Kunst auf Papier 1500–1800 | Ein Leitfaden für Sammler

Zeichnungen alter Meister sind im Vergleich zu Gemälden noch immer relativ erschwinglich und stellen daher für viele junge Käufer einen guten Einstieg in ihre Sammeltätigkeit dar. Die kommende Auktion für Meisterzeichnungen im Dorotheum am 30. März 2016 beinhaltet eine große Auswahl von Werken auf Papier des 15. – 19. Jahrhunderts, die einen Bogen von altdeutscher Druckgraphik, Werken der italienischen Renaissance und des Barock bis zu Zeichnungen des Klassizismus und der Romantik spannt. Für den jungen Sammler gibt es jedoch vor dem Kauf einige Dinge zu beachten.

1. Den Blick anhand von Originalen schulen

Wer mit dem Sammeln von alten Meisterzeichnungen beginnt, sollte sich vorab ein solides Basiswissen über Papiere, künstlerische Techniken sowie die unterschiedlichen Funktionen der Zeichnung in den jeweiligen Epochen aneignen. Bevor man also mit einer stilistischen Einordnung beginnt, sollte man zunächst einen Blick auf das vom Künstler verwendete Papier und ein eventuell vorhandenes Wasserzeichen werfen. Damit lässt sich die zeitliche Einordnung einer Zeichnung meist sehr präzise eingrenzen, es gibt auch Werke „im Stil“ eines Künstlers, die auf den ersten Blick sehr authentisch aussehen können, sich jedoch bei näherem Hinsehen als Kopien auf späterem Papier erweisen. Um sich einen Überblick zu verschaffen empfiehlt es sich, entsprechende Literatur zu dem Thema zu konsultieren, nichts kann jedoch das Studium des Originals ersetzen. Der Studiensaal der Albertina – die zu den größten und wertvollsten graphischen Sammlungen der Welt zählt –  bietet eine hervorragende Möglichkeit zum Studium alter Zeichnungen und Druckgraphiken, die ich jedem Sammler ans Herz legen würde.

2. Papiere, Techniken und Funktionen der Zeichnung
Lot 87: Giovanni Balducci Il Cosci, Christus als Weltenrichter und hl. Maria auf einer Wolke schwebend, umgeben von Engeln und Heiligen, Entwurf für ein Kuppelfresko, Feder und Pinsel in brauner Tusche, über Spuren schwarzer Kreide auf Bütten, Schätzwert € 2.500 – 3.000

Die vom Künstler verwendete Technik –  sei es Pinsel, Tuschfeder, Bleistift oder Kreide – stellt neben dem Papier einen wichtigen Hinweis für die zeitliche und lokale Einordnung einer Zeichnung dar und gibt Aufschluss über ihre ursprüngliche Funktion. Von der Renaissance bis zum Barock bestand die primäre Aufgabe der Zeichnung darin, erste Ideen und Detailstudien für eine größere Komposition zu entwickeln, die dann vom Künstler oder den Werkstattmitgliedern umgesetzt werden sollten. In den seltensten Fällen wurde die Zeichnung jedoch vom Künstler als eigenständiges Kunstwerk geschaffen sondern diente als Vorstudie, Ideenskizze oder modello im Prozess der Planung und Entwicklung eines auszuführenden Werkes. Der unterschiedliche Stil und Ausführungsgrad einer Zeichnung ist jeweils in diesem Kontext zu betrachten.

Im 16. und 17. Jahrhundert wurde vor Beginn eines größeren Gemäldes oder Freskos zunächst eine grobe Skizze der gesamten Komposition in Tuschfeder mit Lavierung über schwarzer Kreide angefertigt. Ein Beispiel für eine Vorzeichnung dieser Art ist etwa der Entwurf für ein Kuppelfresko mit „Christus als Weltenrichter“ von Giovanni Balducci Il Cosci (Lot 87).

Es folgten Detailstudien einzelner Figuren, sowie Studien vom Lichteinfall und den schattigen Partien. Hierzu wurden meist farbige Papiere und Kreiden verwendet, mit denen man besonders weiche Übergänge in der Modellierung der Figuren und tonale Werte von Licht und Schatten erzielen konnte. Die Bewegungsabläufe und die Haltung einzelner Figuren wurden meist in einer schnellen Federskizze festgehalten, wie etwa in der Zeichnung von Agostino Carracci (Lot 83), die auf einem Studienblatt mehrere verschiedene Figurenskizzen vereint. Sobald diese vorbereitenden Skizzen ausgeführt waren, ging man zur Anfertigung eines modello über, einer kleinformatigen Version der später auszuführenden Komposition, die oftmals dem Auftraggeber zur Genehmigung vorgelegt wurde. Die vorbereitenden Studien und der modello konnten auch zur Übertragung in das größere Format mit einer Quadrierung bzw. einem Raster versehen sein, um die spätere Ausführung zu erleichtern.

