Zufall und Struktur: Die Arbeiten von François Morellet, Pionier der Lichtkunst, changieren zwischen geometrischer Präzision und humorvollen Bedeutungsverschiebungen. So auch die Installation „Lunatique neonly – 16 quarts de cercle n°5“ von 2005.
Als einer der wichtigsten Vertreter der systematisch-konzeptuellen Kunst hat François Morellet die Definition von abstrakter Kunst über mehr als sechs Jahrzehnte hinweg beständig erweitert. Bereits 1963 verwendete der Maler, Bildhauer und Installationskünstler als einer der ersten Künstler überhaupt Neonlicht in seinen Werken. Charakteristisch für seine Vorgehensweise ist, dass er die Präzision strenger Ordnungssysteme, Rasterüberlagerungen und geometrischer Strukturen mit dem Zufall als Kompositionsprinzip verknüpft.
„Lunatique neonly – 16 quarts de cercle n°5“ steht beispielhaft für Morellets Art, Rhythmus und Willkür aufeinandertreffen zu lassen. Die runde Leinwand wirkt wie ein Gefäß für die 16 übereinanderliegenden Kreissegmente aus Neon. Einzelne Bögen brechen aus dem definierten Bezugsrahmen aus und ragen in den Raum hinein, sodass sich das Zusammenspiel der Linien zu einer dynamischen Dekonstruktion des Kreises verdichtet.
Der Titel der ab 1996 entstandenen Werkgruppe spiegelt den Witz und die Verspieltheit des Künstlers, setzt sich „Lunatiques neonly“ doch aus den Wörtern für Mond, Irrsinn, Neon und dem englischen „only“ zusammen. Morellet setzt derlei Wortspiele und Parodien gezielt ein, um Interpretationen anzustoßen, die über eine formale Betrachtung im Kontext der abstrakt geometrischen Kunst hinausgehen. Hier verweist er ebenso bedeutungsgeladen wie offen auf den oft mit dem leuchtenden Himmelskörper assoziierten Energiefluss, die Melancholie und die Wirkung des Stabilitätsverlustes.
Patricia Pálffy ist Expertin für Moderne und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum.
AUKTION
Zeitgenössische Kunst, 24. Mai 2023, 18 Uhr
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