Alte Meisterinnen

Die längst überfällige (Wieder-)Entdeckung und Wertschätzung der Kunstproduktion von Frauen hat in den letzten Jahrzehnten viele Größen ins Rampenlicht gerückt – darunter auch Alte Meisterinnen: Werke von Fede Galizia, Artemisia Gentileschi und Orsola Maddalena Caccia liefern dafür beste Beispiele in der Dorotheum-Auktion Alte Meister im Mai 2023.

Die Unsichtbarkeit von Künstlerinnen in einer vorwiegend nach männlichen Paradigmen aufgezeichneten Kunst- geschichte verkehrt sich zurzeit geradezu in ihr Gegen- teil: Immer öfter werden Arbeiten von Künstlerinnen ins Rampenlicht gerückt und dem breiten Publikum in Publikationen und Ausstellungen nähergebracht, wo sie auf großes Interesse stoßen. Natürlich war es kein Mangel an Können, der dazu geführt hat, dass Malerinnen in der Kunstgeschichte geflissentlich „übersehen“ wurden, sondern vielmehr ein systembedingter Mangel an Möglichkeiten. Findet die „Alte Meisterin“ nun endlich Anerkennung?

Künstlerinnen sind seit der Antike namentlich dokumentiert, aber erst mit der Verbreitung humanistischer Ideale im Zeitalter der Renaissance gelang es einer größeren Zahl an Malerinnen, in der männerdominierten Kunstproduktion Fuß zu fassen. Da Frauen der Zugang zu den großen Werkstätten verwehrt blieb, hielt sich ihr schöpferischer Output in Grenzen. Die meisten Malerinnen des 16. und 17. Jahrhunderts entstammten Künstlerfamilien mit Zugang zu Malereibedarf und Bildung und arbeiteten in der Regel fast ausschließlich in der familieneigenen Werkstätte. Beispielhaft seien die großen Namen Fede Galizia, Artemisia Gentileschi und Orsola Maddalena Caccia genannt, die mit Werken in der Dorotheum-Auktion Alte Meister am 3. Mai 2023 vertreten sind.

Fede Galizia (1578–1630) Judith mit dem Kopf des Holofernes Öl auf Leinwand, 127 x 95,5 cm Schätzwert € 200.000 – 300.000
Fede Galizia (1578–1630), Judith mit dem Kopf des Holofernes, Öl auf Leinwand, 127 x 95,5 cm, Schätzwert € 200.000 – 300.000

Fede Galizia (1578–1630) war die Tochter des Mailänder Miniaturmalers Nunzio Galizia. Sie wurde von ihrem Vater unterrichtet und hatte sich noch vor dem 20. Lebensjahr einen internationalen Ruf erworben. Sie gilt als Pionierin der Stilllebenmalerei und wird zunehmend für ihre Porträts und religiösen Bilder geschätzt. Im Laufe ihrer Karriere beschäftigte sie sich auch immer wieder mit der alttestamentarischen Geschichte von Judith und Holofernes, die exemplarisch für den weiblichen Kampf für Sichtbarkeit und Anerkennung steht: in Fede Galizias Fall ganz konkret in der Welt der Kunstproduktion.

Vergleicht man Fede Galizias Interpretation des biblischen Stoffes mit jener von Bartolomeo Mendozzi (circa 1600–nach 1644?), so ist der Unterschied zwischen weiblichem und männlichem Blick offenkundig: Im Mittelpunkt der Darstellung Mendozzis steht der leidende Holofernes, der sich dem Betrachter zuwendet, als wollte er ihn um Hilfe bitten. Judith erscheint als brutale Mörderin, als Femme fatale, deren Blick neutral, fast abwesend in den Betrachterraum wandert. In Galizias Gemälde hingegen ist Judith als entschlossene, starke Frau unmittelbar nach der Tat zu sehen. Ihre weibliche Schönheit ist Ausdruck von Tugend und bildet einen starken Kontrast zum abgetrennten Haupt des Holofernes in ihrer Hand.

Bartolomeo Mendozzi (circa 1600 – nach 1644?) Judith enthauptet Holofernes Öl auf Leinwand, 122,5 x 175 cm Schätzwert € 400.000 – 600.000
Bartolomeo Mendozzi (circa 1600 – nach 1644?) Judith enthauptet Holofernes Öl auf Leinwand, 122,5 x 175 cm Schätzwert € 400.000 – 600.000

Auch Artemisia Gentileschi (1593 – nach 1654), eine der bedeutendsten Malerinnen des 17. Jahrhunderts, wurde anfänglich von ihrem Vater Orazio Gentileschi, einem der ersten Anhänger Caravaggios, unterrichtet. Weil Artemisia das Haus nicht unbegleitet verlassen durfte, konnte sie nur mit Mühe Kunstwerke an öffentlichen Orten studieren, sodass sie sich zunächst als Kopistin der Arbeiten ihres Vaters und der Stiche von Werken anderer Künstler betätigte. Durch Talent und Beharrlichkeit gelang ihr jedoch bereits mit Anfang 20 das Kunststück, eine eigene Werkstätte mit mehreren Assistenten zu gründen und 1616 von der Accademia dell’Arte del Disegno als Mitglied aufgenommen zu werden. Um sich im patriarchalen Mäzenatentum zu behaupten, eignete sie sich die Techniken männlicher Zeitgenossen an und engagierte Agenten, die sie in ganz Europa bekannt machten.

Artemisia Gentileschi (1593 – nach 1654) und Onofrio Palumbo (1606 – circa 1656), Abraham und die drei Engel, Öl auf Leinwand, 144,5 x 200,8 cm, Schätzwert € 150.000 – 200.000
Artemisia Gentileschi (1593 – nach 1654) und Onofrio Palumbo (1606 – circa 1656), Abraham und die drei Engel, Öl auf Leinwand, 144,5 x 200,8 cm, Schätzwert € 150.000 – 200.000
Orsola Maddalena Caccia (1596–16760), Heilige Katharina von Alexandrien, Öl auf Leinwand, 100 x 72 cm, Schätzwert € 20.000 – 30.000
Orsola Maddalena Caccia (1596–16760), Heilige Katharina von Alexandrien, Öl auf Leinwand, 100 x 72 cm, Schätzwert € 20.000 – 30.000

Auch Orsola Maddalena Caccia (1596–1676) erlernte ihr Handwerk in jungen Jahren von ihrem Vater, dem Manieristen Guglielmo Caccia, genannt Il Moncalvo. Der erfreute sich zahlreicher pres- tigeträchtiger Aufträge und schätzte seine Tochter als wichtige, überaus talentierte Stütze in der Familienwerkstätte. Theodora, wie die Künstlerin eigentlich hieß, trat schließlich in das Kloster des Ursulinenordens in Bianzé und später in jenes von Moncalvo ein, nannte sich fortan Schwester Orsola Maddalena und arbeitete als unabhängige Künstlerin weiter. Sie gründete eine florierende Werkstätte innerhalb der Klostermauern und entwickelte einen eigenen Stil, der bei ihren Gönnern großen Anklang fand.

Vera Hinteregger ist Kunsthistorikerin und Cataloguer in der Altmeisterabteilung im Dorotheum.

AUKTION

Gemälde Alter Meister, 3. Mai 2023, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Vienna

oldmasters@dorotheum.com
Tel. +43-1-515 60-403

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