Giuseppe Sciuti: Sizilianisches Erbe

Giuseppe Sciuti war ein Star seiner Zeit. Seine Porträts, Genre- und Historienbilder wurden international ausgestellt und geschätzt; zu Sciutis Bewunderern zählte auch Erbprinz Umberto von Savoyen. In der Herbstauktion des Dorotheum gelangt nun die größte und wichtigste Privatsammlung von Werken Giuseppe Sciutis zur Versteigerung.

Die Bedeutung dieser Giuseppe-Sciuti-Sammlung ergibt sich nicht zuletzt aus der lückenlosen Provenienz, die bis zum Künstler zurückzuverfolgen ist. An ihrem Beginn steht ein gewisser Alfio Tomaselli (1846–1915), ein enger Freund des Künstlers. Über zwei Jahrzehnte nahmen die Gemälde, die sich in ausgezeichnetem Zustand befinden, einen zentralen Platz in der Familie ein, die sie nun veräußert. Ungeachtet des überaus großen Erfolges Sciutis zu Lebzeiten kam sein Werk nach seinem Tod aus der Mode. Es wurde erst 1989 im Zuge einer Ausstellung in der Galleria d’Arte Moderna in Palermo wiederentdeckt.

Porträt des Künstlers, Rom, Oktober 1902
Porträt des Künstlers, Rom, Oktober 1902

Giuseppe Sciuti wurde 1834 in Zafferana Etnea, einem kleinen sizilianischen Dorf am Fuße des Ätna, geboren. Schon als Kind legte er beim Zeichnen großes Geschick an den Tag. Zunächst wurde er vom Bühnenbildner Giuseppe di Stefano angeleitet, später erhielt Sciuti Unterricht vom klassizistischen Maler Giuseppe Gandolfo (1792–1855) im sizilianischen Catania.

Nachdem das Anwesen seines Vaters bei einem Ausbruch des Ätna verschüttet wurde, musste der junge Sciuti als Dekorationsmaler seinen Lebensunterhalt bestreiten. 1863 reiste er nach Florenz, wo er die – vorwiegend jungen – Vertreter der Macchiaioli- Gruppe kennenlernte, darunter Telemaco Signorini und Silvestro Lega. Durch sie kam er erstmals mit der Freilichtmalerei in Kontakt, die damals noch in den Kinderschuhen steckte.

1867 übersiedelte der Künstler nach Neapel, wo er die nächsten acht Jahre verbrachte. Er war gefesselt vom innovativen Malstil und der Technik des Domenico Morelli – und ließ sich von ihm inspirieren. Bei seiner ersten Ausstellung an der Società Promotrice di Belle Arti in Neapel fanden Sciutis Arbeiten großen Zuspruch von Filippo Palizzi sowie vom Erbprinzen Umberto von Savoyen und dessen Gemahlin.
In dieser Periode entwickelte Sciuti einen unverwechselbaren Stil. 1873 malte er die ersten von der griechischen und römischen Antike inspirierten Werke. Drei Arbeiten wurden 1873 bei der Weltausstellung in Wien präsentiert, darunter das Gemälde „Pindaro che esalta un vincitore die giochi olimpici“ („Pindar preist einen siegreichen Athleten bei den Olympischen Spielen“), das heute in der Accademia di Belle Arti di Brera in Mailand zu sehen ist. Zu jenem Zeitpunkt wurde Sciuti der klassizistischen oder pompejanischen Strömung zugerechnet, die in der Malerei auf griechische Motive zurückgriff.

Sciuti ließ sich 1875 in Rom nieder. Immer wieder verschlug es ihn fortan aber in seine alte Heimat, um dort zu arbeiten. Er war auch als Fresko maler außerordentlich erfolgreich, erhielt zahlreiche prestigeträchtige Aufträge auf Sizilien, etwa für den Sitz der Provinzialverwaltung von Sassari und für die Kathedrale von Acireale. Ebenso bedeutsam war der Auftrag zur Gestaltung eines Vorhangs für das Opernhaus Teatro Massimo Bellini im sizilianischen Catania. Eine Studie zu dieser Arbeit, „Trionfo dei catanesi sui libici“ („Sieg der Catanesi über die Libyer“), ist unter den Werken, die im Dorotheum zur Versteigerung kommen. Letztere Arbeit dürfte Sciuti dazu veranlasst haben, ein weiteres Historiengemälde anzufertigen: Wie der Titel „Ruggero che esce dal palazzo reale dopo l’incoronazione“ besagt, stellt es „Rüdiger beim Verlassen des Palastes nach seiner Krönung“ dar und war für das Teatro Massimo in Palermo bestimmt. Nachdem Sciuti eine mondäne Residenz in der Via dei Villini in Rom erstanden hatte, wurden 1890 einige seiner Arbeiten bei einer Ausstellung in London gezeigt.

Scuitis Wirken lässt sich in drei Werkphasen gliedern: Zu Beginn – und bis ans Ende seiner Laufbahn – fertigte er Porträts an, für die oft Familienmitglieder Modell standen. Später erwarb er sich einen ausgezeichneten Ruf als Genremaler, etwa mit Werken wie „Le gioie della buona mamma“ („Die Freuden der guten Mutter“) und „Dolce disturbo“ („Süße Verstimmung“), die beide ebenfalls zur Versteigerung gelangen. In seiner Spätphase entwickelte Sciuti einen eigenen Stil der griechischen und römischen Historienmalerei und erntete auch in diesem Bereich größte Anerkennung.

(myART MAGAZINE Nr. 06/2015)

Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts
Donnerstag, 22. Oktober 2015, 17 Uhr
Vorbesichtigung: 10. Oktober – 21. Oktober 2015
Palais Dorotheum

Weitere Informationen zu den Werken Sciutis oder der Auktion allgemein finden Sie im Online Katalog!

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