Albin Egger-Lienz, „Totentanz 1809“ (Ausschnitt), 1916
Kasein auf Leinwand, 130 x 165 cm, Schätzwert € 500.000 – 800.000
KEINE HELDEN
Existenzieller Schmerz statt Kriegshelden: Eine bedeutende, 1916 entstandene Variante des „Totentanz“ von Albin Egger-Lienz kommt im Juni zur Auktion.
„Der Totentanz“
Was für ein Bild, was für eine Geschichte! Eine außergewöhnliche, auf dem Kunstmarkt noch nie offerierte Version von Albin Egger-Lienz’ berühmtem Antikriegsmotiv „Der Totentanz“ gelangt im Juni im Dorotheum in Wien zur Auktion. Aus US-amerikanischem Privatbesitz stammend, handelt es sich dabei um eine Variante der vierten Fassung dieses Schlüsselbildes, das der österreichische Künstler zwischen 1906 und 1921 in Gemälden umsetzte.
Die große Reise
Die Wege des großformatigen, mit „Totentanz 1809“ signierten und mit 1916 datierten Bildes führen von Europa in die USA und nun wieder nach Europa. Es hatte einst der berühmten deutschen Operndiva Elisabeth Rethberg (1894–1976) gehört, die als beste „Aida“ ihrer Zeit galt. Dirigent Arturo Toscanini meinte 1929, sie sei die größte lebende Sopranistin. Rethberg hatte sich in den 1920er-Jahren im New Yorker Stadtteil Bronx niedergelassen, in einem stattlichen Haus inmitten eines von vielen Musikern und Sängern bewohnten Wohnviertels in Riverdale. Die Eltern eines der aktuellen Besitzer des signifikanten Egger-Lienz-Werkes, europäische Emigranten, erwarben das Haus von der Sängerin – und zwar gleich mitsamt dem Bild. Beim Kauf wusste der neue Hausbesitzer, autodidaktisch gebildeter Kunstkenner, neben seinem Beruf ab den 1940er-Jahren passionierter Kunstsammler und Auktionsbesucher, nichts über das Bild. Aber er hatte sich, so seine Tochter im Gespräch mit dem Dorotheum myArt Magazine, augenblicklich in das Bild verliebt: „It was love at first sight!“ „Er hatte ein hervorragendes Auge für Qualität. Und einen guten Instinkt“, wie die jetzigen Besitzer bekräftigen. Sie sind ebenfalls Kunstsammler, auf vielen unterschiedlichen Gebieten tätig, passionierte Mineraliensammler noch dazu. Das vererbte Bild, das seit den 1950er-Jahren im Besitz der Familie steht, hatte immer einen Ehrenplatz in den jeweiligen Wohnzimmern, so die beiden Kunstsammler heute: einst in der Bronx bei der Operndiva und bei den Eltern, bis vor kurzem in ihrem eigenen Haus im Großraum New York. Die Reaktionen der Gäste auf das Bild fielen unterschiedlich aus, berichten sie: „Manche ignorierten es, die meisten hat es umgehauen.“ Die malerische Dimension des Gemäldes veranschaulichen die Noch-Besitzer mit einer Anekdote: „Wir wollten die Farbe unserer Wohnzimmerwand an das Bild anpassen und wählten dafür eine Nuance daraus. Wir fragten einen befreundeten Künstler, welche Farbe wir kaufen sollten. Zu unserem Erstaunen meinte er, es handle sich nicht um ein Pigment, sondern um vier verschiedene.“
Aktuelle Relevanz
Eines habe die Betrachtung über die vielen Jahre gezeigt: „Der ,Totentanz‘ hat – denken Sie alleine an Corona – nichts an Aktualität eingebüßt. Er stellt auf schockierende Weise eine Art von Verwüstung dar, er bleibt relevant“, so einer der Einbringer, der mit zornigen Schriften wie Allen Ginsbergs „Howl“, der großen Hymne der Beat Generation, aufgewachsen ist. Er verweist in Zusammenhang mit dem Antikriegsbild von Egger-Lienz auch auf einen seiner Lieblingskünstler, George Grosz, dessen Arbeiten diese politische Seite ebenfalls innewohnt. Nun hat sich das Besitzerpaar dazu entschlossen, Egger-Lienz’ „Totentanz“ weiterzugeben. Es hofft auf „loving hands“. Und darauf, dass es viele Menschen sehen können.
AUKTION
Moderne, 22. Juni, 16 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386