Carla Accardi: Umkehrschluss

Accardi

„Ich sehe das Malen nicht als Arbeit an, sondern als Vergnügen. Es ist für mich das Leben. Ich glaube an die Gabe des Instinkts, der im magischen Sinn des Werks seinen Ausdruck findet. Mir gefällt es, das Leben zum Thema meiner Arbeiten zu machen. Ich mag Gefühle, die nicht ideologisch gefärbt sind. Ich mag die ungezwungene Wärme in menschlichen Beziehungen und begegne den bedeutsamen Dingen zurückhaltend.“ – Carla Accardi

Carla Accardis Malerei ist von Kontrasten und Umkehrungen geprägt, von Bewegung, die darauf abzielt, die Hierarchie der Formen und der Farben zu wenden. Der Weg führt hierbei gezielt über die Zerstörung der Tradition. Mit der Arbeit „Integrazione ovale“ von 1958 gelangt am 27. November 2018 die zum Bild gewordene Auflösung der Form zur Auktion.

Carla Accardi, geboren am 9. Oktober 1924 in Trapani, beendete ihr Studi­um im sizilianischen Palermo, wo sie bis 1947 auch blieb, um ihre Fertig­keiten an der Akademie der Schönen Künste zu perfektionieren. 1947 hielt sie sich in Rom auf, wo die Idee zur Künstlergruppe Forma 1 Gestalt annahm. Deren Name war jenem der Zeitschrift „Forma“ entnommen, die im März 1947 auf Initi­ative einer Gruppe gleichgesinnter italienischer Künstler – unter ihnen auch Accardi – erschien. In dieser einzigen „Forma“­-Ausgabe publizierte man das „Manifest des Formalismus“.

Von starken kosmopolitischen Impulsen getrie­ben, erklärten die Künstler darin ihre Absichten: „Die Notwendigkeit, die italienische Kunst auf das Niveau der zeitgenössischen europäischen Strö­mungen zu bringen, zwingt uns zu einer klaren Haltung gegen jegliche dumme und engstirnige nationalistische Bestrebungen und gegen die nutzlose, klatschsüchtige Provinz, als die sich die italienische Kultur heute darstellt.

“Die jungen Forma­-1-­Künstler waren Verfechter einer strukturierten, aber nicht gegenständlichen Kunst. Sie legten Wert auf Form und Zeichen in deren essenzieller, grundlegender Bedeutung, verzichteten in ihren Werken auf jeglichen symbolistischen oder psychologischen Anspruch und bezeichneten sich selbst als „Formalisten und Marxisten, die überzeugt sind, dass die Begriffe Marxismus und Forma­lismus nicht unvereinbar sind“.

Accardi

Carla Accardi, Integrazione ovale, 1958, Kasein auf Leinwand, 131 x 197 cm Schätzwert €160.000 – €260.000

Interessanterweise kehrten die meisten von ihnen zu einer bild­haften Formensprache zurück und suchten den inneren Dis­kurs mit sich selbst. Von den Künstlern der Gruppe vertrat Carla Accardi die abstrakte Ausdrucksform in diesem inneren Diskurs am vehementesten. Sie war stets auf der Suche nach einer möglichst intimen, nicht gegenständlichen Ausdrucksweise.

In den frühen 1950er-­Jahren wurde eine tief greifende Internatio­nalisierung der italienischen Kunstszene offenkundig, die Impulse sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland aufnahm: Die italienischen Galeristen gewannen zunehmend Ausstellungen aus Übersee für sich, Venturi hielt Vorträge über die New Yorker Avantgarde, und Schriftsteller wie Flaiano, Moravia oder Elsa Morante intensivierten vorhandene Tendenzen zur Derealisierung des Erzählens zugunsten einer imaginären Sprache. 1951 kamen immer mehr Fotografien von Namuth in Umlauf, die Pollock im Schaffensprozess seiner Dripping­-Werke zeigten, die auf dem Boden ausgelegten leeren Leinwände mit Tanzschritten umkreisend.

Rom, „Premio di Pittura, Sorelle Fontana”, 1959. Blid von Archivio Accardi Sanfilippo

So entstand die Idee der „Weiß auf Schwarz“-­Kompositionen. Carla Accardi: „Es war ein Krisenjahr, ich war entmutigt und meinte, mit der Malerei nichts mehr anfangen zu können. In dieser Isoliertheit begann ich, direkt am Boden zu malen und Zeichen zu skizzieren. Ich verwendete jedoch Weiß auf Schwarz, da mich Schwarz auf Weiß nicht reizte – wegen seiner Durchschaubarkeit und weil der Künstler in diesem besonderen Moment ein Gefühl der Einzigar-­ tigkeit, der Neuheit haben muss, das ihn antreibt.“

Zwischen den Linien taucht eine Anti­-Malerei auf, bestehend aus Kontrasten und Umkehrungen, aus einer Bewegung, die darauf abzielt, die Hierarchie der Formen, der Farben und der Beziehun­gen zwischen der absoluten und der individuellen Vision umzu­kehren, wobei der Weg über die Auflösung und Zerstörung der Tradition führt. Genau das sucht Accardi in ihrer Malerei, wo ein Zeichen nicht allein für sich existieren kann, sondern in Bezug zu anderen Zeichen steht, mit diesen eine Struktur bildet und darin zum künstlerischen Ausdruck wird. Das magische und kluge Gan­ze erlangt die Bedeutung einer rigorosen Notwendigkeit, bleibt zugleich aber ein unberechenbares Spiel.

Dieses Werk von Carla Accardi ist Teil der Zeitgenössische Kunst Auktion am 27. November, 2018.  HIER geht’s zum Online Katalog!

Andere Werke der Künstlerin sind finden Sie in der Zeitgenössische Kunst Auktion Teil II am 29. November.  Sehen Sie jetzt den Online Katalog!

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