Schmucke Symmetrie – ein Interview

Interview mit dem Psychologen Helmut Leder

Wie nimmt man Schmuck an Personen wahr? Welche Wirkung erzeugt er?
Ein Gespräch über Schönheit und Schmuck mit dem Psychologen Helmut Leder, einem Fachmann für ästhetische Wahrnehmung.
von Astrid Fialka-Herics

Ästhetik, Psychologie der Kunst, Design- und Gesichtswahrnehmung: Das sind die Forschungsschwerpunkte von Helmut Leder, Professor für Kognitive Psychologie und Leiter der Abteilung für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden an der Universität Wien.

Leder: Interessanterweise gibt es meines Wissens kaum Forschung zur Rolle und Wirkung von Schmuck. Somit kann man aus Sicht einer empirischen Wirkungsforschung nur Rückschlüsse aus ähnlichen Studien ziehen. Viel wissen wir darüber, welche Gesichter – und auch Gesichtsmerkmale – als schön empfunden werden. In unserer Arbeitsgruppe haben wir beispielsweise den Einfluss von Brillen auf die Gesichtswahrnehmung untersucht und herausgefunden, dass Brillen immer noch etwas intelligenter und vertrauenswürdiger machen, tendenziell aber auch etwas weniger attraktiv. Darüber hinaus haben wir jedoch auch gezeigt, dass Brillen den Blick auf eine wichtige Partie des Gesichts lenken: die Augen.

Dorotheum myART MAGAZINE: Schmuck wird seit jeher als Statussymbol getragen.
Er ist Zeichen der Macht, der gesellschaftlichen Zugehörigkeit oder Symbol zwischenmenschlicher Zuneigung. Wovon hängt es ab, wie ein Betrachter die schmucktragende Person wahrnimmt?

Wie die Frage schon impliziert: vom Verhältnis des Betrachters zur betrachteten Person. Unter Gleichen wird wohl Bewunderung, Anerkennung, vielleicht sogar etwas Neid ins Spiel kommen, bei hierarchisch deutlich Höherstehenden vermutlich eher Respekt bis hin zu Einschüchterung. Denken Sie an Königskronen, Insignien, Richter- oder Dekansketten und dergleichen!

Auktion Juwelen 27. April 2017 Palais Dorotheum
Auktion Juwelen 27. April 2017 Palais Dorotheum

Macht Schmuck schön oder sogar schöner?

Hier sind verschiedene Antworten möglich. Der Schmuck selbst kommt, wenn als schön wahrgenommen, zum Gesicht, zur Person hinzu; Schmuck kann aber auch gleichermaßen nicht so Attraktives verdecken, davon ablenken wie Schönes, etwa schöne Augen, betonen. Wir haben in Studien zum Beispiel Hinweise darauf gefunden, dass wir manchmal gar nicht so sehr die Schönheit per se erkennen, sondern Abweichungen vom Schönen. Dies haben wir getestet, indem wir Gesichter auf den Kopf gedreht präsentierten, sodass man sie nicht mehr gut erkennt. Dann wirken sie nicht weniger schön, sondern schöner!

Verändert das Tragen von Schmuck beim Betrachter dessen Wahrnehmung von Symmetrie, zum Beispiel jener des Gesichtes?

Das kann durchaus ein Effekt sein. So erhöht sich zum Beispiel, wenn durch Ohrringe rechts und links etwas Identisches hinzugefügt wird, was noch dazu an sich schön ist, das „visuelle Gewicht“ auf beiden Seiten des Gesichtes. Und Symmetrie wird in Gesichtern tatsächlich als schön empfunden. Dies scheint alte biologische Wurzeln zu haben, da Symmetrie mit Gesundheit assoziiert ist.

Auktion Juwelen, 1. Juni 2017 Palais Dorotheum

Schmuck unterliegt natürlich auch der Mode: Waren in den 1980er-Jahren üppige Gelbgoldketten oder voluminöser Ohrschmuck gefragt, so kann man aktuell von einer Tendenz zu Minimalismus und Purismus sprechen. Wird heute „weniger“ als „ästhetischer“ wahrgenommen?

Ich bin kein Soziologe. Man kann aber spekulieren, dass solche Moden nicht nur darin bestehen, Neues oder relativ Neues wieder modisch zu machen, sondern auch gesellschaftliche oder wirtschaftliche Zustände reflektieren.

Schmuckstücke weisen ganz unterschiedliche Formen auf, sie sind weich, rund, geschwungen oder eckig-kantig und geradlinig. Existieren wissenschaftliche Studien darüber, ob und welche Formen in der Wahrnehmung bevorzugt werden?

Es gibt viele Hinweise darauf, dass Menschen eher runde Formen bevorzugen. Dies wird damit begründet, dass starke Ecken und Kanten ein gewisses Potenzial haben, sich daran zu verletzen. So haben Forscherkollegen aus Boston gezeigt, dass jene Hirnareale, die mit Furcht assoziiert sind, beim Betrachten runder Dinge weniger aktiv sind. Ähnliches haben wir auch bei der Beurteilung runder Innenräume gegenüber eckig gestalteten zeigen können.

David Webb, Zweiteiliges Farbsteincollier, 1970 Auktion Juwelen, 27. April 2017 Palais Dorotheum
David Webb, Zweiteiliges Farbsteincollier, 1970 Auktion Juwelen, 27. April 2017 Palais Dorotheum

Hat das Material, aus dem Schmuck gemacht ist, eine maßgebliche Bedeutung, einen Einfluss auf diese Wahrnehmung? 

Sicher, da unterschiedliche Materialien mit bestimmten Werten verknüpft sind. Allerdings gibt es selbst hier Moden, vielmehr psychologische Effekte. So unterscheiden sich zum Beispiel Personen darin, wie wichtig es ihnen ist, Status und wirtschaftlichen Erfolg zu präsentieren. Auch spielen Erkennen und Wiedererkennen für die Ästhetik eine Rolle. Beim Schmuck bezieht sich das dann wohl auf den Goldschmied und darauf, die Werkstatt zu kennen, aber auch einen bestimmten Stein oder ein Metall zu erkennen.

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Astrid Fialka-Herics ist Leiterin der Abteilung Uhren und Juwelen, Expertin für Juwelen, Juristin und gelernte Goldschmiedin.

Dorotheum Auktion Juwelen
27. April 2017
Palais Dorotheum

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1. Juni 2017
Palais Dorotheum

www.dorotheum.com

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