Alles fließt
Der Name Zaha Hadid steht quasi als eigenes „Label“ für eine visionäre Architektur-Ästhetik, die alle Spielarten von Design einschließt. Das zeigen auch die vielen von Hadid entworfenen Stücke, die seit über 20 Jahren erfolgreich in den Dorotheum Design-Auktionen verkauft werden.
Jenseits der Debatte Moderne versus Postmoderne verstand es die 2016 im Alter von nur 65 Jahren verstorbene, von Großbritannien aus agierende irakisch-britische Architektin, mit komplett neuen Raumkonzepten zu experimentieren. Der visionär-konzeptuelle Ansatz war Hadid, die am Anfang ihrer Karriere viele Absagen wegen Unrealisierbarkeit kassierte, immer bewusst:
„Ich glaube jedenfalls daran, dass ich in der Architektur etwas ausdrücken kann, von dem wir noch nicht ahnen, dass es möglich ist – eine Ordnung der Dinge, ein anderer Blick auf die Welt.“
Visionär in der Perspektive
Kühne Linearität und multiple Perspektiven kennzeichnen Hadids Werke im Großen wie im Kleinen – ob es sich um Gebäude wie das Opernhaus Guangzhou oder die Innsbrucker Bergisel-Schanze, um ein Sofa oder ein Kaffee- und Teeservice handelt. Der intellektuelle Ansatz der 2004 mit dem Pritzker-Preis – sozusagen dem Architektur-Oscar – Ausgezeichneten basierte auf Gemälden des sowjetischen Konstruktivisten und Suprematisten Kasimir Malewitsch. „Wir können Raum nur erkennen, wenn wir uns von der Erde befreien, wenn der Unterstützungspunkt Bezugspunkt verschwindet“, zitierte ihn Zaha Hadid in ihrer Abschlussarbeit an der Architectural Association School of Architecture in London. Dafür plante sie – unter anderem unter der Ägide von Rem Kolhaas – ein Hotel auf einer Londoner Brücke.
Herkömmliche Architekturzeichnungen waren ihr nicht genug, sie nutzte Malewitschs Sinn für Abstraktion als investigatives Prinzip. Hadid über ihren zentralen, frühen Impulsgeber: „Meine ganze Arbeit führt seine Ideen weiter, wie Fragmentierung Krümmung und Bündelung. Die Ideen von Leichtigkeit, vom Fließen und von Durchlässigkeit kommen alle aus dieser Auseinandersetzung.“
Hybridisieren, Verwandeln, Entterritorialisieren, Deformieren gelten ihr als Prinzipien, die Diagonale tritt an die Stelle des Primats des rechten Winkels und des Rasters. Karl Lagerfeld, der 2007 einen mobilen Ausstellungspavillon bei Hadid in Auftrag gab, lobte die Architektin als „die Erste, die einen Weg gefunden hat, sich von der alles beherrschenden Post-Bauhaus-Ästhetik zu lösen“. Hadids Werke, schrieb der Architekturhistoriker Philip Jodidio, „ähneln einander im Hinblick auf den Fluss ihrer Grundrisse und der Dynamik von Raum und Oberfläche“.
Abgehoben, futuristisch, immer aber auch cool, elegant und praktisch:
Diesen Spagat schaffen Zaha Hadids Entwürfe auf grandiose Weise. So etwa das „Project in Red“-Sofa – eines der raren Exemplare wechselte heuer im Dorotheum für 8.250 Euro den Besitzer. Es ist Teil der großen Wave-Collection, die 1988 im Mailänder Nachtclub „Studio 54“ der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Es war zum damaligen Zeitpunkt eines der avantgardistischsten Projekte, produziert von der italienischen Firma Edra. Deren damaliger Creative Director Massimo Morozzi war auch Architekt. Damals wurden in einer tollen Show zwei weitere Sofas präsentiert, eines davon „Woosh“. Dieses Modell, eine Sitzgelegenheit wie erstarrte Bewegung, die einmal mehr für die konzeptuelle Qualität bei Hadid steht, wurde ein großer Erfolg und ging im Lauf der kommenden Jahre in kleiner Auflage in Serie. Das „Project in Red“-Sofa blieb da singulärer – und extrem selten.
Flüssiges Licht
Mit dem „VorteXX Chandelier“ katapultierte Zaha Hadid das Prinzip Lichtgestaltung und Lampe in eine andere Dimension. Eine wie flüssig aus der Decke kommende, eineinhalb Meter hohe Spirale aus glasfaserverstärktem Polyester kann mittels LED-Modulen unterschiedlichste dynamische Lichtstimmungen erzeugen. Der von Hadid und Patrick Schuhmacher 2005 entworfene, von der österreichischen Firma Zumtobel Lighting zwei Jahre später ausgeführte Leuchter Nr 6. erzielte 2010 bei der Design-Auktion 151.800 Euro.
Lichtobjekt, Möbel und Skulptur – selbstredend sind die Grenzen gerade bei Hadids Objekten fließend. „Flow“ benennt sich auch die überdimensionale Vase aus organischen Formen, aufgelegt in einer 12er-Edition. Für das Exemplar mit der Seriennummer 12 legte ein Design-Enthusiast im Frühjahr 75.000 Euro aus. Hadids Prinzip der Fragmentierung und Neukomposition veranschaulicht besonders ihr tendenziell eckiges Tee- und Kaffeeset von 1997, das an ihren ersten realisierten Bau, das Vitra Feuerwehrhaus in Weil am Rhein, erinnert. Die vier Teile der von Sawaya & Moroni in zehn Stück aufgelegten Serie stehen jeweils für sich. Zusammengeschoben wie ein 3-D-Puzzle, können sie ein kohärentes Ganzes ergeben, das Ensemble wirkt wie Architektur en miniature.
Unikatcharakter wiederum hat die aus massiver Esche vier Mal gefertigte „Ordrupgaard Bench“ Mod. PP 995 durch die Signaturen der Teilnehmer an der United Nations Climate Change Conference 2009 in Kopenhagen (erzielter Preis: 50.000 Euro).
Das Universum Zaha Hadid erfasst man nicht in Einzelstücken. Wie kaum jemand konnte sie ganze Environments und urbane Räume in zeitloser Qualität schaffen. So schockierend ihr früher Tod kam, so beruhigend ist es auch zu wissen, dass die Ideen der Architektin von ihrem Studio weitergeführt werden.