WILDE WELT
Aus dem Dresdner Untergrund in die weite Welt: Mit „Kreislauf der Spiele“ und „Where I come from“ ist A. R. Penck, der Vater der Jungen Wilden, auch bei den großen Auktionen Zeitgenössischer Kunst im Dorotheum vertreten.
Er war Autodidakt und Nonkonformist: A. R. Penck, geboren am 5. Oktober 1939 als Ralf Winkler in Dresden. Berühmt wurde er für seine „Strichmännchen“ und seine symbolhafte, an Höhlenmalerei oder Graffiti erinnernde Bildsprache. Das Pseudonym des Künstlers bezieht sich auf den Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck, was die Bedeutung vorgeschichtlicher Malerei und Kalligrafie für sein Werk verdeutlicht – insbesondere für die ab den 1960ern entstehenden „Weltbilder“. Die Auseinandersetzung mit Mathematik, Kybernetik und theoretischer Physik führte in den 1970er-Jahren zur Entwicklung seiner System- und Standardbilder, in denen es um die Schaffung einer universell verständlichen Bildsprache ging.
A. R. Pencks kompromisslose Auseinandersetzung mit der Malerei verwehrte ihm, ebenso wie seinen Kollegen von der Künstlergruppe „Die Lücke“, sowohl ein Akademiestudium in der DDR als auch die Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler der DDR. Nichtsdestotrotz – oder gerade deshalb – gelangten seine Arbeiten in den Westen, wo sie ab den 1960er-Jahren große Erfolge feierten und zur documenta-Teilnahme des Künstlers führten, der freilich selbst nicht erscheinen durfte. Nach Jahren der Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst der DDR wurde A. R. Penck 1980 schließlich aus der DDR ausgebürgert und lebte fortan in Paris
und Irland.
A. R. Penck gilt als Vater der sogenannten Jungen Wilden, die nach Minimalismus und Konzeptkunst wieder an die figurative Tradition der Malerei anknüpften. Anders als andere Vertreter der „neoexpressionistischen“ Darstellungsweise fand A. R. Penck in Paul Klee und dessen animistischen Zeichnungen seinen wichtigsten formalen Bezugspunkt. Luciano Caprile beschreibt in seinem Buch „A. R. Penck. L’uomo e il suo labirinto esistenziale“ (Der Mensch und sein existenzielles Labyrinth, 2006) Pencks Figuren als Ausdruck eines Unbewussten, das in den Anfängen der Menschheit und deren ursprünglichsten Manifestationen wurzelt. So „bekommt das von ihm geschaffene, wiederholt eingesetzte Zeichen die Bedeutung einer maßgeblichen, untilgbaren chromosomalen Markierung, die nicht nur auf die Erfahrung des Künstlers, sondern auch auf die gesamte Menschheit Bezug nimmt.“
Pencks Symbole changieren zwischen einer klaren Schwarz-Weiß-Palette und einer strahlenden, ungestümen Kolorierung – wie sie zum Beispiel in seinem Werk „Where I come from“ von 1999 zum Ausdruck kommt. Sie loten die Wahrnehmung sowohl des Betrachters als auch des Künstlers aus, der den Weg seiner Figuren vorzeichnet und sie, ohne Grenzen von Raum und Zeit zu definieren, von einer Begegnung zur nächsten führt. Wie Caprile beschreibt, scheint sich die menschliche Figur in Pencks Werken unaufhörlich in sich selbst zu bewegen, von einem Knotenpunkt zum nächsten, auf der Suche nach einem Ausweg, der weniger physischer als vielmehr psychischer Natur ist.
In A. R. Pencks Schaffen der frühen 2000er-Jahre wurde die menschliche Figur immer weiter ins Universum der Zeichen eingegliedert. Das gilt auch für „Kreislauf der Spiele“ von 2005, das ebenfalls im Dorotheum zur Auktion gelangt: Hier steht die kreisförmige Bewegung zweier großer Fische im Vordergrund, während die menschlichen Figuren in die Ecken verbannt wurden. Mehr noch als in früherer Zeit hinterfragte Penck in den Werken dieser Schaffensphase Unsicherheit und Ungewissheit mithilfe eines Zeichensystems, das ebenso leicht wie unmittelbar in die Wahrnehmung des Betrachters eindringt, um ihn dann auch rational herauszufordern.
„Pencks Ästhetik versteht sich als Bericht, als Tagebuch, als authentisches Schreiben in Ideogrammen; sie kombiniert Formen, lässt sie zu Worten, Klängen werden, zu Obsessionen, die sich in der Tiefe des menschlichen Bewusstseins, in der Erinnerung ablagern“, so Luciano Caprile.
INFORMATIONEN zur AUKTION
Auktion Zeitgenössische Kunst, 24. Juni 2020
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386