Bill Viola: Quelle des Lichts

Bill Viola zählt seit den frühen 1970er-Jahren zu den renommiertesten Vertretern der Videokunst. In seinen bildgewaltigen Werken wie dem Diptychon „Union“ thematisiert er universelle menschliche Erfahrungen und setzt sich intensiv mit dem Körper, divergierenden Zeitordnungen, Spiritualität und Transzendenz auseinander.

Bill Viola, Union, 2000, Farbdiptychon auf 2 Plasmabildschirmen, 102,9 x 127 x 17,8 cm, Schätzwert € 120.000 – 160.000

Das Diptychon „Union“ ist Teil der Werkserie „The Passions“, in der sich Viola intensiven Gefühlen wie Schmerz und Ekstase, Leiden und Erlösung widmet. Inspiriert von der traditionellen Malerei und Bildhauerei des Mittelalters und der frühen Renaissance übersetzt er die Motive in eine kraftvolle gegenwärtige Ästhetik. Auf zwei direkt nebeneinander liegenden Flachbildschirmen zeigt „Union“ eine Frau und einen Mann, die sich verrenken und angestrengt kämpfen, um zur Quelle eines hellen Lichts über ihnen zu gelangen. Beide befinden sich in einem Zustand höchster Emotionalität, erleben diese Intensität aber isoliert voneinander und nehmen sich gegenseitig nicht wahr. Im Moment ihrer größten physischen und psychischen Anspannung erfahren sie schließlich eine Form von Erlösung. Ihre erschöpften Körper entspannen sich, während ihre Gesichter von Verwunderung und Staunen zeugen. Die Handlungen des Paares werden in jener extremen Zeitlupe gezeigt, die für viele Werke Violas charakteristisch ist. Indem der Künstler eine eigentlich einminütige Performance auf acht Minuten ausdehnt, macht er subtile Nuancen im Ausdruck der zwei Figuren sichtbar, die in Echtzeit kaum wahrgenommen werden können. Ihre Gefühlszustände erscheinen durch diese radikale Verlangsamung gleichermaßen vergänglich wie unendlich und werden so zu einer universellen Metapher für die menschliche Existenz.

Formal erinnern die Gesten und die halbfigurige Darstellung an die nach innen gerichteten Blicke und die Körpersprache mittelalterlicher Andachtsbilder, darunter die trauernde Jungfrau und Jesus als Schmerzensmann. Der Funktion dieser historischen Mitleidsbilder vergleichbar, zielt der Künstler darauf ab, eine innere Beziehung zu den Betrachtenden aufzubauen. Durch die visionäre Poetik seiner Videos gelingt es ihm darüber hinaus auf eindrückliche Weise, unsere Wahrnehmung der realen Welt zu transzendieren.

AUKTION

Zeitgenössische Kunst I , 30. November 2022, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386

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