Sammlung Glaser: Von Österreich nach Irland

Gustav Klimt, Tafelfreuden (Studie für das Stadttheater in Karlsbad), 1886, Öl auf Papier, 52 x 63 cm, Schätzwert € 50.000 – 70.000

Gemälde von Rudolf von Alt, Gustav Klimt und Alfons Walde sowie eine seltene Serie von Bildern mit Motiven von k.u.k. Kriegsschiffen würde man wohl kaum in einer Privatsammlung in Irland vermuten. Ebenso erstaunlich ist auch die Biografie des Sammlers selbst, der diese Bilder mit Begeisterung, großem Wissen und einem geschulten Auge für Qualität erworben hatte.

Otto Glaser war knapp zwölf Jahre alt, als er 1938 an das Blackrock College in Dublin kam. Zunächst konnte er sich dort mit Latein besser verständigen als mit den wenigen englischen Wörtern, die er sich kurz zuvor angeeignet hatte.

Otto Glaser als Kind, Foto: Privatbesitz
Otto Glaser als Kind, Foto: Privatbesitz

Er war auf der Flucht: Seine Eltern hatten ihn, den einzigen Sohn, zusammen mit dem letzten Kindertransport nach Irland geschickt, in kluger Einschätzung der sich anzeigenden politischen Entwicklungen. Sein Vater, Otto senior, war jüdischer Herkunft und Beamter im Finanzministerium der Regierung Schuschnigg gewesen. Kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde er ins Konzentrationslager Dachau deportiert, das er glücklicherweise überlebte. Seiner Mutter und gläubigen Katholikin Anna Glaser gelang es, ihren Sohn nicht nur nach Irland, sondern auch in die Obhut des katholischen Blackrock Colleges zu bringen, wo er bald als brillanter Schüler Anerkennung gewann. Nach der Schule erhielt er ein Stipendium für das University College, das er 1946 mit einem Master of Science in Physik und Chemie verließ.

Rudolf von Alt, Das Obere Belvedere in Wien, 1872 Aquarell und Weißhöhung auf, Papier, 24,7 x 37,5 cm, Schätzwert € 28.000 – 40.000, Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 24. Oktober 2023
Rudolf von Alt, Das Obere Belvedere in Wien, 1872 Aquarell und Weißhöhung auf, Papier, 24,7 x 37,5 cm, Schätzwert € 28.000 – 40.000, Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 24. Oktober 2023

1947 konnte Otto Glaser endlich wieder nach Wien zu seinen Eltern und beendete hier seine Studien als Doktor der Atomphysik. Mit Österreich und dem Erbe eines kultivierten, innovativen Europas blieb er sein Leben lang verbunden, seine berufliche Karriere und private Heimat fand er aber in Irland, wo er ab den 1950er-Jahren als technischer Erfinder und Unternehmer maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beitrug. Otto Glaser eigenes Fertigungsforschungsunternehmen, Technico, wenige Jahre später die Firma Telectron, die zu Beginn der 1980er-Jahre mit rund 800 Mitarbeitern zu einem der wichtigsten Unternehmen des Landes gehörte und die er später an den US-amerikanischen Konzern AT&T verkaufte. Neben seinem Beruf fand Glaser noch Zeit für eine Vielzahl anderer Aktivitäten, er war unter anderem Präsident der Irish Austrian Society und begeisterter Segler. 1974 gelang ihm mit einem selbst

Otto Glaser: Ein Leben fürs Sammeln, Foto: Privatbesitz
Otto Glaser: Ein Leben fürs Sammeln, Foto: Privatbesitz

konzipierten Boot der Sieg bei einer Regatta des Royal Ocean Racing Club (RORC). Und schließlich war er passionierter Sammler österreichischer und maritimer Malerei – eine Beschäftigung, die ihn regelmäßig nach Venedig ins Hotel Cipriani sowie nach Wien ins Hotel Imperial und zu den Wiener Kunsthändlern führte. Dort erwarb er jene Bilder, die ihn auch in Irland an seine österreichische Heimat erinnern sollten.

Gustav Klimt, Tafelfreuden (Studie für das Stadttheater in Karlsbad), 1886, Öl auf Papier, 52 x 63 cm, Schätzwert € 50.000 – 70.000, Auktion Moderne, 28. November 2023
Gustav Klimt, Tafelfreuden (Studie für das Stadttheater in Karlsbad), 1886, Öl auf Papier, 52 x 63 cm, Schätzwert € 50.000 – 70.000, Auktion Moderne, 28. November 2023

Der einzigartige Blick auf das prachtvolle Obere Belvedere von Rudolf von Alt, die zarten Aquarelle von ihm und seinem Vater Jakob, bei denen die in den Häfen von Venedig lagernden Schiffe stets die österreichische Fahne tragen, die Szenerien von Seeschlachten der k.u.k. Kriegsflotte, die Otto Glaser genau kommentierte und erforschte, beweisen seine enge Verbundenheit mit Österreichs vergangener einstiger Größe. Gustav Klimts „Tafelfreuden“, eine wunderbar duftige Studie für das Karlsbader Theater, oder sein Damenporträt erinnerten den Sammler wohl an die kultivierte Eleganz des alten Wien, die er als Kind erlebt hatte. Einen Ehrenplatz in Glasers Haus an der Dublin Bay hatte auch das „Auracher Kirchlein“ von Alfons Walde, ein kostbares Souvenir aus seinem bevorzugten Urlaubsland Tirol.

Alfons Walde, Tiroler Bergdorf, 1947, Öl auf Karton, 39 x 29,2 cm, Schätzwert € 130.000 – 240.000
Alfons Walde, Tiroler Bergdorf, 1947, Öl auf Karton, 39 x 29,2 cm, Schätzwert € 130.000 – 240.000, Gustav Klimt, Tafelfreuden (Studie für das Stadttheater in Karlsbad), 1886, Öl auf Papier, 52 x 63 cm, Schätzwert € 50.000 – 70.000, Auktion Moderne, 28. November 2023

AUKTION

Gemälde des 19. Jahrhunderts, 24. Oktober 2023, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 377

 

Moderne, 28. November 2023, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

20c.paintings@dorotheum.at

Tel. +43-1-515 60-358, 386

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