Maria Lassnig: Leinwand Star

Leinwand Star

Maria Lassnig ist eine der ganz Großen der internationalen Malerei. Der spät Entdeckten widmet die österreichische Regisseurin Anja Salomonowitz ein unkonventionelles Anti-Biopic. „Mit einem Tiger schlafen“, so der Filmtitel, zeigt sich als vielstimmige poetische Interpretation, in der Birgit Minichmayr eine große und das Dorotheum eine kleine Rolle spielen.

„Mit einem Tiger schlafen“: So heißt eines der markantesten Gemälde von Maria Lassnig. Und so heißt auch der im Februar dieses Jahres bei der Berlinale erstmals präsentierte Film von Anja Salomonowitz. Die österreichische Regisseurin erwähnt im Gespräch mit dem Dorotheum-Magazin einige Interpretationen des Bildtitels: „Mit der Welt raufen, die Welt bezwingen. Das kann eine äußere – aber auch eine innere Welt sein. Manche meinen, der Tiger ist sie selbst.“

©Stadtkino FIlmverleih

Diese Vieldeutigkeit bestimmt den ganzen Film, der gleichzeitig ein Gegenentwurf zum klassischen Biopic ist. Salomonowitz spricht eher von einer poetischen Interpretation, gebrochen von Vor- und Rückgriffen, von vielen dokumentarischen Elementen – wenn etwa Elfie Semotan sich vor der Kamera an Lassnig erinnert. Der Clou bei der Geschichte ist, und das stand beim Drehbuchschreiben von Anfang an fest, dass sämtliche Lebensalter der 2014 mit 94 Jahren verstorbenen Weltklassemalerin von einer einzigen Person gespielt werden. Und das funktioniert hervorragend mit Birgit Minichmayr, zeigt sich Salomonowitz glücklich. Mit dem Burgtheaterstar, einer der besten Schauspielerinnen ihrer Generation, habe der Film seine Poesie entfalten können. Minichmayr wiederum behauptete, noch nie in ihrem Leben eine solch herausfordernde Rolle gespielt zu haben.

Maria ist wieder da, erschrak Hans Werner Poschauko, als er Minichmayr mit Perücke im Rollstuhl sitzen sah. Der ehemalige Assistent und Vertraute von Maria Lassnig, unter anderem Mitglied der Lassnig Stiftung und im Film von Lukas Watzl verkörpert, ist begeistert von der Kunst der Schauspielerin. Er zeigte ihr zum Beispiel, wie Lassnig den Pinsel führte, „innerhalb von Sekunden hatte sie es inhaliert“.

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Poschauko, der seine ehemalige Uni-Professorin in ihren letzten sieben Lebensjahren täglich von 16 bis 18 Uhr besuchte und ihr filmisches Werk mitherausgab, war auch eine wichtige Quelle für Salomonowitz, um Lassnigs Gefühlsdarstellungen in Filmbilder umzusetzen. Denn um Gefühle, existenzielle Innerlichkeit, ging es in der gesamten Malerei Lassnigs. 1948 bereits schuf sie, wie Poschauko erzählt, eine neue Kategorie in der Malerei, die Körperzustandsbilder, body awareness paintings: „Sie hat sich auf einen Sessel gesetzt, den sie jeden Tag im Atelier benutzte, und die Augen geschlossen. Dann ist sie draufgekommen, wie dieser Sessel in sie eindringt und sie mit ihm verschmilzt. Dieses Köpergefühl hat sie dann auch gemalt.“ Die sprachlich gleichermaßen hochbegabte Künstlerin – Peter Handke schätzt sie sehr – gab den unterschiedlichen Gefühlen eigene Farben und Namen, von „Druck- und Spannungsfarben“ bis hin zu „Verwesungs- und Krebsangstfarben“. Als singulär in der Kunstgeschichte betrachten Lassnig viele, Poschauko sowieso. „Wie würdest du deine Malrichtung nennen?“, fragte er sie einmal. „Schule der neuen Drastik“ war die Antwort.

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Erst in ihrem letzten, dem neunten Lebensjahrzehnt bekam Lassnig die Anerkennung, die sie verdiente. Den Goldenen Löwen der Biennale Venedig für das Lebenswerk und die hymnisch besprochene, vom Publikum gestürmte Retrospektive des MoMA in New York durfte sie noch erleben. In den 1950er-Jahren hatte sie erfahren müssen, wie der Kunstmarkt noch gänzlich männlich dominiert war – eine Kränkung und Enttäuschung, die sie ihr Leben lang mittrug. Im Film „Mit einem Tiger schlafen“ gibt es eine Szene, in der Maria Lassnig und ihr zehn Jahre jüngerer Freund Arnulf Rainer (Oskar Haag) ihre Mappen einer Pariser Galeristin (Sophie Semin, Detail am Rande: die Französin ist die Lebensgefährtin von Peter Handke) präsentieren. Lassnig wird da zur Dolmetscherin degradiert, Rainer darf wiederkommen. Kontrastierend dazu illustriert der Malerin späte Anerkennung am internationalen Kunstmarkt eine Szene mit Dorotheum-Auktionator Rafael Schwarz, so Salomonowitz. Er listet darin die jüngsten Auktionsergebnisse von Lassnigs Gemälden auf.

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Was nimmt man vom Film mit, wenn man Lassnig nicht kennt? Anja Salomonowitz nennt da unter anderem „eine unbändige Entschlossenheit und Art, Kreativität zu suchen. Eine Möglichkeit, die Sinnsuche zu leben. Eine Form der Unsterblichkeit, die über sich hinausweist“.

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