Turi Simeti spricht mit Federico Sardella, neben Antonio Addamiano und dem Turi Simeti Archiv Mitherausgeber des im Skira Verlag erscheinenden Werkverzeichnisses, über seine Kunst, deren Form und Farbe. Die monochromen Farbflächen des in Mailand lebenden Künstlers sind von der elliptischen Form geprägt: Im Ovalen sucht und findet er den Ursprung.
Federico Sardella: Seit den frühen 1960er-Jahren sind deine Arbeiten von flachen Ovalen geprägt, die „von unten“ durch die klassisch gespannte Leinwand „nach oben“ brechen. Wie bist du darauf gekommen?
Turi Simeti: Die Wahl des Ovals war zum Teil Zufall, ist aber auch das Ergebnis von Beobachtungen. Früher hatte ich mithilfe von Flammen bestimmte Formen erzeugt. Ich versengte die Ränder und machte so die Kanten von Rechtecken aus Pappe weicher: Ich brannte hier ein wenig weg und brannte dort ein wenig weg – und erhielt automatisch ein Oval.
Diese Form hat mir schon immer gefallen. Gelegentlich habe ich auch mit runden, rechteckigen oder quadratischen Formen gearbeitet, bin aber immer wieder zum Oval zurückgekehrt.
Die Auseinandersetzung mit anderen Formen hat dich also noch stärker von der Kraft des Ovals überzeugt?
Die elliptische Form entspricht meinem Wesen. Ich habe immer geahnt, dass das Oval die Leinwand besser in Bewegung zu versetzen mag als der Kreis. Diese Vermutung hat sich bestätigt. Das Oval übt sanften Druck aus und wirkt dabei fast asymmetrisch. Der Kreis mutet härter an, weil er ganz und gar rund ist. Das Oval ist weich. Ich empfand – und empfinde immer noch – eine Art Zuneigung für das Oval. Im Bereich des Ovals gerät die Oberfläche in Erregung, wird lebendig und bekommt durch das Licht Tiefe. Licht und Schatten sind sehr wichtig in meiner Arbeit. Immer wenn ich an einem neuen Werk zu arbeiten beginne, weiß ich, wie es später mit dem Licht zusammenspielen wird. Diese weiße Leinwand zum Beispiel: Wenn ich die Lampe leicht bewege, erscheint das Oval nahezu schwarz; kommt das Licht von oben, dann schimmert es beinahe. Es gibt so viele Möglichkeiten, und das Licht wirkt immer unabhängig von der Farbe des Werks.
Hast du eine Vorliebe für bestimmte Farben?
Eine Zeit lang habe ich mich auf schwarzweiße und graue Bilder beschränkt. Dann bin ich zu roten und gelben Oberflächen übergegangen und habe dabei immer wenig leuchtende Farben gewählt, sie so eingesetzt, dass sie nicht schrill wirken. Farben müssen Frieden und Ruhe vermitteln, auch wenn es sich um Rot, Gelb oder – sehr selten – Grün handelt.
Eine deiner Arbeiten hat immer schon meine Neugierde geweckt: eine Bronzeskulptur aus dem Jahr 1997. Sie wirkt wie ein Regelverstoß, wie ein Ausreißer aus deinem Werk, wenn man sich seine Geschlossenheit vor Augen führt. Die Skulptur scheint von einem Rahmen zu erzählen und von Elementen, die die Leinwand reliefartig hervortreten lassen …
Diese Bronzeskulptur mit vier Ovalen ist eine Hommage an das Versteckte im Bild. Ich habe mich stets über die häufig gestellte Frage gewundert, was sich denn hinter meinen Bildern verberge; immer wieder wollen Leute wissen, wie meine Werke gemacht sind. Eine legitime Frage, natürlich, und irgendwann – vielleicht aus Überdruss – habe ich mir gesagt: Jetzt zeige ich ihnen einfach dieRückseite. So ist diese Skulptur entstanden. Sie entspricht voll und ganz meinen sonstigen Arbeiten, ist aber nicht durch eine Leinwand verkleidet, die einen Teil ihrer Struktur verbirgt. Für Bronze habe ich mich entschieden, weil das Material dem Werk „Gewicht“ verleiht – eben weil die Skulptur zeigt, wie meine Arbeiten gemacht sind. Die Menschen stellen nämlich alle möglichen Vermutungen an. Und wenn sie mich jetzt mit Fragen löchern, dann zeigen ich einfach ein Bild der Skulptur, und jede weitere Erklärung erübrigt sich.
Hast du dich auch deshalb für die Skulptur entschieden, weil du zeigen wolltest, dass das Ganze kein Trick, sondern von einer Struktur getragen ist?
Genau, dahinter steckt kein Trick. Das Werk hat ein Gerüst oder besser: eine Struktur, die zwar offensichtlich, aber eben versteckt ist. Die Struktur ist im Hintergrund und stützt das Werk. Die Arbeit hat also zwei Seiten und eine innere Komplexität, die sich im Moment des Entstehens auflöst.
Simeti
Catalogue Raisonné
herausgegeben von Antonio Addamiano und Federico Sardella
Mit dem Werkverzeichnis zu Turi Simeti lieg t eine bedeutsame Neuerscheinung vor, die den Künstler und seinen Werdegang beleuchtet. Betreut von Essila Burello und in Zusammenarbeit mit Simeti entstanden, bietet das zweibändige Werk Einblick in das mehr als 50-jährige Schaffen eines der bekanntesten Künstler Italiens. Zum ersten Mal finden sich darin auch eine Serie bedeutender Bilder und bislang unveröffentlichte Dokumente.
Zweisprachige Ausgabe IT-EN / Skira Verlag
2 Bde., 24 x 28 cm, 800 Seiten, 1.800 Farbbilder
Gebunden im Schuber
ISBN 978-88-572-3410-6
Auktion Zeitgenössische Kunst
31. Mai 2017
Palais Dorotheum Wien
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Beitragsbild: Foto Turi Simeti © Nicola Demolli Crivelli