Venedig verdankte seine Beliebtheit im 19. Jahrhundert einem Phänomen, das bereits mehr als 100 Jahre vorher seinen Ausgang genommen hatte: Wohlhabende junge Männer aus Nordeuropa setzten ihrer klassischen humanistischen Erziehung einen krönenden Abschluss und begaben sich auf Grand Tour – auf eine Reise nach Italien.
Hatten im 18. Jahrhundert so berühmte Maler wie Canaletto und Guardi die große Nachfrage nach Venedig-Veduten gestillt, wurde die Tradition der Vedutenmalerei im frühen und mittleren 19. Jahrhundert von Ippolito Caffi (1809–1866) hoch gehalten (Lot 1117). In seiner Ansicht von Venedig im Mondlicht wird die Stadt zum geheimnisvollen Objekt der Beobachtung. Dass Caffi das Sujet immer wieder aufgriff, verwundert angesichts seiner Beliebtheit wenig. So finden sich drei weitere Versionen dieser Arbeit in den Sammlungen des Ca’ Pesaro Museums für moderne Kunst, des Städtischen Museums von Belluno und des Städtischen Museums Revoltella in Triest.
Caffi wurde 1827 an der Accademia di belle arti di Venezia aufgenommen, die er als herausragender Landschaftsmaler wieder verlassen sollte. Er hielt sich von 1832 bis 1848 in Rom auf, kehrte aber immer wieder nach Venedig zurück. Beide Städte hielt er in lebendigen Farben und wechselnden Lichtverhältnissen malerisch fest.
Venedigs spezifische Anmut und Leuchtkraft machte die Lagunenstadt für viele Künstler des 19. Jahrhunderts zur Einnahmequelle. Sie fanden hier eine Möglichkeit vor, die steigende Nachfrage der neureichen Bourgeoisie nach Souvenir-Veduten zu stillen.
Auch Guglielmo Ciardi (1842–1917) war zeit seines Lebens von der Architektur Venedigs und seiner Bewohner fasziniert (Lot 1152). Mehrfach porträtierte er die Stadt im Laufe seiner künstlerischen Laufbahn. Ciardi, der als einer der bedeutendsten Freilichtmaler Italiens gilt, studierte unter dem Landschaftsmaler Domenico Bresolin (1814–1890) an der Accademia in Venedig. Inspirationen holte er sich bei Studienreisen durch ganz Italien. So entdeckte er in Florenz durch die Begegnung mit Silvestro Lega (1826–1895) und Telemaco Signorini (1835–1901), in Rom durch Nino Costa (1826–1903) und in Neapel durch Domenico Morelli (1823–1901) seine Leidenschaft für die Freilichtmalerei, von der seine Arbeiten fortan geprägt waren. Von seiner Rückkehr nach Venedig bis an sein Lebensende versuchte Guglielmo Ciardi, die Atmosphäre in der Lagune einzufangen.
Das zur Auktion gelangende Gemälde offenbart Ciardis Gabe, Licht in seltener Perfektion festzuhalten. Seine Pinselstriche geben das Wasser in geradezu modernistischer Manier wieder. Beim Anblick des Lichts, das sich auf der Wasseroberfläche spiegelt, zieht uns die Lagune augenblicklich in den Bann. Die Masten mit den bunten Segeln scheinen sich im Rhythmus des Wassers zu wiegen; rechter Hand steht eine Mutter mit ihren zwei Kindern, im Hintergrund Venedig …
Die Lebendigkeit und Farbenpracht der Kompositionen Giuliano Zassos (1833–1889), von denen die meisten den venezianischen Alltag verklären, war vor allem bei Touristen sehr beliebt. Das Werk, das ebenfalls zur Auktion kommt, zeigt einheimische Frauen in eleganter Robe und ein Kind, wie es sich – möglicherweise mit Taubenfüttern – die Zeit vertreibt (Lot 1108).
Weitere bedeutende Venedigbilder gibt es in der Auktion Alte Meister am 19. April zu sehen. Darunter zwei Werke von Giuseppe Bernardino Bison (Lot 98 und Lot 99) und eine Variation des Canal Grande von Michele Giovanni Marieschi (Lot 100).
(myART MAGAZINE Nr. 07/2016)
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts
Donnerstag, 21. April 2016, 17 Uhr, Information: Experten für Gemälde des 19. Jahrhunderts
Auktion Alte Meister
Dienstag, 19. April 2016, 17 Uhr, Information: Experten für Gemälde Alter Meister
Besichtigung: ab 9. April 2016
Palais Dorotheum
Video: Gemälde des 19. Jahrhunderts Preview
