Giulietta: Ein Traum von Alfa Romeo

Giulietta Sprint Zagato Alfa Romeo

Giuliettas neue Kleider

Giulietta Sprint Zagato: Mit solch einem Namen kann man nur gewinnen. Alfa Romeos Schönheitskönigin der Sixties winkt im Herbst bei der Dorotheum-Auktion „Klassische Fahrzeuge“. Die Genese einer rasenden Erfolgsgeschichte.

Zwei Weltmeistertitel, die schnellsten Rennwagen, die teuersten Luxusschlitten, Geld vom Staat. Das motorisierte Schlaraffenland liegt in Mailand, will man meinen. Alfa Romeo steht für Prestige, steht für Glamour. Doch die 1930er-Jahre liegen zwei Jahrzehnte zurück, wir schreiben die frühen 50er, die Welt ist eine andere geworden, und nicht nur die oberen Zehntausend wollen motorisiert werden. Das faschistische Regime als Sponsor ist auch Geschichte, und plötzlich verlangt Vater Staat, dass Geld, das man ausgibt, auch verdient werden will. Mit Rennfahren gelingt das nicht.

Das Werksteam ist damit passé, doch die sportliche Tradition will man sich bewahren, und so schickt Alfa Romeo mit dem 1900 einen flotten Mittelklassewagen ins Rennen um Marktanteile. Die Stückzahlen erreichen erstmals eine Größenordnung, die eine Serienproduktion erahnen lässt, und mit extravagant geschneiderten Coupés und Cabriolets bedient man auch das Klientel von früher. Damit lässt es sich überleben, mehr schlecht als recht, denn was es wirklich braucht, ist ein Alfa Romeo für jedermann.

Giulietta ist geboren.

Erstmals stellt ein Alfa Romeo am Heck nicht seine Potenz zur Schau, sondern trägt den Namen eines Mädchens. Das weckt Emotion wie Begehrlichkeit, nur eben anders. Marketing auf Italienisch. Obendrein ist Giulietta ein überaus hübsches Mädchen geworden, und weil man doch immer noch Alfa Romeo ist, steckt unterm adretten Blechkleid Rennsporttechnik im Kleinformat. 1300 Kubikzentimeter, ein Motor ganz aus Aluminium, zwei Nockenwellen, hemisphärische Brennräume – Zutaten, von denen der gemeine Fiat- und Volkswagenfahrer nur träumen kann.

Doch ehe es so weit ist, geht wieder einmal das Geld aus. Giuliettas selbsttragende Karosse ist nicht steif genug, die Präsentation verzögert sich. Kreativität ist gefragt, in zweierlei Hinsicht. In finanziellen Angelegenheiten zählt sie ohnehin zu den ur-italienischsten Eigenschaften. Alfa Romeo verlost Berechtigungsscheine an den ersten 1.000 Giuliettas und hält sich damit über Wasser. Als Schachzug No. 2 präsentiert man 1954 einfach erst das Coupé, von Bertone gezeichnet, Sprint getauft und mit ausreichend Steifigkeit ausgestattet. Und um nicht in Produktionskapazitäten investieren zu müssen, hängt man Bertone auch gleich die Montage um.

Schon 1955 steht eine kleine Armada von Giulietta Sprints am Start beim Rennen aller Rennen, der Mille Miglia. Das Ergebnis? Ernüchternd. Platz 32 insgesamt, das Gros scheidet aus und in der 1300er-Klasse sieht man die Porsches nur von hinten. Giuliettas Fahrwerk ist zwar überragend, doch ist sie zu schwer bzw. fehlt es ihr an Leistung bzw. beides. Zwei Weber-Vergaser, eine schärfere Nockenwelle und höhere Verdichtung später steigt die Leistung von 65 auf 90 PS, dank Plexiglas, Aluminiums und nur des Nötigsten im Innenraum sinkt das Gewicht von 880 auf 770 Kilo. Klingt flott, ist es auch, heißt es auch, nämlich Giulietta Sprint Veloce.

