BRÜSSEL: Das Dorotheum unterwegs

Brüssel

Kaum eine Stadt in Europa wird so verkannt wie Brüssel. Dabei kann Belgiens bestgehütetes Geheimnis mit zahllosen verborgenen Schätzen aufwarten, die zu entdecken so manchen süßen Augenblick bescheren …

von Honorine d’Ursel und Wilfried van Gaver

SABLON

Die Räumlichkeiten der Brüsseler Repräsentanz des Dorotheum befinden sich im altehrwürdigen, vornehme Größe ausstrahlenden Stadtpalais de Lannoy in der Rue aux Laines. Entlang der „Wolstraat“, wie die Straße auch genannt wird, residierten einst die wohlhabenden Höflinge Kaiser Karls V. und die habsburgischen Statthalter. Allerdings war hier auch der städtische Galgen aufgestellt, was den berühmten Anatomen und Hofarzt Andreas Vesalius dazu bewog, sich in der Nähe anzusiedeln. Am Petit Sablon erinnert ein den Grafen Egmond und Hoorn gewidmetes Denkmal daran, dass auch die Mächtigen nicht vor dem tiefen Fall gefeit sind, wenn sie ihr Glück herausfordern.

Der Grand Sablon ist ein buntes Viertel, bekannt vor allem für seine eleganten Antiquitätenläden, etwa Jadis et Naguère oder Costermans. Letzterer, einer der angesehensten Antiquitätenhändler der Stadt, bietet in den stattlichen Räumlichkeiten eines Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert erlesene Möbel aus derselben Epoche feil. Zu den Kunst- und Antiquitätenhändlern gesellen sich im Grand Sablon angesagte Restaurants, etwa Au Vieux Saint Martin, wo Gaumen und Auge gleichermaßen verwöhnt werden – mit gutem Essen auf den Tellern und Kunst an den Wänden.

Der Bezirk ist heute aber auch ein Hotspot für exklusive Chocolatiers, die mit Belgiens süßester Exportware locken, der Schokolade. Wer wollte sich nicht eine Kostprobe der Kreationen so berühmter Häuser wie Neuhaus, Godiva, Marcolini oder Wittamer auf der Zunge zergehen lassen? Oder eines Newcomers im illustren Reigen der Star-Chocolatiers, Patrick Roger? Seine atemberaubenden Schaufenster zieren Schokoladeskulpturen von monumentaler Größe und äußerst verführerischer, wenngleich nicht gerade kalorienarmer Finesse.

Patisserie Patrick Roger © Patrick Roger
Patisserie Patrick Roger © Patrick Roger

 

MUSEUMSVIERTEL

Die Königlichen Museen der Schönen Künste beherbergen das Fin-de-Siècle Museum mit der Collection Gillion Crowet. Die Sammlung ist ein Lobgesang auf die Glanzzeit des Wohllebens, als das Reich unter König Leopold II. internationale Größe erreichte, wenn auch zu einem hohen Preis. Die Kunstwerke wurden aus den fortschrittlichsten Materialien, die den belgischen Künstlern damals zur Verfügung standen, und in den modernsten Techniken geschaffen; aus ihnen sollten schließlich der Jugendstil, der Symbolismus, der Pointillismus und so viele andere „-ismen“ hervorgehen, an denen sich Kunstliebhaber auf ewig erfreuen werden. In einem anderen Flügel des Gebäudes sind drei Stockwerke ausschließlich dem genialen belgischen Surrealisten René Magritte gewidmet; weitere Etagen werden Kunst des frühen 20. Jahrhunderts beherbergen, womit der Bogen über die Jahrhundertwende gespannt wird.

Place Royale - Koningsplein © Catherine Dardenne, www.visitbrussels.be
Place Royale – Koningsplein © Catherine Dardenne, www.visitbrussels.be

Den Königlichen Museen der Schönen Künste zur Rechten befindet sich das Museum für Musikinstrumente. Der fantastische vierstöckige Bau, der eine der atemberaubendsten, weil schrulligsten Jugendstilfassaden der Stadt Brüssel aufweist, wird von einem Restaurant auf dem Dach gekrönt, das die historische Innenstadt überblickt. Gleich um die Ecke flankieren der Königliche Palast, der Akademiepalast und das Parlament den neoklassizistischen Warandepark. Wer herrschaftliche Räume und glänzende Parkettböden bestaunen möchte, sollte den Königspalast im Sommer besuchen, wenn dieser seine Tore für das gemeine Volk öffnet.