3. Signaturen, Bezeichnungen und Zuschreibungen
Lot 83: Agostino Carracci, Studienblatt mit mehreren Figuren, Skizzen zur hl. Maria Magdalena, hl. Hieronymus, Karikatur eines Zwerges und groteske Gestalten, Feder in brauner Tusche auf Bütten, Schätzwert € 4.000 – 6.000

Im Gegensatz zu Gemälden sind Zeichnungen alter Meister in den meisten Fällen nicht vom Künstler signiert, was die Frage der korrekten Zuschreibung und die Identifizierung des Künstlers erschwert. Oft sind auf der Rückseite eines Blattes oder dem Passepartout alte Zuschreibungen und Besitzervermerke angebracht, die einen nützlichen Hinweis auf die Provenienz und die mögliche Identität des Künstlers geben können. Was jedoch die Zuschreibung anbelangt, gelten diese Bezeichnungen nur als bedingt hilfreich, da sie meist nur die Meinung eines ehemaligen Sammlers wiederspiegeln und stets hinterfragt werden müssen.

Lot 84: Francesco Brizio, Höfische Gesellschaft beim Musizieren an einem Bankett, bezeichnet „Anibal Caracci“, Feder in brauner Tusche über Spuren roter Kreide auf Bütten, Schätzwert € 6.000 – 8.000

Ein Beispiel dafür ist etwa der Entwurf von Francesco Brizio (Lot 84), der ehemals als das Werk von Annibale Carracci galt und mit dieser Zuschreibung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in diversen Sammlungen war und erst nach einer neuen Untersuchung als Werk seines weniger bekannten Zeitgenossen identifiziert wurde. Auch der Bezug einer Skizze zu einem ausgeführten Gemälde kann für eine sichere Zuschreibung ausschlaggebend sein. Oft sind bereits andere Studien des Künstlers zu einem Gemälde publiziert, was die Zuschreibung und zeitliche Einordnung einer Zeichnung erleichtert. 

4. Die Zeichnung als Sammelobjekt
– Marktpreise, Authentizität und Gutachten 
Lot 88: Giovanni Battista Tiepolo, Allegorie des Verdienstes (recto), Studie eines Pferdekopfes (verso), nummeriert „421“, Feder in brauner Tusche über Spuren schwarzer Kreide, braun laviert auf Bütten, Schätzwert € 6.000 – 8.000

Im Verhältnis zu Gemälden sind die Preise für Papierarbeiten alter Meister noch immer relativ erschwinglich. Eine kleine Skizze eines anonymen italienischen Künstlers ist oft schon für ein paar hundert Euro zu bekommen, doch auch Zeichnungen bekannter Künstler sind für den jungen Sammler von Papierarbeiten leistbar.

Der Entwurf für ein Fresko mit einer „Allegorie des Verdienstes“ von Giovanni Battista Tiepolo (Lot 88) oder die Studie zu „Venus und Cupido“ von Luca Cambiaso (Lot 82) sind Beispiele für hervorragende Werke dieser Künstler, die preislich bei einem Bruchteil eines vergleichbaren Gemäldes liegen. In jedem Fall sollte man sich vor der größeren Investition in eine Zeichnung, die als authentisches Werk eines Künstlers am Auktionsmarkt oder im Kunsthandel angeboten wird, nach vorhandenen Gutachten oder der Bestätigung der Zuschreibung durch einen Experten erkundigen. Oft können der Wert und die Bedeutung einer Zeichnung durch die Präsentation in einer Ausstellung oder die Publikation in einer Monographie gesteigert werden. Grundsätzlich empfehle ich jedoch jedem, in eine Zeichnung nur dann zu investieren, wenn sie den persönlichen Geschmack trifft und man mit dem Kunstwerk auch eine Zeit leben möchte.

5. Zur richtigen Aufbewahrung von Zeichnungen
Lot 82: Luca Cambiaso, Venus und Cupido, um 1550, Feder in brauner Tusche auf Bütten, Einfassungslinie in schwarzer Feder, Schätzwert  € 10.000 – 12.000

In den seltensten Fällen erwirbt man bei einer alten Zeichnung ein makelloses Blatt in tadelloser Erhaltung. Oft sind die Papiere gebräunt, stockfleckig und weisen kleine Einrisse und alt restaurierte Fehlstellen auf. Kleine Schäden und altersbedingte Gebrauchsspuren können von einem Papierrestaurator fachmännisch repariert werden, um jedoch den Erhaltungszustand einer Zeichnung nicht weiter zu gefährden ist eine sichere Aufbewahrung unumgänglich. Da die Papiere und verwendeten Zeichenmaterialien sehr empfindlich auf UV-Licht reagieren, sollte bei der Hängung darauf geachtet werden, dass die Blätter nicht dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind. Auch Räume mit einer hohen Luftfeuchtigkeit oder Kellergeschoße sollten als Aufbewahrungsort vermieden werden, da die Feuchtigkeit zur Bildung von Stockflecken im Papier führen kann. Ein Passepartout aus säurefreiem Karton sowie die Rahmung hinter einem UV-filternden Museumsglas können Schäden dieser Art vorbeugen.

Haben wir Ihr Interesse an Meisterzeichnungen geweckt? Werfen Sie gleich einen Blick auf das Angebot der kommenden Auktion!

Lot 117: Franz Caucig, Der Abschied Hectors von Andromache, Feder in brauner Tusche, grau laviert auf Bütten, Schätzwert € 5.000 – 7.000

Meisterzeichnungen, Druckgraphik bis 1900
Aquarelle und Miniaturen
Mittwoch, 30. März, 14 Uhr
Palais Dorotheum Wien

Für eine kostenlose, unverbindliche Beratung steht Ihnen unsere Expertin gerne zur Verfügung.

Mag. Astrid-Christina Schierz
Tel. +43-1-515 60-546
astrid.schierz@dorotheum.at

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