Herzensangelegenheit
Ob Fitness-Studios oder In-Lokale, Basketball oder Boxen, London oder Miami: Joe Fournier legt in allem unternehmerische Leidenschaft an den Tag – auch als Sammler zeitgenössischer Kunst.
Dorotheum myART MAGAZINE: Sie haben immer wieder das Metier gewechselt und sind stets in kürzester Zeit zum Erfolg gekommen. Wie wurden Sie Kunstsammler?
Joe Fournier: Meine Ex-Freundin liebt Kunst und hat sich selbst als Künstlerin versucht. Einmal ist sie vorbeigekommen und hat mir ein Bild gemalt. Ich fand das super, weil ich noch nie von jemandem ein Bild bekommen hatte. Das Ergebnis war richtig gut. Vielleicht nicht Spitzenklasse, aber es hat sich fein an der Wand gemacht. Ein paar Jahre später sind wir nach Venedig und haben dort auch das Guggenheim besucht. Ich dachte immer, Kunst kostet Fantastillionen und ich würde nie in der Kunst-Liga spielen. Aber ich fand Gefallen an den Bildern und hab mir insgeheim eines ausgesucht, dann noch eines … Dann hab ich die Künstler gegoogelt, mir die Preise angesehen, und da wurde mir klar: Moment mal, da geht was!
Wann haben Sie beschlossen, eine Sammlung daraus zu machen?
Irgendwann hab ich in Großbritannien bei einem Deal viel Geld gemacht und überlegt, wie ich sie investieren soll. Hotels und Grundstücke hatte ich schon, Immobilien waren also uninteressant. Da fragte mich ein Freund: Warum nicht in Kunst investieren? Wir kannten uns seit fünf Jahren, ich wusste auch, dass er Kunsthändler war, aber wir hatten nie über Kunst gesprochen; ich hatte mich nicht dafür interessiert. Er schlug vor, zum Einstieg ein paar Arbeiten für mich auszusuchen. Er bekam ein Budget von mir und hat es verwendet – für einen Ai Weiwei, um genau zu sein, mit dem ich sehr happy war. Damals lief es gerade nicht so gut mit der Freundin, die mich zur Kunst gebracht hatte. Ich kaufte das große Herz von Damien Hirst, das mit den Schmetterlingen, und schenkte es ihr, nach dem Motto: Gib jemandem ein Bild um eine Million Pfund und du wirst geliebt. Falsch gedacht. Diese Lektion hat mich eine Million gekostet, aber wenigstens hat sie das Bild dagelassen. Ich habe es übrigens noch. Jedenfalls war Kunst für mich auch eine Herzensangelegenheit. Seit damals wird nach jedem Geschäftsdeal meine Sammlung vergrößert.
Warum ausgerechnet Ai Weiwei?
Mir gefällt an Ai Weiwei seine eigene Geschichte: dass er verfolgt wurde, dass ihm seine Arbeit möglichst schwer gemacht wurde und er trotzdem, nein, gerade deshalb seine Ziele erreicht hat. Man wird ein Leben lang aus der Bahn geworfen – von Menschen, Gefühlen, gewissen Substanzen, von allem Möglichen. Aber wenn du mental und physisch stark bleibst, schaffst du es trotzdem. Ich hab meine Ziele immer erreicht, und das sicher nicht, weil ich so talentiert bin. Ich hab ein wenig Glück gehabt – dafür danke ich Gott –, aber ich arbeite auch hart, verdammt hart. Ich schlafe nur vier Stunden. Keines meiner Projekte ist auf Anhieb rund gelaufen. Ich feile immer weiter daran, bis es klappt. Das verbindet mich mit Ai Weiwei.
Sie besitzen Werke von Künstlern ersten Ranges. Nennen Sie uns ein paar?
Ich habe Arbeiten von Damien Hirst, ein paar Warhols … aber die Ai Weiweis sind mir die liebsten. Seine „Überwachungskamera“ aus Marmor ist großartig! Irgendwie hab ich einen Bezug zu seinen Sachen – anders, als wenn ich etwa ins Van Gogh Museum gehe: Ja, es war toll, Van Gogh war sicher unglaublich begabt, ein Ausnahmekünstler, aber ich bin mir nicht sicher, ob seine Arbeiten zur heutigen Zeit passen. Ich brauche etwas, mit dem ich mich identifizieren kann. Das war auch der Grund, warum ich mich überhaupt für Kunst interessiert habe. Ich muss nicht um jeden Preis Kunst kaufen. Wenn es passt, dann passt es. Ich verkaufe auch nur, wenn der Preis stimmt. Ich bin und bleibe Unternehmer. Ich kaufe Sachen und sammle sie. Das meiste davon sollen meine Kinder bekommen, wenn ich einmal welche habe. Schließlich soll etwas von mir bleiben.
