Das Auto für Herren und Frauen von Welt, das Auto, das sich sehen lassen kann, in dem man gesehen werden möchte: der Mercedes-Benz 600 Pullman.
Ein solcher kommt nun am Samstag, den 1. Dezember 2018 mit der Sammlung Wiesenthal zur Auktion. Ein solcher? Die ehemalige österreichische Staatslimousine!
Ein Dienstwagen?
„Haben Sie noch was Größeres?“ soll Konrad Adenauer gefragt haben, als man ihm den neuen 300 SE als Dienstgefährt präsentierte. Hatte man tatsächlich, doch noch nicht ganz fertig. Schon als Adenauer noch den Vorgänger des 300 SE fuhr, pardon, sich darin fahren ließ, für dessen Rufname er Pate stand, hatte man in Stuttgart Entwicklungschef Fritz Nallinger einen Freibrief ausgestellt. Einen Freibrief alles zu ermöglichen, was nur irgendwie technisch machbar war. Ein neuer „Großer Mercedes“ sollte her, der, ganz bescheiden, nicht weniger sein sollte als das beste Auto der Welt!
Das beste Auto der Welt
Nallinger schöpfte aus dem Vollen: Luftfederung, eine Komforthydraulik, die Sitze, Fenster, Schiebedach, so ziemlich alles lautlos und wie von Geisterhand bedient, Servolenkung, Automatik, Klimaanlage, elektrisch regulierbare Heizung und Lüftung und vieles mehr an science fiction. Man dachte kurz gar an einen Zwölfzylinder, sah darin letztlich aber kaum Vorteile gegenüber einem V8. Dass dessen Hubraum von ursprünglich veranschlagten 5,4 auf 6,3 Liter vergrößert wurde, darf gern als Spitze gegen die britische Auto-Aristokratie von Rolls-Royce verstanden werden.
Seine Ausmaße waren gewaltig, seine Erscheinung gebot schlicht Ehrfurcht. Das Wunderwerk der Technik steckte in gut fünfeinhalb x zwei Meter Auto. Die normale, „kurze“ Version wohlgemerkt! Denn es gab den 600 auch als Pullman auf einer Länge von 6 Meter und 24, wahlweise mit vier oder mit sechs Türen. Und weil er mehr Repräsentations- denn Luxuswagen war, gab es auch eine hinten offene Version, den Landaulet. Man wollte schließlich zeigen, wer da hinten Platz nahm. Zu dieser illustren Runde zählte das who-is-who des Jetsets und der Hitparaden, genauso wie Potentaten jeglicher Art, Monarchen, Präsidenten, Revolutionäre, Diktatoren und auch der Stellvertreter Gottes.
Der hatte jedoch nur einen, genauso wie der King Elvis Presley, John Lennon, Udo Jürgens, David Bowie, Elizabeth Taylor, Gunter Sachs oder Pablo Escobar. In so manchem arabischen Stall sollen sich über 100 befunden haben, bei „Präsident“ Mobuto waren es nur 23, dicht gefolgt vom Schah mit 21. Mao hatte elf Stück, bei Gaddafi weiß man es nicht so genau. Andere waren genügsamer, Leonid Breschnew, Tito, die Familie Kim oder Saddam Hussein kamen auch mit einem aus.
Meilenstein der Automobilgeschichte
Bis heute gilt der Mercedes-Benz 600 als ein Meilenstein der Automobilgeschichte. Er ist die Referenz für alle Staatslimousinen, die nach ihm kamen. Versucht hat es mancher, erreicht hat ihn bis heute keiner!
österreichische Zeitgeschichte
Jedes Automobil erzählt eine Geschichte, seine und die seiner Besitzer. Dieser 600 Pullman ist Geschichte, ein Stück österreichische Zeitgeschichte. Er ist die ehemalige österreichische Staatslimousine. Noch unter Bundespräsident Schärf bestellt, verließ der neunte jemals gebaute viertürige Pullman am 4. Dezember 1964 das Werk in Richtung Wiener Vertretung, der Firma Wiesenthal & Co. KG. Am 9. Dezember wurde er angemeldet auf die Österreichische Präsidentschaftskanzlei, das Kennzeichen standesgemäß für den ersten Wagen der Republik W1.000. Allerdings nur hinten, denn vorne trägt er das Wappen der Republik, den Bundesadler.
Der Wagen war selbstredend schwarz, der Chauffeur saß auf schwarzem Leder, die Gäste im Fond vornehm auf grauem Stoff. Ein Kühlschrank sorgte für deren Wohlbefinden, eine Trennscheibe für Diskretion. Eine Herausforderung war das Schiebedach, welches vom Fond nach vorne öffnet. Derart früh in der Produktion musste das Werkzeug dafür erst angefertigt werden, wie dem Auftragsblatt zu entnehmen ist.
Adolf Schärf verstarb am Faschingsdienstag 1965, noch zwei Wochen davor holte er den Schah und bekennenden Automobilisten, Reza Pahlavi, vom Flughafen ab, wohl schon mit der neuen Staatskarosse. Am 9. Juni 1965 trat der Wiener Bürgermeister Franz Jonas Schärfs Nachfolge an, eine Woche davor der 600 in der Troststraße zu seinem ersten Service.
Die britische Queen Elizabeth 1969 auf Staatsbesuch …
… unterwegs auch in unserer Staatslimousine!
Fast zwei Amtszeiten begleitete der 600er Franz Jonas, chauffierte Staatsoberhäupter und gekrönte Häupter, vom sowjetischen Präsidenten bis zum englischen Königspaar. Das ließ sich zwar in einem geliehenen Landaulet durchs Land chauffieren, vom Flughaben abgeholt hat die Queen jedoch dieser 600. Auch der jährliche Ausflug zu den Festspielen nach Salzburg stand auf seinem Dienstplan. Das Ende seiner zweiten Amtszeit erlebte auch Franz Jonas nicht. Er starb im April 1974 und so erlebte der 600 Pullman noch vor seiner Ausmusterung seinen dritten Präsidenten, Rudolf Kirchschläger.
Zurück ins Hause Wiesenthal
1976 kehrte er ins Hause Wiesenthal zurück und wurde Teil der wachsenden Sammlung. Statt Präsidenten und Monarchen chauffierte er nun vornehmlich Hochzeitspaare. Auch bei ihm wurde Buch geführt über Ausfahrten und Befinden. Letzteres beeindruckt noch heute, denn der 600 ist unrestauriert und original erhalten geblieben.
Die Sitze im Fond tragen noch die Bezüge aus seiner Amtszeit und könnten sie sprechen, sie hätten wohl viele Geschichten zu erzählen.
AUKTION
Sammlung Wiesenthal
Samstag, 1. Dezember 2018, 17 Uhr
Camineum der Österreichischen Nationalbibliothek
Eingang: Josefsplatz 1, 1010 Wien