Der Mercedes-Benz 300 S ist und bleibt der Inbegriff von Eleganz. Als “Wagen für die Weltelite”, etwa für Hollywood-Stars, kostete der in den Fünzigern das Doppelte des teuersten Cadillac. Ein Streifzug durch die faszinierende Geschichte dieses Klassikers, eines Highlights der Oldtimer-Auktion im Dorotheum.
Cary Grant hatte einen, Bing Crosby ebenso wie Gary Cooper, und Clark Gable nannte ihn gar seinen liebsten: den Mercedes-Benz 300 S, jenen Wagen, mit dem man sich in Stuttgart anschickte, den Glanz vergangener Tage zu beschwören und der Welt zu zeigen, dass man immer noch die besten Autos bauen konnte. Es war im Oktober 1951, auf dem Salon de l’Automobile in Paris, wo Mercedes-Benz sein neues Flaggschiff erstmals der Öffentlichkeit zeigte und die Fachwelt in kollektives Staunen versetzte. Gezeichnet von Hermann Ahrens, gebaut von Hand auf dem verkürzten Fahrgestell der zuvor in Frankfurt vorgestellten 300 Limousine, angetrieben von 150 Pferdestärken aus drei Litern und sechs Zylindern, ausgestattet mit unerreichter Eleganz und aller Opulenz dieser Welt, war er mehr als nur eine surprise inattendue, er war ein Ausrufezeichen. Man konnte!
In der Neuen Welt vermochte dem Mercedes-Benz 300 S ohnehin niemand das Wasser zu reichen. Es gab dort gewiss größere, vielleicht auch stärkere, aber keiner hatte diese Klasse und auch keiner diesen Preis. Er kostete knapp das Doppelte des teuersten Cadillac. Ob als Coupé, als Cabriolet A mit gefüttertem Verdeck oder als Roadster mit voll versenkbarem Dach, der Preis war immer der gleiche: 34.500 Deutsche Mark. Damit blieb er das, als was ihn die Presse beschrieben hatte, ein „Wagen für die Weltelite“, mit einem Wort: unerreichbar.
In der Alten Welt, die gerade aus Schutt und Asche auferstand, konnten viele selbst von einem Volkswagen, dessen Preis sich um eine Null unterschied, nur träumen. Hier muss der 300 S wie von einem anderen Stern gewirkt haben. Doch dank des ins Land ziehenden Lüftchens von einem Wirtschaftswunder fand er auch hier seine Abnehmer, weniger Filmstars als so manchen Industriellen.
560 Stück verließen in drei Jahren die Werkshallen, die wenigsten davon, nämlich 141, als schicke Roadster. 1955 verpasste man dem 300 S eine Einspritzanlage, Trockensumpfschmierung, etwas mehr Chrom und eine neue Eingelenk-Pendel-Hinterachse. Der Preis wurde nochmals um einen halben Käfer angehoben, womit er auch zwei Käfer teurer war als sein heute berühmter Stallgefährte mit den Flügeltüren, den Mercedes zwischenzeitlich von den Rennstrecken in den Straßenverkehr entließ. Damit reduzierten sich die ohnedies homöopathischen Absatzzahlen um gut die Hälfte, und nach nochmals drei Jahren war dann 1958 Schluss mit dem 300 S.
Der in der Dorotheum-Auktion Klassische Fahrzeuge angebotene 300 S Roadster wurde 1953 an einen Stahlindustriellen in Nordrhein-Westfalen geliefert. Schon in den 1970er-Jahren erwarb den Wagen ein Hamburger Kaufmann, um mit ihm zahlreiche schöne Sommer auf seinem Anwesen in Frankreich zu verbringen. Nach 20 Jahren ließ er ihn in Deutschland wieder in Schuss bringen, und heute, wiederum 20 Jahre später, ist die Zeit gekommen, seinen Roadster an neue liebevolle Hände weiterzureichen.
In den 65 Jahren seit seiner Vorstellung ist die Welt eine andere geworden, eines hat sich jedoch nicht verändert: Noch heute versetzt der Wagen Menschen ins Staunen, zieht die Blicke auf sich. Er ist der Inbegriff von Eleganz, war es immer und wird es immer bleiben. Treffend bemerkte schon seinerzeit, 1953, das amerikanische „Road & Track“-Magazin: “Wherever the Mercedes-Benz 300 S has been seen, since its first appearance at the Paris Salon in the autumn of 1951, it has caused a quiet riot of enthusiasm, with its low, sleek lines and its attitude of ,going‘ even when standing still.“
Wolfgang Humer ist Oldtimer-Experte im Dorotheum.
Klassische Fahrzeuge Auktion, 18.06.2016
Fahrzeug und Technik Zentrum Wien Vösendorf