Eine verschollene büßende Magdalena von Tizian

Ein verschollener Tizian, einst Teil der berühmten Sammlungen von Königin Christina von Schweden (1629–1689) und Herzog Philipp II. von Orléans (1674–1723), wird bei der Auktion Gemälde Alter Meister am 11. Mai 2022 im Wiener Dorotheum versteigert.

Die Büßende Magdalena war das erfolgreichste Bildthema im Schaffen Tizians, mit dem er am häufigsten beauftragt wurde. Die Nachfrage nach Gemälden der Heiligen dauerte über vier Jahrzehnte an. In diesem Zeitraum nahm der Künstler wiederholt subtile Veränderungen vor und überarbeitete die Komposition – womöglich auf der Suche nach Vollkommenheit, vielleicht auch bloß, um Mäzene mit ihrer eigenen individualisierten Fassung des Sujets zu versorgen. Die wissenschaftliche Forschung hat sich eingehend mit Tizians Büßender Magdalena beschäftigt, doch die im Dorotheum zum Verkauf angebotene Version wurde erst jüngst von Kunsthistorikern entdeckt. Es handelt sich um eines der fehlenden Glieder in der Kette von Tizians Werkgeschichte.

 

Die Fassung im Dorotheum, die am 11. Mai 2022 in der Auktion Gemälde Alter Meister zur Versteigerung kommt, weist eine erlesene Provenienz auf. Sie befand sich einst in einigen der bedeutendsten je zusammengetragenen Kunstsammlungen, darunter jenen von Königin Christina von Schweden und Herzog Philipp II. von Orléans.

Tiziano Vecellio, gen. Tizian (1485/90–1576), Die Orléans-Magdalena, Öl auf Leinwand, 115 x 96,7 cm, Auktion 11. Mai 2022

Rudolf II.

Möglicherweise gehörte das Gemälde ursprünglich zur Sammlung des Heiligen Römischen Kaisers Rudolf II. in Prag, von wo aus es nach der Plünderung Prags am Ende des Dreißigjährigen Krieges nach Schweden gelangt sein könnte.

Königin Christina von Schweden

Mit Sicherheit steht fest, dass das vorliegende Gemälde nach 1648 Teil der herausragenden Kunstsammlung der schwedischen Königin Christina war.

Christina von Sweden (1626-89) zu Pferd, 1653 (Öl auf Leinwand) von Bourdon, Sebastien (1616-71); 383x291 cm; Prado, Madrid, Spanien. Inv. Nr. P001503, © Bridgeman Images

Christinas Leben war geprägt von Dramatik und Leidenschaft und wurde ohne Kompromisse gelebt. In einer Zeit, in der selbst mächtige Frauen durch Konformität eingeengt wurden, war sie entschlossen, nach ihren eigenen Regeln zu leben. Sie wurde wie ein männlicher Thronfolger ausgebildet, sowohl in Kunst und Geisteswissenschaften als auch in Staatskunst und Diplomatie. Ihr Privatleben war rätselhaft – sie blieb unverheiratet, hatte enge Beziehungen zu Männern und Frauen, trug häufig Männerkleidung (ob freiwillig oder aus Zweckmäßigkeit) und war daher zeitlebens von Gerüchten und Intrigen umgeben. Sie wurde in die religiösen Wirren des Dreißigjährigen Krieges hineingeboren, in dem Schweden der führende protestantische Akteur war. Trotz der Position ihres Landes konvertierte Christina zum römischen Katholizismus, verzichtete auf den Thron und dankte im Alter von 28 Jahren ab. Auf Einladung des Papstes zog sie mit ihrer großen Kunstsammlung, darunter 70 bis 80 ihrer großen italienischen Gemälde, darunter Tizians und Raffaels, nach Rom.

Lauri, Filippo und Gagliardi, F.: Empfang vor dem Palazzo Barberini zu Ehren von Christine von Sweden. Rom, Museo di Roma, Inv. Nr. MR 5698, © 2022. Foto Scala, Florenz

Herzog Philipp II. von Orléans

Nach ihrem Tod erwarb Herzog Philipp II. von Orléans, der Regent Ludwigs XV., ihre Gemälde. Abgesehen von Europas großen historischen königlichen Sammlungen war seine unbestritten die bedeutendste und berühmteste Sammlung westlicher Kunst, insbesondere italienischer Gemälde, die je aufgebaut worden war.

Jean-Baptiste Santerre, Porträt Herzog Philipp II. von Orléans, Birmingham Museum & Art Gallery, Inv. Nr. 1967P52, ©Foto von Birmingham Museums Trust, lizenziert unter CC0.

AUKTION
GEMÄLDE ALTE MEISTER 

11. – 12. Mai 2022
Palais Dorotheum Wien

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