Giuseppe Uncini: Autonomie der Dinge

Zwei Arbeiten aus unterschiedlichen Werkphasen Giuseppe Uncinis gewähren Einblick in das Schaffen des italienischen Künstlers, der im Ringen um den Raum den Dingen ihre ursprüngliche Bedeutung gibt. Nach dem Weltrekord für Giuseppe Uncini im vergangenen Jahr erzielte bei der großen Novemberauktion 2015 ein weiteres „Cementoarmato“ ein Top-Ergebnis im Dorotheum.

 

Giuseppe Uncini, Cementoarmato, 1961, Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014, Weltrekordpreis € 295.800
Giuseppe Uncini, Cementoarmato, 1961, Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014, Weltrekordpreis € 295.800

Die späten 1950er- und beginnenden 1960er-Jahre waren vom Bedürfnis geprägt, einen gewissen Abstand zur informellen Kunst zu wahren. Von Rom bis Mailand lässt sich im radikalen Ausdruck von Künstlern wie Festa, Lo Savio, Schifano, Fontana, Bonalumi und Castellani der Drang erkennen, zu einer eigenständigen, von der vorherrschenden dichterischen Strömung dieser Zeit unabhängigen Größe zu gelangen. Innerhalb dieser „poetica dell’azzeramento“ („Poesie der Reduktion“) ist auch Giuseppe Uncini angesiedelt.

Geboren 1929 in Fabriano, kam er zwischen 1953 und 1954 nach Rom und bezog dort ein Zimmer, das Burri kurz zuvor verlassen hatte. Schon früh prägte sich bei Uncini jene Vorliebe für Material aus, die bald ein charakteristisches Merkmal seiner Werke werden sollte. Er setzte von Beginn an ungewöhnliche Stoffe (wie Sand, Zement oder Asche) ein und verwirklichte damit seine Auffassung von „Materie“: Sie sollte nicht länger Träger für eine existenzielle Botschaft, sondern reines Material von eigener Form und Unabhängigkeit sein. So ging die Phase der „Cementiarmati“ („Eisenbeton“) aus jener der „Terre“ („Erde“) von 1956/57 hervor, wenngleich auch diese Werke aus Erde, Sand und Holzkohle auf Hartfaserplatte oder Leinwand gearbeitet waren. Uncini wollte etwas hervorbringen, das den traditionellen Rahmen sprengte.

Giuseppe Uncini, Cementoarmato, 1961, Eisen, Beton, 99 x 198 cm, Schätzwert € 140.000 – 200.000, Auktion Zeitgenössische Kunst, 25. November 2015
Giuseppe Uncini, Cementoarmato, 1961, Auktion Zeitgenössische Kunst, 25. November 2015, erzielter Preis 253.100

Beton ist von großer Einfachheit und gleichzeitig untrennbar mit der Zivilisation und deren Vorstellung von Fortschritt und Konstruktivität verbunden. Das macht ihn zum perfekten Grundstoff für Werke, die nicht etwas „repräsentieren“ sollen, sondern „aus sich selbst heraus bedeutsam“ sind. Meisterhaft verschmelzen darin Form, Gestaltung und Raum, sprich: Malerei, Bildhauerei und Architektur.

Giuseppe Uncini, Spazi di ferro n. 54, 1989, Auktion Zeitgenössische Kunst, 25. November 2015

„Als ich 1959 mit Eisen und Beton zu arbeiten begann (Cementiarmati), entsprang meine Materialwahl nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, einem Interesse an Ausdruck und Struktur. Vielmehr dienten sie mir als Mittel, eine Vorstellung umzusetzen. Die Vorstellung ist stets gleichbleibend, eine fixe Konstante: Es geht um das ,Bauen‘, das ,Strukturieren‘. Wahrscheinlich handelt es sich hier nicht einmal um eine Idee, sondern einfach um eine Charakterschwäche!“

Nach den „Cementiarmati“ (1957–1959) wandte sich Uncini klar abgegrenzten Zyklen zu, von „Ferrocementi“ („Stahlbeton“, 1963) über „Strutture Spazio“ („Strukturelle Räume“, 1965), „Mattoni“ („Ziegel“, 1969), „Terracementi“ („Erdbeton“, 1972) und „Ombre“ („Schatten“, 1972) bis hin zu seinen experimentellen „Spazicementi“ („Betonräume“) im Jahr 1993. Von allen Serien, die Uncini geschaffen hat, sind diese die freiesten, utopischsten, gekennzeichnet gleichermaßen vom Mangel an präzise definierten Registern wie von mehr schöpferischer Freiheit und basierend auf einer vollkommen neuen Raumwahrnehmung. Diese Werken lassen bereits neue Raumkonfigurationen (2000/01) erahnen, die dann jedoch in einer klareren geometrischen Regelhaftigkeit wieder auftreten (Masten, Reliefs, Betonwände, ausgeführt 2000 bis 2004).

Zu welchem ästhetischen und formalen Ergebnis Uncinis Erkundungen auch geführt haben, lassen sich Bruno Coras Worte bestätigen, dass „die Materialien, aus denen Uncini diese Werke schuf, in seinen Händen – ungeachtet der Tatsache, dass sie von ihrem Wesen her jeglicher Anmut trotzen – zu hoher ästhetischer Qualität und Erlesenheit gelangten“.

(myART MAGAZINE Nr. 06/2015)

Auktion
Mittwoch, 25. November 2015, 18 Uhr
Palais Dorotheum Wien
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