Marina Apollonio, Spazio Ad Attivazione Cinetica 6B, 1966/2015 Museo del Barrio, NY, Courtesy Photo: Lauren Glazer, © Marina Apollonio
In unserer Blogreihe „Sommer im Museum“ stellen unsere Dorotheum-Kooperationspartner spannende Ausstellungen vor.
Eva Badura-Triska, Kuratorin der Ausstellung „Vertigo“, gibt uns einen Einblick in die Thematik der mumok-Schau und in ihre persönliche Erfahrung mit der psychischen und physische Wirkung der Op Art.
VERTIGO
Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520–1970
von Eva Badura-Triska
Es war spannend, Vertigo zu kuratieren. Ausgangspunkt war mein Interesse an künstlerischen Phänomenen, welche nicht nur die Sinne, sondern sogar den gesamten Körper so extremen Erfahrungen aussetzen, dass eine Reflexion im Augenblick der Rezeption gar nicht möglich ist, sondern erst danach einsetzen kann.
Spiel mit der Sinnestäuschung
Derartiges trifft etwa auf den Wiener Aktionismus zu, mit dem ich mich als mumok-Kuratorin lange auseinandergesetzt habe. Ähnliches bewirken die Werke der Op Art, wenngleich in anderem Gewand. Die Schöpfungen dieser abstrakten Kunst, die Mitte der 1950er Jahre, also etwas früher als der Aktionismus, auf den Plan trat, provozieren ebenfalls sinnliche Erlebnisse, die so stark sein können, dass sie den Körper affizieren.
Zusätzlich täuschen sie unsere Sinne, was zu Verunsicherung führt und ein Bewusstsein für die Mängel und Grenzen unserer Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeiten generiert.
Der Schwindel als Konzept
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass ich dem Künstler Markus Wörgötter von meinen Plänen erzählte. Auch ihn faszinierte die Thematik, hatte er doch vor allem anhand historischer Werke beobachtet, dass die Darstellung von Erregungszuständen nicht nur psychische, sondern auch physische Wirkungen auf den Betrachter ausüben kann.
Ich lud ihn ein, das Projekt gemeinsam zu entwickeln und schnell machte er den Vorschlag, die Op Art der 1950er- und 1960er-Jahre Werken alter Meister gegenüberzustellen. Unser Konzept war geboren. Den Ausstellungstitel entlehnten wir Alfred Hitchcocks berühmten Film der 1958, also zeitgleich mit der Op Art entstand. Der Schwindel (=Vertigo!) wird hier in jener doppelten Bedeutung des deutschen Wortes thematisiert, die wir auch bei der Op Art orten: ein körperliches Phänomen verbindet sich mit einem beschwindelt, also Hineingelegt-Werden, im kognitiven Sinne.
Man hat die Op Art lange zu Unrecht als oberflächlich und effekthaschend abgetan. Markus und ich konnten deshalb zahlreiche Vertreter entdecken, die noch nicht jene Aufmerksamkeit erfahren haben, die sie verdienen. Das war aufregend. Gleichzeitig haben wir nur so gestaunt, wie schwer es trotzdem war, die gewünschten Leihgaben zu bekommen und wie hoch die Versicherungswerte dieser Künstler bereits sind. Inszeniert haben wir unsere Funde als mal mehr und mal weniger schwindelerregendes labyrinthisch angelegtes Vexierspiel der Sinne.
Das Publikum scheint’s zu goutieren, es kommt jedenfalls in erfreulichen Mengen.
Eva Badura-Triska, Kuratorin mumok
INFORMATIONEN
Vertigo
Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520–1970
25. Mai bis 26. Oktober 2019
Ort: Museumsplatz 1, A-1070 Wien
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