Giulietta eine Sprinterin

Bei der Mille Miglia 1956 holt Giulietta die ersten drei Klassenränge und lässt sogar die Königswellen-Porsches hinter sich. Die Nummer 127 sieht das Ziel jedoch nicht. Nach einer wenig freiwilligen Drehung um die Längsachse sind die Brüder Salvatore und Carlo Leto di Priolo froh, halbwegs unversehrt auszusteigen, ihre neue Giulietta Sprint Veloce ist jedoch übel zugerichtet. Die Zeit für den Schrottplatz sehen die beiden Brüder aber noch nicht gekommen. Sie bringen ihre Giulietta zurück nach Mailand, um die Falten zu glätten, doch nicht zu Bertone, sondern zu Elio Zagato, jenem extravaganten Schneider, der sich ganz dem Gewicht und der Aerodynamik verschrieben hat. Dort zaubert man Giulietta ein knappes, flaches und windschlüpfriges Kleid an den Leib, ganz ohne Ecken und Kanten, Haute Couture statt Prêt-à-porter. Und Giulietta ist mit einem Mal noch flotter, kratzt gar an den magischen 200. Die Rede von dieser Giulietta Sprint Veloce Zagato, kurz SVZ, macht schnell die Runde und weitere Besitzer havarierter Wagen klopfen an Zagatos Tür. Gleichzeitig erweist sich Bertones Gegenentwurf, die Giulietta Sprint Speciale, die eigentlich die Veloce hätte ablösen sollen, als zu lahm.

Sie sieht schneller aus, als sie ist, und kann den Zagatos nicht das Wasser reichen. Alfa Romeo schickt die Sprint Speciale 1958 dennoch in Serie, Erfolg wird sie keiner.

Weil man auf den Rennstrecken aber erfolgreich bleiben will, wendet sich Alfa Romeo an Zagato und gibt eine Kleinserie in Auftrag. Nach etwa 20 SVZ-Einzelstücken, von denen keines dem anderen gleicht, verfeinert Zagato 1959 seinen Entwurf, kürzt das Fahrgestell, glättet und erleichtert die Karosse weiter und macht Giulietta so noch einmal schneller. Sie läuft nun über 200 und heißt ganz offiziell Alfa Romeo Giulietta Sprint Zagato. Und sie gewinnt – auf allen Berg-, Rallye- und Rundstrecken weit und breit. Targa Florio, Tour de France, Nürburgring, Coupé des Alpes u. v. m., die Geschichten ihre Siege füllen ganze Bücher.

Nach etwa 170 Sprint Zagato überarbeitet Zagato den Wagen ein letztes Mal, verlängert die Überhänge und schneidet das Heck ab, ganz nach Wunibald Kamms Aerodynamik-Lehre. Und wieder wird sie schneller, doch weil Alfa Romeo in Gedanken schon beim 1600er-Nachfolger, der Giulia, ist, entstehen bis 1962 nur noch 40 weitere dieser SZ.

Unsere Giulietta Sprint Zagato

 

Unsere Giulietta Sprint Zagato, Nummer 93 von 210, Numero uno in der Dorotheum-Auktion am 21. Oktober, wurde 1961 als Neuwagen in die Schweiz ausgeliefert. Im Gegensatz zu vielen ihrer Schwestern blieb ihr die Rennstrecke erspart. Im Lauf der 60er-Jahre übersiedelte sie nach Deutschland, genauer gesagt nach Stuttgart, wo ihr Besitzer in der Rennabteilung bei Porsche an den 917er-Motoren arbeitete. Ein österreichischer Kollege aus der Fahrwerksabteilung konnte ihm nach langen, zunächst vergeblichen Versuchen die Giulietta schließlich abkaufen. Nach seiner Zeit bei Porsche nahm er sie kurz mit nach Österreich, anschließend begleitete sie ihren Besitzer Ende der 70er mit nach Aachen, wo dieser eine Anstellung beim Willi Kauhsen Racing Team fand, dessen Rennwagen er mitentwickelte. Schon seit 1979 befindet sie sich nun in den Händen des Einbringers, dessen Herz voll und ganz für die Marke aus Mailand schlägt. Höchst selten machte sie einen Auftritt in der Öffentlichkeit, und so galt sie zuletzt schon als verschollen. In aller Ruhe und mit ganz viel Hingabe ließ sie ihr Besitzer vor wenigen Jahren restaurieren. Entstanden ist ein Kunstwerk.

Sie ist schnell, sie ist selten, den einen gefällt sie, manch anderen nicht. Haute Couture eben. Faszinieren tut sie immer, ganz besonders den Autor. Der ist verliebt.

AUKTION

Klassische Fahrzeuge
21. Oktober 2017, 16 Uhr
Classic Expo Salzburg
am Messezentrum 1
5020 Salzburg

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