Palais Royal - Koninklijk Paleis © Jean-Pol Lejeune, www.visitbrussels.be
Palais Royal – Koninklijk Paleis © Jean-Pol Lejeune, www.visitbrussels.be

 

INNENSTADT

Schlendern Sie durch die mittelalterlichen Gassen voller Geschäfte, Pita-Bars und Waffelläden zum Großen Markt, dem zentralen Platz mit dem gotischen Rathaus und den prächtigen Zunfthäusern! Von der verglasten Einkaufspassage Galeries Royales Saint-Hubert sind es nur mehr ein paar Schritte zur Brasserie À la Mort Subite, wo das traditionelle Brüsseler Gebräu – der saure Gueuze und der süße Kriek – am besten in Kombination mit einem einfachen Gericht aus Brot, Hüttenkäse und Rettich oder mit in Bier geschmortem Rindfleisch verkostet wird.

Brüssel ©Brasserie À la Mort Subite
© Brasserie À la Mort Subite

An der Brüsseler Börse vorbei, die von den Prachtboulevards Leopolds II. flankiert ist, geht es in Richtung der trendigen Rue Antoine Dansaert. Dieses einst heruntergekommene Künstlerviertel erfuhr massiven Aufschwung durch die Eröffnung von Stijl, der ersten Adresse der Stadt Brüssel für belgische Mode: In dem angesagten Store präsentieren sich Designergrößen von Dries Van Nooten über Raf Simons bis zu Ann Demeulemeester und vielen anderen. Nun sei eine kleine Erfrischung im L’Archiduc empfohlen, wo man mit etwas Glück auf den einen oder anderen Star trifft. In der Pianobar aus den 1950ern scheinen die Uhren stehengeblieben zu sein. Glas, Chrom und Original-Interieur haben das 20. Jahrhundert unbeschadet überdauert; der Klavierspieler und die roten Rosen auf dem Flügel tragen das Ihre dazu bei, das Rundherum vergessen zu machen.

 

BRÜSSEL JENSEITS DES RINGS

Europa hat sich hier gleich mehrere Denkmäler gesetzt; viele dieser imposanten Bauten liegen in strategisch günstiger Nachbarschaft des (perfekt runden) Schuman-Kreisverkehrs. Die Architektur soll beeindrucken, und das tut sie.

Brüssel Kunstzentrum Wiels © www.wiels.org
Kunstzentrum Wiels © www.wiels.org

Das wuchtige postmodernistische Europäische Parlament nimmt Linienführung und Ausmaße des nahegelegenen Bahnhofs Bruxelles-Luxembourg auf, lässt diesen aber geradezu zwergenhaft erscheinen. War das umgebende Viertel in der Zeit der Errichtung des Parlamentsgebäudes zusehends verkommen, hat es sich mittlerweile längst als Tummelplatz jener zehntausenden Parlamentarier und Beamten etabliert, die Europa am Laufen halten. Liebhabern zeitgenössischer Kunst sei das Kunstzentrum Wiels wärmstens ans Herz gelegt. Dieses Kleinod befindet sich in einer eindrucksvollen ehemaligen Brauerei, die vom modernistischen Vorkriegsarchitekten Adrian Blomme entworfen wurde; von der einstigen Funktion des Gebäudes zeugen unübersehbar noch vorhandene Behälter und Installationen. Der Besucher findet hier keine Dauerausstellung vor, sondern kommt in den Genuss von Sonderschauen – etwa von Künstlern wie Franz Erhard Walter, Akram Zaatari, Robert Heinecken, Allen Ruppersley, Rosella Biscotti oder Ana Torfs. Wer sein Geld nicht wieder mit nach Hause nehmen möchte, sollte auf einen Sprung bei Smets vorbeischauen: Dort findet man den letzten Schrei in Sachen Mode inmitten der angesagtesten Designermöbel der Stadt platziert.

Honorine d’Ursel und Wilfried van Gaver sind Repräsentanten im Dorotheum Brüssel.

(myART MAGAZINE Nr. 03/2014)

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