Sehen Sie das Sammeln von Kunst auch als Investition?
Nein, mir ist es nie darum gegangen, Geld damit zu machen; ich weiß auch nicht, ob das geht. Kunst ist mir zu wenig liquid, um als Anlage zu taugen.
Haben Sie schon einige der Künstler persönlich getroffen?
Ich habe Ai Weiwei kennengelernt. Ein tolles Treffen, aber leider nur sehr kurz. Ich lebe das halbe Jahr über in Miami und bin dort mit vielen interessanten Künstlern befreundet. Ich besitze zwar keine Werke von ihnen, habe aber großen Respekt vor ihrer Arbeit. Ich lasse die Dinge einfach auf mich zukommen, wie es meine Art ist. Wann immer ich etwas erzwingen wollte, ist es in die Hose gegangen, ob privat oder geschäftlich.
Was ist derzeit Ihre größte Leidenschaft?
Im Moment wahrscheinlich die Familie. Ich bin Single, aber die Familiengründung steht ganz oben auf meiner Liste. Wenn du von deinem 13. Lebensjahr an nur rackerst wie ich, nimmt die Arbeit irgendwann überhand. Im Geschäftsleben gibt es nur ein Ziel: noch mehr Geld scheffeln. Aber Geld wird nie glücklich machen. Wenn ich heute 100.000 Pfund in den Sand setze, ist das kein großes Drama, und doch wär’ ich am Boden zerstört. So ist es immer, wenn ich Geld verliere. Letzte Woche zum Beispiel hab ich 10.000 beim Pokern verbraten. Wenn ich bei einem Deal eine Million verdiene, bin ich happy, aber bei Weitem nicht so happy, wie ich sauer bin, wenn ich zehn Riesen verliere. Alles ist relativ: Du verlierst ein wenig Kohle und bist fix und fertig; du verdienst ein Vermögen und bringst es vielleicht zur Bank. Du kaufst Autos, ein Haus, und was dann? Eine Familie relativiert das alles, und das steht bei mir als nächstes auf dem Plan.
Sie arbeiten so lange intensiv an Ihren Projekten, bis Sie Erfolg haben. Was ist Ihr Geheimnis?
Ich sage immer, dass ich nicht der Talentierteste bin, und das stimmt auch. Es ist ein bisschen wie mit dem Kunstsammeln – auch das ist mir eher in den Schoß gefallen. Überhaupt scheint mir meine Ausstrahlung Glück zu bringen. Ich mache zehn und geb’ drei davon her; anderen helfe ich dabei, zehn einzufahren. Ich war schon als Kind so. Ich bin immer mehr als spendabel zu anderen, deshalb umgibt mich ein super Karma – und das hat mir wiederum viel Glück gebracht (klopf auf Holz!). Aber ich arbeite auch extrem viel. Ich hasse es zu verlieren; ich brauche den Wettkampf.
Wie läuft das Sammeln bei Ihnen ab?
Ich kaufe sukzessive. Wenn mich etwas anspricht – zum Beispiel im Dorotheum –, kann es leicht sein, dass ich es für die Sammlung haben will. Aber alles zu seiner Zeit. Ich erzwinge nichts, fliege nicht extra nach China oder Tokio, um bei einer Veranstaltung eine Arbeit zu kaufen. Sie muss mich anspringen, wenn ich daran vorbeigehe.
Sind Sie in der Kunstszene aktiv, gehen Sie zu Veranstaltungen, Vernissagen oder Kunstpartys?
Lassen Sie mich ein Beispiel geben, das nichts mit Kunst zu tun hat: Ich konnte Yoga nie leiden – und das wegen der Leute, die sich Yogis nennen, nur weil sie einmal die Woche Yoga machen. Ich steh auf Yoga als Workout, aber ich will nicht dauernd „ommmmm“ brummen und so tun, als wär ich Yoga-Buddhist. Mit der Kunst ist es ähnlich: Wenn man in Galerien geht oder zu Auktionen, muss man auf Künstler machen. Das liegt mir nicht. Ich bin Sportler und Geschäftsmann. Ich bin ungehobelt und martialisch, das Gegenteil eines Kunstmenschen. Deshalb bin ich bei solchen Veranstaltungen auch immer fehl am Platz und nach fünf Minuten gelangweilt.
Sie sollten als nächstes ein Buch schreiben …
Das haben schon viele zu mir gesagt. Aber das Buch gilt es vorher zu füllen. Ich werde entweder Premierminister oder gehe bankrott; wir werden’s bald wissen. Für Kompromisse bin ich jedenfalls nicht zu haben.
Constanze Werner ist Leiterin des International Client Advisory Service des Dorotheum.