Theodor von Hörmann: Als es im Winter noch Eisschollen gab

Als es im Winter noch Eisschollen gab

Mit „Eisschollen am Ufer der Thaya“ wird im April eines der Hauptwerke Theodor von Hörmanns angeboten. Der „Wirklichkeitsfanatiker“, der in seiner Suche nach Authentizität den Realismus überwand und als Vordenker der österreichischen Moderne gilt, stellt das grandiose Naturschauspiel mit malerischer Raffinesse voller Widersprüche dar.

März 1891. Der Winter war kalt gewesen, eiskalt sogar, und die Thaya, jener malerisch, zum Teil wild verlaufende Fluss, der die Grenze zwischen Niederösterreich und Mähren (heute Tschechien) in markanten Biegungen spielerisch markiert, war von einer fast meterdicken Eisschicht bedeckt worden. Endlich aber begann der Frühling und mit ihm kehrte die ersehnte Wärme zurück. Unheimlich muss es für die Bewohner des kleinen Städtchens Znaim geklungen haben, wenn das Eis mit lautem Krachen an unendlich vielen Stellen brach, dieses Knirschen und Dröhnen, wenn Kälte und Wärme in unerbittlichem Kampf miteinander ringen. Und dann lagen sie da, die riesigen Schollen von Eis, und harrten auf ihre weitere Schmelze oder Verwendung. (In einer Zeit ohne Kühlschränke diente Eis ja dazu, in Kellern und Höhlen allerlei Lebensmittel zu kühlen.)

In diesem März 1891 wird sich so mancher Bewohner von Znaim über einen groß gewachsenen stattlichen Mann mit dichtem schwarzen Haar und der unvermeidlichen Pfeife im Mund gewundert haben, der sich über Tage hinweg an den Uferstreifen der damals noch unverbauten Thaya begab und malte. Schon früh am Morgen, der Kälte stoisch trotzend, seine Holztafel auf die Staffelei gestellt, erfasste er mit scharfem Blick diese eigenartige Szenerie von Eis und kalter Erde, von Winter und Frühling.

Johann Victor Krämer Der Maler Theodor von Hörmann, 1896 Foto: Belvedere, Wien

Theodor von Hörmann war erst ein Jahr zuvor nach Znaim gekommen, wo er sich mit seiner Frau Laura im Gasthof Fasching an der Thaya einquartierte. Ein langer Weg lag hinter ihm, vom ausgebildeten Offizier, der in St. Pölten unterrichtet hatte und zum Autodidakten der Malerei geworden war, hin zu den überaus fruchtbaren und inspirierenden Jahren in Paris, die ihm die malerische Freiheit und Vielfalt der impressionistischen Naturerfassung nähergebracht hatten. Nach seiner Rückkehr ging er überraschend nach Znaim, suchte wohl Ruhe und Natur, ein kleines Barbizon mit guter Verbindung in die Großstadt Wien. Dieser Entschluss war für die Karriere nicht so günstig, für die Malerei dafür schon, denn in diesen vier Jahren – den letzten seines zu kurzen Künstlerlebens – entstanden Hauptwerke nicht nur seiner Kunst, sondern auch der österreichischen Malerei an der Schwelle zur Moderne, zur Secession, deren Vordenker und Initiator Hörmann war.

Ein Meisterwerk ist zweifellos dieses Gemälde der „Eisschollen“, vielleicht eines der letzten Hauptwerke, die auf dem Markt angeboten werden. Mit seiner beachtlichen Größe von 70 mal 100 Zentimetern, auf Leinwand gemalt, stellt es die letzte Fassung einer Serie von drei Eisschollen-Bildern dar. Es sind ganz spezifische Details, mit denen er die Selbstverständlichkeit eines Motivs infrage stellte, und damit die Gleichgültigkeit des Sehens. Kompositionell zeigt sich dies in einer raffinierten Kombination von betonter Diagonale – wie hier der Verlauf des Uferweges – und einer dramatisch hochgezogenen Horizontlinie: Die Illusion des Raumes in der alten Tradition der Zentralperspektive kollidiert mit übereinandergestapelten, horizontalen Bildschichten als irritierende flächige Anordnung. Und während der dramatisch nach hinten ziehende Wegverlauf Tiefe und Weite suggeriert, rückt die gleichbleibende Schärfe der Wiedergabe auch die Häuser im Hintergrund in erstaunliche Nähe. Dünne, zerbrechlich wirkende Birkenstämmchen stehen inmitten von mächtigen Eisschollen, Inbegriff der Kräfte der Natur. Aber sie wirken gezähmt in ihrem wilden Durcheinander, von Menschen aus dem Wasser gezogen, während die jungen Bäume in streng linearer Anordnung sich spielerisch und siegessicher in die Höhe heben und ein neues Jahr ankünden.

Theodor von Hörmann Eisschollen am Ufer der Thaya, 1891 Öl auf Leinwand, 70 x 100 cm Schätzwert € 160.000-250.000

AUKTION

Gemälde des 19. Jahrhunderts, 25 April 2024, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 765, 501

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