HOCH ZU ROSS
Marino Marini ist berühmt für seine intensive künstlerische Auseinandersetzung mit Pferd und Reiter. Eine wunderschöne Fassung seines zentralen Motivs – ein Exemplar aus bemaltem Gips von 1949 – wird in der Auktion Klassische Moderne am 26. November 2019 angeboten.
Die Reitergruppe beschäftigt Marino Marini seine gesamte Laufbahn, sie bietet ihm die Möglichkeit, der Geschichte des Menschen Gestalt zu verleihen. Und so malt, zeichnet und formt er aus Marmor und Bronze unzählige Pferde und Reiter, treibt den anfänglich trocken-rauen Realismus in Richtung einer progressiven Abstraktion und Geometrie.
Das Motiv von Pferd und Reiter taucht erstmals 1936 im Schaffen des Künstlers auf; die Darstellungen zeigen zunächst schlanke Proportionen und eine ruhige formale Balance. Schon im folgenden Jahr werden die Gesten jedoch unruhiger, das Pferd präsentiert sich mit stampfenden Hufen und der Reiter in schwankendem Gleichgewicht. In den 1940er-Jahren schließlich weichen die anfänglich harmonischen Proportionen einer zunehmenden Abstraktion und der geometrischen Ausrichtung der Figur – darin macht sich die leidvolle Erfahrung des Weltkrieges bemerkbar. In der vorliegenden Skulptur „Cavallo e cavaliere“ aus dem Jahr 1949 scheint Marini jedoch die großzügige Harmonie der Vorjahre wiederhergestellt zu haben: Das Pferd ist nicht bewegungslos mit verlängertem Hals und offenem Maul dargestellt, wie man es in Anbetracht seines Entstehungsjahres erwarten würde, im Gegenteil: Die beiden Figuren befinden sich in perfektem Gleichgewicht; die Körper sind wie Elemente in eine kreuzförmige Struktur eingebettet und begründen einen harmonischen Dialog zwischen der horizontalen Linie des Pferdes und der vertikalen Linie der menschlichen Figur.
„Die Idee von Pferd und Reiter entstand vor langer Zeit. Es ist eine Suche, das Bedürfnis nach einer bestimmten architektonischen Form, die zu einem bestimmten Zeitpunkt deinen Erwartungen entspricht. Und so suchst du immer weiter nach dieser Form, um sie immer realer werden zu lassen.“
Marino Marini
Das Arbeiten mit Gips stellt für den Künstler in diesem Zusammenhang ein intensives Experimentierfeld dar, bietet ihm die Möglichkeit der Reflexion des plastischen Potenzials der Skulptur. Marini berücksichtigt die Beschaffenheit des Materials, dessen Fähigkeit, die unregelmäßigen Spuren der Modellierung zu bewahren oder dadurch bildhaft einzugreifen. Er nutzt so die Gelegenheit, die Skulptur an ihre Grenzen zu bringen und gleichzeitig ein neues Verhältnis zwischen dem Werk und der Umgebung herzustellen. Gips, oft für die Vorbereitungsabgüsse von Bronzearbeiten verwendet, gilt hier nicht als Übergangsmaterial, sondern formt die fertige Skulptur.
Marini schöpft das Potenzial des Materials aus und beschwört in diesem Werk ein archaisches Universum herauf, das die tiefe Harmonie zwischen Mensch und Natur, zwischen Mensch und Welt feiert.
INFORMATIONEN zur AUKTION
Auktionsdatum: Auktion Klassische Moderne, 26. November 2019, 17.00 Uhr
Auktionsort: Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
Besichtigung: 16. November 2019 –26. November 2019
Informationen: Alessandro Rizzi, Experte für Klassische Moderene und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum