In den Speicherhäusern am Kreativkai in Münster haben der Coppenrath Verlag und das Couture-Atelier von Siggi Spiegelburg ihren Sitz. Hier hat auch das Dorotheum den idealen Ort für einen Beratungstag in Münster gefunden. Petra Schäpers, Expertin für Moderne und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum, traf die Designerin zum Gespräch über Kunst und Mode.
Petra Schäpers: Spiegelburg ist eine Marke, ein Lebensgefühl. Vielleicht sogar eine Lebenshaltung, oder?
Siggi Spiegelburg: Ja, auf jeden Fall. Wenn du dich umschaust, sprudelt es vor Kreativität und Lust, etwas zu gestalten. Wir leben privat genauso farbig positiv wie im Unternehmen.
Du hast früh angefangen, Kindersachen zu nähen, Schleifen auf Strümpfe und Schuhe zu applizieren – stimmt das?
Ich habe mit 16 angefangen zu nähen. Zu dieser Zeit habe ich vor allem für mich genäht und noch nicht an Kinder gedacht. Ich habe selbst acht Geschwister. Mit 18 habe ich meinen Mann kennengelernt, er hatte gerade seinen eigenen Verlag gegründet, den Hölker Verlag. Er begann mit regionalbezogenen Kochbüchern, die mit ihrem Stoffeinband und gedruckten Fettflecken damals etwas Neuartiges waren. Wenig später kauften wir den Coppenrath Verlag. In diesem Verlag wurden Kinder- und Geschenkbücher verlegt, später entwickelten wir zu den Kinderbüchern Plüschtiere und eine eigene Welt rund um das Buch, eine Serie namens Die Spiegelburg. Die Dachfirma trägt den Namen Coppenrath, und dazu gehören mittlerweile die Edition Die Spiegelburg, der Hölker Verlag und der Bohem Verlag. Das hat sich mit den Jahren immer weiterentwickelt.
Wann war das?
Das war in den 1980er-Jahren. Das erste Kinderbuch entstand sehr schnell nach der Geburt meiner ersten Tochter ungefähr zur gleichen Zeit, als mir auffiel, dass es für Kinder wenig zum Anziehen gab. So habe ich von Hosen über Jäckchen bis zum Teddybären alles selbst genäht. Mein Mann kam schließlich eines Abends nach Hause und meinte, dass er genau solche Bären verkaufen möchte. So kam es, dass wir 500 getupfte Bärchenhosen nähten.
Wann ist der erste Hermès-Rock entstanden? Mich hat immer fasziniert, dass du aus einem Hermès-Tuch einen Rock machst, wie du ihn heute trägst.
Mein erstes Hermès-Tuch bekam ich von einem Freund meines Mannes geschenkt, und ich überlegte bald, welche weiteren Möglichkeiten es gab, die Tücher zu nutzen. Ich trug sie als Stirnband, um den Bauch gewickelt oder als Oberteil. Irgendwann habe ich das erste zerschnitten, da war ich Ende 20. Wenn ich damals zu Hermès ging, sagten sie nur noch: Hier war gerade eine Kundin, die hat sich das Tuch nicht um den Hals gebunden, sondern vor den Körper gehalten. Da haben wir nur gefragt: Gehen Sie zu Frau Spiegelburg?
Deine Mode und dein Umfeld haben für mich etwas Märchenhaftes. Du bist wie die Fee in einem Märchenwald. Die Farben sind bunt und kräftig, die Muster groß. Es ist eine unglaubliche Opulenz, obwohl die Schnitte eher schlicht sind, oder?
Wir fokussieren uns auf die Stoffe. Der Schnitt sieht aus, als nähme man lediglich zwei Tücher und machte zwei Nähte daran. Es ist aber weitaus komplexer, denn alles ist aneinandergefügt. Außerdem hat man pro Tuch nur 90 Zentimeter im Quadrat.
Du und dein Mann Wolfgang Hölker, ihr sammelt Antiquitäten und lebt mit alter Kunst. Gibt es hieraus Inspirationen für deine Mode? Das interessiert mich als Kunsthistorikerin.
Auf jeden Fall. Ich habe zehn Jahre lang in Florenz und in der Region gearbeitet und war in vielen Museen. Die Faltenwürfe in diesen Gemälden, ihre Opulenz, die Art, wie sie fallen und wie sich der Glanz der Stoffe spiegelt, das ist für mich sehr faszinierend.
Also kommt das schon daher, der Manierismus, die Farbigkeit …
Ja, absolut, aber mich hat bisher noch niemand danach gefragt.
Ihr lebt mit historischen Möbeln und alter Kunst. Was sammelt Siggi Spiegelburg?
Eigentlich sammle ich alles. Es gibt ja nicht nur Kunst, es gibt auch einfach schöne Dinge. Was wir sammeln, hat mit Erinnerungen zu tun oder erzählt Geschichten. Den damals bei uns noch völlig unbekannten Künstler Christo haben wir zu Beginn der
1980er-Jahre zufällig in einem Hotel in Miami Beach kennengelernt. Er realisierte damals sein Projekt „Surrounded Islands“ – heute haben wir ein Werk von ihm aus dieser Zeit.
Ihr beide seid ein tolles Team. Seht ihr euch auch konzeptionell zusammen in der Art, wie die Firmen fusionieren? Gibt es die Opulenz im Coppenrath Verlag genauso wie bei dir im Atelier?
Auf jeden Fall. Das ist miteinander verflochten. Die ersten Jahre war ich an der Produktentwicklung beteiligt. Mittlerweile arbeitet dort ein großes Team. Die Firma hat sich unglaublich erweitert und meine ebenso. Viele Mitarbeiter kommen weiterhin ins Atelier, holen sich Inspiration und sehen sich die Farbkombinationen an, die wir mit den unterschiedlichen Stoffen und anderen Dingen erschaffen.
Also ist die Opulenz auch übertragbar auf das, was ihr sammelt. Du würdest vermutlich keine abstrakten Zeitgenossen kaufen. Es ist diversifiziert. Es ist ein Konglomerat.
Wir gehen gerne zum Gallery Weekend nach Berlin oder zu einer Kunstmesse, würden aber nicht das Werk eines Künstlers kaufen, nur weil er gerade en vogue ist. Bei uns muss Kunst auch immer Storytelling sein und Spaß machen. Ich denke, mir gefallen eher Werke, die niemand sofort erkennt.
Eine letzte Frage habe ich: Waren eure Räumlichkeiten schon mal beim Münster „Tatort“?
Ja, tatsächlich. Der Todesfall war sogar hier am Hafen. Die Dreharbeiten waren unter anderem im Speicher 3, wie wir ihn nennen, dort habt ihr gerade euren Beratungstag. Ich war an diesem Tag nicht da, sonst wäre ich gern mal durchs Bild gelaufen mit meinen bunten Röcken.