Faszinosum Farbe: Die abstrakte Kunst steht programmatisch für die Erforschung von Farbe und Licht – mehr noch, sie macht Licht und Farbe zum Thema der Malerei. Exemplarisch dafür stehen drei Werke der Künstler Imi Knoebel und Heinz Mack, die im Juni zur Auktion gelangen.
Phänomen Farbe
Die Erforschung der physikalischen, physiologischen, psychologischen und kulturellen Aspekte des Phänomens Farbe beschäftigt seit jeher die großen Theoretiker und Künstler. Farbe definiert sich als ein durch Licht hervorgerufener Sinneseindruck, Farbwahrnehmung als eine subjektive Empfindung. „Unsere Fähigkeit, Farbe zu sehen und zu erleben, und unser Wissen über sie verdanken wir den fortschreitenden Entdeckungen vor allem der Maler“, so der Bildhauer und Kunstschriftsteller Hans Joachim Albrecht in „Farbe als Sprache“ (1979). „Diese dem Auge gewidmete Entwicklung vollzieht sich in einem dialogischen Wechsel von Gestaltung und Reflexion.“
Auch der Expressionist Franz Marc beispielsweise beschäftigte sich sein gesamtes künstlerisches Leben lang sehr intensiv mit dem Thema Farbe und ordnete jeder Grundfarbe einen individuellen Charakter zu. An August Macke schrieb er: „Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig. Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich. Rot die Materie, brutal und schwer und stets die Farbe, die von den andern beiden bekämpft und überwunden werden muss!“
Die Rolle der Farbe in der zeitgenössischen Kunst lässt sich exemplarisch an drei Arbeiten Imi Knoebels und Heinz Macks aufzeigen, die im Juni im Dorotheum zur Auktion kommen.
Imi Knoebel
Ausschließlich die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau verwendete Imi Knoebel für seine großformatige Arbeit aus der Serie „Ich Nicht“. Die drei Grundfarben formieren sich auf dem Bildträger in rechteckigen geschlossenen Flächen, der deutlich sichtbare Pinselduktus ist dynamisch gewählt. Die Primärfarben eröffnen eine unendlich weitreichende Thematik: „Ein Thema mit endlosen Variationen; klassisch und doch nie nicht modern; höchste Konzentration und Verdichtung in einem Werk, während gleichzeitig alle anderen Möglichkeiten gegenwärtig sind; Einfachheit, die immer wieder gefunden werden muss, und Komplexität, die nicht zu bewältigen ist“, heißt es im Katalog des Wilhelm-Hack-Museums zur Ausstellung „Imi Knoebel. Werke von 1966 bis 2006“ (2007). Imi Knoebel hat die reduzierte Formensprache und Farbpalette bewusst gewählt. Vor allem die Wirkung großer, monochromer Farbflächen und -streifen fasziniert ihn.
Eine zweite angebotene Arbeit von Imi Knoebel gehört zur Werkreihe „Pure Freude“. Benannt nach dem gleichnamigen Plattenlabel seiner Frau Carmen, beschäftigt sich diese mit der Wirkung von Farben und Formen. Die Werke der Serie, 2001/2002 entstanden, sind minimalistisch, erzielen aber dennoch eine intensive Raumwirkung – man mag sich in ihrer Gestaltung an die in den 1960er-Jahren in den USA praktizierte Stilrichtung der Farbfeldmalerei, beispielsweise eines Barnett Newman, erinnert fühlen. Der Titel „Pure Freude“ weckt zudem Assoziationen an Paul Klee und dessen Theorie der Reinheit der Farbe. Bei den Werken dieser Serie erscheinen die Farben monochrom in einzelnen, voneinander abgrenzten Farbfeldern auf Aluminium. Imi Knoebel setzt auch in dieser Arbeit den Pinselstrich sichtbar ein, sodass sich bei genauer Betrachtung eine Strukturierung der zunächst glatt erscheinenden Fläche des Bildträgers erschließt. Das Werk „Pure Freude Nr. 39“ besticht durch seine streng geometrische Anordnung der beiden Farbfelder.
Heinz Mack
„Ohne Farbe kann ich nicht leben, sie bedeutet Schönheit, Sinnlichkeit und Energie“, lässt Heinz Mack anlässlich der Eröffnung der Ausstellung zu seinem 90. Geburtstag im Düsseldorfer Kunstpalast im Frühjahr 2021 sein Publikum wissen. Die Auseinandersetzung mit dem Farbspektrum, das durch die Brechung des Lichtes entsteht, ist charakteristisch für Arbeiten des Zero-Künstlers Mack und bereits seit den 1960er-Jahren ein wichtiger Bestandteil seines Œuvres. Die im Dorotheum angebotene Arbeit „Großes Farblicht“ aus dem Jahr 1994 zeigt eine große farbige Raute auf weißem Grund. Der Künstler kombiniert hier die kühlen Farben Blau und Grün im oberen Bereich mit den warmen Farben Gelb und Orange im unteren Bereich. Bei näherer Betrachtung sind die einzelnen Farbabstufungen deutlich zu erkennen. Hauptgegenstand dieser Arbeit ist also nicht die Farbe im Allgemeinen, sondern vor allem das Licht und dessen Wirkung in Form von Farbe im Speziellen. Einer prismenartigen Lichtbrechung auf weißem Grund gleich erscheinen die Farben des Gemäldes und vermögen so ihre Farbkraft zu maximieren.
AUKTION
Zeitgenössische Kunst, 23. Juni, 16 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386