S wie SUPER
Vor 50 Jahren ließ Porsche der Bezeichnung seines Jahrhundertsportwagens erstmals einen Buchstaben folgen. So gab es bisweilen T, E, zwischendurch auch L und S. Letzterer ist der, der den Unterschied macht. Denn es gibt 911er und es gibt den S. Porsche 911 S, eine Annäherung.
VON WOLFGANG HUMER
Es tut sich was in der Welt 1971. In den USA wird Zigarettenwerbung verboten. In der Schweiz dürfen Frauen nun wählen, Österreich macht Bruno Kreisky zum Bundeskanzler und in der DDR Erich Honecker sich zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees. In England meldet Rolls-Royce Konkurs an, während die Sowjets die erste Raumfähre in den Orbit schießen. In New York schlägt Joe Frazier Muhammed Ali und John Lennon singt „Imagine“. In Stuttgart gewinnt Porsche zum dritten Mal in Folge beide großen Klassen in der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Und in Salzburg kauft sich ein Gasteiner Hotelier einen Vorführwagen.
Dieser ist nicht irgendein Auto, sondern ein Porsche 911 S, 2.2 Liter. S wie super, ganz einfach, und schlicht das höchste und schnellste an Gefühlen, das Porsche damals für den sportlich ambitionierten Normalsterblichen im Talon hatte. Der RS war noch nicht geboren und die richtigen Renner waren in homöopathischen Dosen den echten Könnern vorbehalten. Hundertachzig PS bei gut tausend Kilo waren eine ernste Kampfansage, an die Konkurrenz und an das Talent so manchen Fahrers. Letzteres ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass der Bestand von ursprünglich ohnehin nur 1.740 S-Coupés bis heute dramatisch leiden muss.
Das silberne Gasteiner Coupé ist eines der Letzten seiner Art, lief es doch erst im Juli 1971 vom Band. Nur 27 sollten folgen, ehe Ende des Monats die Produktion auslief.
Schon im September, nach dem obligatorischen Ferienmonat im Werk, gab es den neuen 2.4 mit 10 PS plus an Leistung, 150 ccm plus an Hubraum und neuem Getriebe.
Die Hardliner unter den Porsche-Philosophen sind jedoch dem 2.2 geneigter. Zwar mag der neue am Papier manches besser können, doch der alte versprüht mehr das Flair von Rennsport als von Autobahn. Deutlich höher verdichtet, der erste Gang dort, wo er für einen Rennwagen hingehört (links hinten, Anm.), und ein Kreischen im Klang, das für reichlich Gänsehaut zu sorgen vermag. Und der neue? Der hatte ein Klappe hinten rechts am Kotflügel, die für reichlich Unglück an den Tankstellen sorgte. Aber das ist eine andere Geschichte …
Auch die, sagen wir, interessante Ausstattung unseres S deutet darauf hin, dass vielleicht der sportliche Ehrgeiz des Erstbesitzers den Ausschlag für den 2.2 gab. Er selbst nahm nämlich auf einem Sportsitz Platz, während Co-Pilot(in) im Standard-Gestühl eitenhalt anderswo suchen durfte. Auch die elektrischen Fensterheber zeigen, dass es keine Gesellschaft braucht für die Fensterkurbel rechts. Und weil eine Klimaanlage und Beifahrer(in) Gewicht und Ersteres obendrein Leistung kostet, sorgt ein Schiebedach für Abkühlung, wenn im Cockpit der Schweiß ausbricht. Abgerundet wird die sportliche Note von den Zusatzscheinwerfern vorne, und der Motorklang wird von keinem Radio gestört.
Was die Faszination der Stuttgarter Renner ausmacht, darüber gibt es Bücher, die ganze Bibliotheken füllen würden. Aber wie auch immer man zur Marke stehen mag: Seien Sie ehrlich, können Sie wegsehen, wenn ein alter 911er des Weges kommt? Eben! Und wer einmal drinnen sitzt und bei 7.000 Umdrehungen mit feuchter Hand in den nächsten Gang schaltet, der braucht kein Buch zu lesen, um zu verstehen. Ganz einfach.
Wolfgang Humer ist Oldtimer-Experte im Dorotheum.