EINE LEIDENSCHAFT:
ZWEI LEBEN LANG
Die drei R stehen für „Roller, Rollermobile und Raritäten“: Mit der „Sammlung RRR“ ließen zwei Wiener Jugendfreunde ihre einstigen Gefährten wieder auferstehen. 130 dieser skurrilen Nachkriegswunder rollen bei der Dorotheum-Auktion im Juli 2020 zu neuen Besitzern.
Die Nachkriegsjahre waren vor allem von einer Sache geprägt: Entbehrung. Das Automobil, das in den 1930er-Jahren so gerade eben zum Siegeszug antreten wollte, blieb für das Gros der Menschen ein unerreichter Traum, nicht nur hierzulande, sondern auf dem gesamten Kontinent. Im besten Fall reichte es für ein Motorrad, meist aber nicht einmal dafür. Dann begann südlich der Alpen plötzlich ein Knattern, das sich schnell in alle Himmelsrichtungen ausbreiten sollte. Mit der Vespa war der Motorroller erfunden, und der schenkte einer ganzen Generation, die in die Kriegsjahre hineingeboren worden war, einen ersten Funken Freiheit. Und weil die Menschheit sich seit jeher messen musste, wer denn die Stärksten und die Schnellste waren, begann man in eben diesen Jahren wieder um die Wette zu fahren.
um die Wette rollen
Was aber die Großen in ihren Automobilen konnten, das konnten die Jungen auf ihren Rollern allemal. Unter ihnen zwei verwegene Wiener Jugendfreunde, der eine auf Lohner, der andere auf Puch, die weder sich noch Material schonten und nichts unversucht ließen, ihre Gefährte noch schneller zu machen. Auf den jugendlichen Leichtsinn folgten die Jahre der Vernunft. Familie und Karriere – der eine als Unternehmer, der andere als Bankdirektor – verknappten die Zeit und ließen die Motorsportlaufbahnen beenden, die sogar ein Staatsmeistertitel im Kabinenroller gekrönt hatte. Doch Leidenschaft vergeht nicht, Zeit hingegen schon. Und während den einen die Roller nie losließen, vergingen für den anderen anderthalb Jahrzehnte rollerlosen Daseins.
Der Beginn der Sammlung
Ende der 1970er, beide in der Mitte des Lebens angekommen, sollte sich das ändern. Eine italienische Rumi wurde angeschafft, um wieder gemeinsam zu fahren, und damit begann das, wovor wir heute stehen. Aus Leidenschaft wurde ein Lebenswerk, und das war nicht den Schnellsten, Teuersten oder Schönsten gewidmet, sondern all jenen, mit denen man einst mobil geworden war, Rollern und Rollermobilen, allesamt schon Raritäten, kurz und bündig: RRR.
Die hatten in aller Herren Länder ihre buntesten Blüten getrieben, bis der Wohlstand sie gnadenlos einholte. Volkswagen & Co waren ihrer aller Feind, und so schnell, wie sie gekommen waren, vergingen sie wieder. Und weil Not bekanntlich erfinderisch macht, waren sie an Skurrilität bisweilen nicht zu überbieten.
Von Peel, Frisky und Scootacar bis Messerschmitt und Vespa
Ganz weit vorne waren da die Briten. Peel, Frisky oder Scootacar sahen aus wie zu heiß gewaschen, ob Auto oder Ufo, sei dabei dahingestellt. In Deutschland trieb man Pragmatismus zur Perfektion, hatten doch etwa Messerschmitt und Heinkel gerade noch Flugzeuge gebaut. Die Franzosen hatten schon vor dem Krieg solche Kisten erfunden und die Italiener allen anderen erst gezeigt, wie es überhaupt ging, Vespa und Lambretta auf zwei Rädern und die Isetta auf deren dreien. In Österreich versuchten sich manche mit wenig tauglichen Mitteln, ehe Puch mit seinem Roller und dem 500 dem Treiben den Garaus machte. Kauba, Megu oder Colibri, sie alle sind heute längst vergessen.
Sammlerfreunde
Die beiden Freunde begannen zu suchen, zu kaufen und zu reparieren. Die seltensten Stücke waren oft die kostbarsten, nicht im Wert, sondern in der Begehrlichkeit. Originalität und Authentizität waren stets das höchste Gut. Die Inventarnummern stiegen so rasant wie der Mangel an Platz. Es wurde die Hundert geknackt und schließlich die Zweihundert. Selten wurde verkauft, manchmal getauscht, aber immer gesammelt. Zur Jahrtausendwende sollte ein Raum geschaffen werden, ein kleines Museum für die vielen kleinen Schätze.
Erich Schenkel erlebte die Eröffnung nicht mehr. Seine Tochter Renate führte an seiner Stelle fort, was er mit Norbert G. Mylius begonnen hatte. 2003 öffnete das Museum RRRollipop in Eggenburg seine Türen, die sich nun, 16 Jahre später, schlossen.
und sie rollen wieder
Über vier Jahrzehnte des Sammelns und sieben Jahrzehnte der Leidenschaft hinterlassen rund 130 Gefährte und noch viel mehr Erinnerungen. So schwer der Abschied fällt, bleibt doch der Trost, dass nun bald wieder gefahren wird, was lange genug gestanden ist. Im Juli treten die Kleinen noch einmal gemeinsam auf, ehe im Dorotheum der letzte Vorhang für die Sammlung fällt und für jeden ein kleines Stück Leidenschaft zu haben ist.