Das A und O der Landschaft
Man nannte sie das „A und O der Landschaft“: Die Brüder Andreas und Oswald Achenbach zählten zu den prominentesten Landschaftsmalern ihrer Zeit. Die Auswahl ihrer Sujets teilten sie untereinander nach regionalen Gesichtspunkten auf. Herausragende Achenbach-Werke kamen bei der Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts im April im Dorotheum zur Auktion.
Andreas und Oswald Achenbach prägten die Düsseldorfer Kunstszene, reisten durch Europa und waren auf dem internationalen Kunstmarkt äußerst erfolgreich. Beide Brüder studierten an der Düsseldorfer Kunstakademie. Oswald, der nach dem um zwölf Jahre älteren Andreas eintrat, begann seine Ausbildung bereits als Achtjähriger und war somit ein bedeutendes Stück jünger als seine Mitschüler, denn das ehestmögliche Eintrittsalter in die Akademie wurde an sich mit zwölf Jahren angesetzt.
Dank der familiären Unterstützung konnten die Achenbachs schon früh Reisen durch Europa tätigen. Die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Kunstströmungen floss in ihre Entwicklung ein. Obwohl beiden Brüdern die gleiche Ausbildung und die gleichen Möglichkeiten offenstanden, sieht man in ihren Werken zwei eigenständige Künstlerpersönlichkeiten.
Andreas Achenbach
Andreas gilt als Meister der Momentaufnahme. In seinen Bildern scheint der Anblick des wogenden Meeres genau in der Sekunde festgehalten zu sein, bevor die Welle bricht oder das Unausweichliche passiert.
Oswald Achenbach
Oswald hingegen bündelt seine kompositorische Kraft, indem er eine anhaltende Szene wiedergibt.
Kaum trat Oswald auf dem Kunstmarkt in Erscheinung und folgte somit seinem Bruder, wurde er auch schon mit diesem, der sich bereits einen Namen hatte machen können, verglichen. Ihre Werke fanden in Deutschland ebenso wie in Frankreich und in den USA sehr rasch große Nachfrage, was die Internationalität beider Künstler betonte, galten diese Länder doch als für Künstler erstrebenswerter Absatzmarkt.
Aufteilung zwischen A & O
Um mit ihren Werken nicht gegenseitig in Konkurrenz zu treten, wurde es notwendig, sich den Markt bzw. die Sujets aufzuteilen:
Andreas
wandte sich der nördlichen Landschaften zu und wurde beeinflusst von niederländischen Vorbildern sowie von seinen Zeitgenossen Jean Antoine Théodore Gudin und Eugène Isabey, bekannten französischen Marinemalern. In dem zur Auktion kommenden Gemälde „Heimkehrende Fischer bei stürmischer See“ zeigt sich seine Vorliebe für die Darstellung bewegter Szenen auf See. Die Segelboote kämpfen gegen die immer höher werdenden Wogen und den nahenden Sturm.
Oswald
Seine Gemälde hingegen zeigen südliche Landschaften mit der typischen Bevölkerung. Seine Darstellungen führen den Betrachter an Szenen des täglichen Lebens heran, denen er als stiller Beobachter beiwohnt. Die auf seinen Italienreisen gewonnenen Erkenntnisse über die Behandlung von Licht und Kolorit fließen in seine Werke ein. Gemeinsam mit Arnold Böcklin, den er bereits aus Studentenzeiten in Düsseldorf kannte, unternahm der jüngere Achenbach 1850 Ausflüge rund um Olevano. Sein Kompagnon inspirierte ihn in der Art der Komposition seiner Bilder. Ein Beispiel hierfür ist das Gemälde „Bewaldete Flusslandschaft mit Jägern“ oder „Der große Baum im Abendlicht“ von 1852.
Die Komposition wird von dem in der Mitte befindlichen Baum getragen. Die Jäger dienen lediglich als Staffage. Die Natur rückt somit in den Vordergrund. Der Künstler vermittelt durch die verwendeten Farben und den Einsatz von Licht und Schatten einen Eindruck der Stille, die seinen Werken durchgehend eigen ist. Weitere immer wiederkehrende Kompositionsgriffe sind der tief gewählte Standpunkt sowie der fast zwei Drittel des Bildes vereinnahmende Himmel.
Während bei Andreas die Erzählkraft in der Dramatisierung der Szene liegt, kehrt Oswald sie in einen Moment der Ruhe um: Bewegung kontra Ruhe, Erzählung kontra Beobachtung, Dramatisierung kontra Realismus.
Blick auf die Piazetta
Im Laufe seines Schaffens reicherte Oswald zunehmend die Szenen mit Figuren und Architektur an, als wäre er von einem Horror vacui angetrieben. Diese neue Herangehensweise ist in dem prachtvollen Gemälde der Auktion, „Blick auf die Piazzetta mit der Biblioteca Marciana und Santa Maria della Salute und der Dogana“, deutlich zu erkennen. Der Betrachter befindet sich auf der Ponte della Paglia und beobachtet die Szenerie. In welche Richtung auch der Blick über die Piazza schweift, trifft er auf Architektur. Die belebte Szene strahlt dennoch die für Oswalds Gemälde so typische Friedlichkeit aus, in der die dargestellten Personen der Routine eines gewöhnlichen Frühlingstages nachgehen.
Auch wenn die Brüder zeit ihres Lebens an der territorialen Trennung ihrer Sujets festhielten, beklagten beide die Beschränkung. So ist in Berichten seines Professors Hans Gude überliefert, dass Oswald auch die Sehnsucht verspürte, den Norden mit seinem intensiven Blau des Himmels zu malen.
Obwohl Andreas zu Lebzeiten und lange nach seinem Tod höhere Ehrbezeugungen als sein Bruder erhielt, seine Malweise nach der Natur als perfekt galt und seine Werke hohe Preise erzielten, steht ihm Oswald in Qualität und Komposition um nichts nach. Die neueste Kunstgeschichte sieht Oswald als ebenbürtigen Konterpart zu seinem Bruder. Die hier zur Auktion gelangenden Gemälde veranschaulichen das und zeigen das breite Spektrum zweier in ihrer Bedeutung gleichwertiger Künstler, deren Errungenschaften für die Landschaftsmalerei wichtige Impulse setzten.
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Bianca Hawel und Caroline Ghiringhelli sind Kunsthistorikerinnen in der Abteilung Gemälde des 19. Jahrhunderts im Dorotheum.
Information: Dimitra Reimüller
Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts