausnahmslos um zeitgenössische österreichische Kunst handelte.

Hauer war der wichtigste Sammler von Albin Egger- Lienz, er besaß aber auch eine herausragende Kollektion an Hauptwerken von Egon Schiele und Oskar Kokoschka aus der frühen Schaffenszeit der Künstler bis zum plötzlichen Tod des Sammlers. Vier Jahre danach fand am 20. März 1918 eine Auktion im Dorotheum statt. Damit begann der Verkauf der Sammlung Hauer, die eine Verteilung der Werke auf wichtige Museen und Privatsammlungen Europas und der USA zur Folge hatte.

Egon Schiele, Wally, 1912 Landessammlungen Niederösterreich, © Landessammlungen Niederösterreich, Foto: Christoph Fuchs

Die Ausstellung in Krems und die begleitende Publikation setzen sich intensiv mit der singulären Persönlichkeit auseinander. Über drei Jahre konnte ein Team von Forscherinnen und Forschern mit ausgewiesener Expertise im jeweiligen Gebiet Leben und Wirken des Franz Hauer neu beleuchten. Vieles hat allerdings Berta Zuckerkandl schon wenige Tage nach dem Tod Franz Hauers formuliert: „Er war ein leidenschaftlicher Sammler der modernen Malerei. Und selbst von dieser interessierte ihn nur der allerletzte Kurs. Er war Autodidakt. Kein Sammler aus Bildungstrieb; kein Sammler aus Besitz-Snobismus; kein Sammler aus Gewinnabsicht. Eine Anzahl von Gemälden von Faistauer, von Schiele und noch anderen Jungwienern geben ein geschlossenes Bild jener letzten Entwicklung österreichischer Malerei, die in Wien so gut wie unbekannt ist.“

Coverfoto: Oskar Kokoschka Portrait Franz Hauer, ca. 1914 RISD Museum, © Rhode Island School of Design, Providence / Fondation Oskar Kokoschka / Bildrecht, Wien, 2018

INFORMATIONEN

Franz Hauer. Selfmademan und Kunstsammler der Gegenwart.

Eröffnung des Museums und der Ausstellung: 25. Mai 2019

Ausstellungsdauer: 25. Mai 2019 – 16. Februar 2020

Ort: Landesgalerie Niederösterreich, Museumsplatz 1, Krems

Lesen Sie jetzt mehr über die Eröffnung der Landesgalerie Niederösterreich und unser myARTMAGAZINE!

No Comments Yet

Comments are closed




Auktions-Höhepunkte, Rekord-Preise und spannende Kunst-Geschichten. Mit dem Dorotheum Blog sind Sie immer am Puls des Auktionsgeschehens!


Archive