
„Hansl’s erste Ausfahrt“ – ein spätes Meisterwerk des bedeutenden Biedermeier-Künstlers Ferdinand Georg Waldmüller – wurde im Juli aus dem Museum Wiesbaden restituiert und gelangt am 22. Oktober 2025 im Dorotheum zur Auktion.
Beim Genrebild „Hansl’s erste Ausfahrt“ handelt es sich um ein Gemälde musealer Qualität von Ferdinand Georg Waldmüller, das mehrfach zeitgeschichtlich geprägt ist: Zum einen spricht es von dem persönlichen Rückzug des Malers aus dem Wiener Kunstbetrieb, zum anderen zeugt es vom Schicksal der Familie von Grete und Karl Klein, die durch das NS-Regime verfolgt und deren Kunstsammlung enteignet wurde.
Es stellt eine typisch für Waldmüller in raffiniert-expressives Licht getauchte Szene dar, in der verschiedene Generationen auf einem Bild vereint sind. Wir blicken in eine Scheune, in der sich ein leb- haftes Geschehen abspielt. Im Zentrum steht ein junger Knabe, der einen einfachen Handkarren hinter sich herzieht. Darin sitzt ein Mädchen, das sein jüngeres Geschwisterkind „Hansl“ auf dem Schoß hält und mit seiner Hand fest umschließt. Der Wagen wird umringt von aufgeregten Kindern, die sich alle den im Leiterwagen Sitzenden zuwenden. Rechts im Vordergrund reckt die auf einem Schemel sitzende Mutter ihren Kindern die Hände entgegen und scheint noch energisch Anweisungen zu geben oder mit ihnen zu scherzen. Links im Hintergrund, im Schatten der Scheune, steht die Großmutter, die Hände vor ihrer Brust gefaltet, und schaut besorgt auf den Tumult. Gegenlicht und Schatten verleihen der Szene Ausdrucksstärke, Leben und Heiterkeit. Waldmüller gelingt es in diesem Bild meisterhaft, eine Momentaufnahme, einen flüchtigen Augenblick festzuhalten – eine Wirkung, die später erst die Fotografie erzielen konnte.

Das mit 1858 datierte Bild, ein Spätwerk, hält den Augenblick des Aufbruchs fest und wurde bereits 1908 mit dem Titel „Hansl’s erste Ausfahrt“ gelistet. Die Szene skizzierte Waldmüller wohl direkt auf den Bildträger, wofür er stets eine reale Vorlage benötigte. In seinem Atelier versammelte er dazu junge Bauernburschen und Mädchen, die ihm als Modelle dienten und die er nach seiner Vorstellung in Gruppen arrangierte – eine Vorgehensweise, für die der Künstler von seinen Malerkollegen Kritik erntete. Ferdinand Georg Waldmüller war vehementer Verfechter des Naturstudiums und lehnte sich damit gegen die damals herrschenden akademischen Normen auf. Im Jahr 1845 überreichte er der Akademie die erste Fassung seiner Reformgedanken über den akademischen Unterricht, und ein Jahr darauf verfasste er seine Streitschrift, deren Diskurs schlussendlich dazu führte, dass Waldmüller 1857 die Auflösung der Akademie forderte. Als Konsequenz wurde er von der Wiener Akademie im September 1857 strafweise mit halben Bezügen in den Ruhestand geschickt, was zur Folge hatte, dass der Künstler zu Ende seines Lebens an Anerkennung verlor. Seine Reputation wurde erst um die Jahrhundertwende mit zahlreichen Ausstellungen und einer Monografie wiederhergestellt. Die neue Wertschätzung für den Künstler war in den darauffolgenden Jahren spürbar: So wurde das Gemälde „Hansl’s erste Ausfahrt“ im Sommer 1937 in der Galerie Welz in Salzburg gezeigt. Nach der Ausstellung kam es nur noch kurz in den rechtmäßigen Besitz der Familie Klein zurück, ehe Grete Henriette Klein bereits im Juli 1938 ihre vom NS-Regime geforderte Vermögensanmeldung ein- reichen musste.
Die Geschichte des Bildes steht beispielhaft für jüdischen Bürgern durch die Nationalsozialisten entzogene Besitztümer. Das Wald- müller-Bild war für den „Sonderauftrag Linz“, das sogenannte Führermuseum, vorgesehen. Davon zeugen eindeutig die Etiketten und angebrachten Nummern auf seiner Rückseite. Nach 1945 stellten die amerikanische Militärregierung und ihre „Monuments Men“ das Bild in den Stollen des Salzbergwerks von Altaussee sicher, wo die Nationalsozialisten geraubte Kunstschätze vor den Alliierten versteckt hatten. 1949 bis 1960 wurde es treuhänderisch von deutschen Behörden verwaltet, danach mit Unterbrechungen bis zuletzt als Dauerleihgabe im Museum Wiesbaden ausgestellt. Grete Klein, geb. Fischer (Prag 1884–1962 Haifa), die mit ihrer Familie unter dramatischen Umständen nach Palästina ausgewandert war, hatte bereits in den 1950er-Jahren ihre Besitztümer erfolglos zurückgefordert. Die von ihrem Vater Friedrich Fischer (1859–1923) geerbte Sammlung umfasste laut Familienüberlieferung 23 bis 35 Werke, die mit Ausnahme von „Hansl’s erste Ausfahrt“ bis dato verschollen sind. Mehr als 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab die deutsche Kunstverwaltung des Bundes am 29. Juli 2025 das Gemälde an die rechtmäßigen Besitzer zurück. Nun gelangt das Gemälde im Rahmen der Classic Week im Dorotheum zur Auktion.
AUKTION
Gemälde des 19. Jahrhunderts, 22. Oktober 2025, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 765, 501