Expertengespräch: Gemälde verkaufen im Dorotheum

Verborgene Meisterwerke

Im Gespräch mit Dimitra Reimüller

Gemälde verkaufen im Dorotheum: Worauf kommt es an? Welche Möglichkeiten bietet ein Haus wie das Dorotheum? Was bleibt in Erinnerung? Dimitra Reimüller, Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts, hat schon viele spannende Bilder begutachtet und vermittelt. Eines ihrer denkwürdigsten Erlebnisse erzählt sie im Gespräch mit dem Dorotheum Blog.

Welche Informationen sind für Sie besonders wichtig, um den Wert eines Gemäldes einschätzen zu können?

Natürlich schaue ich mir das Bild erst einmal genau an. Wie wirkt es von vorne, welchen Eindruck macht die Rückseite. Manchmal haben Künstler am Keilrahmen sogar den Titel des Bildes notiert, das finde ich immer sehr spannend. Dann möchte ich auch mehr über die Geschichte des Bildes erfahren! Was hat es für eine Provenienz, was für eine Ausstellungsgeschichte? Wo steht es im Gesamtoeuvre des Künstlers? Handelt es sich um ein Früh- oder ein Spätwerk? Oder ist es gar ein Schlüsselwerk!

Welche Möglichkeiten bietet das Dorotheum für den Verkauf eines Kunstwerks?

Da wir ein großes Haus mit langer Geschichte sind, haben wir viel Erfahrung mit der Recherche, aber auch mit der strategischen Positionierung eines Bildes am Markt. Wir stehen im Austausch mit Experten auf der ganzen Welt, aber profitieren auch davon, dass so viele verschiedene Experten im Haus arbeiten. So können wir das Fachwissen anderer Abteilungen für unsere Arbeit nutzen. Beispielsweise hilft uns der Experte für Autographen alte Handschriften zu entziffern, die vielleicht wichtige Hinweise zur Geschichte und dem Wert eines Bildes geben. Oder durch die Zusammenarbeit mit den Spezialistinnen der Juwelenabteilung können wir aus dem Schmuck der auf den Gemälden dargestellten Personen wertvolle Rückschlüsse über deren Identität und Status gewinnen … Das sind nur einige Beispiele …

Wir garantieren eine fundierte wissenschaftliche Recherche, die Aufarbeitung der Provenienz eines Bildes, die richtige Einordnung, etc.  Wir tun alles dafür, ein Werk bestmöglich zu erforschen und zum bestmöglichen Preis zu verkaufen.

Ist Ihnen eine Einbringung besonders im Gedächtnis geblieben?

Das Bild „Eighty and eighteen” von John William Godward, das im April 2013 im Dorotheum versteigert wurde.  Das war wirklich eine märchenhafte Erfahrung.

268.700
John William Godward, “Eighty and eighteen”, 1898, erzielter Preis € 268.700

Das Gemälde gelangte an einem verschneiten Wintertag im Jänner 2013 bei einem internationalem Beratungstag in München zu uns. Als ich auf meiner Liste den Eintrag „J. W. Godward“ sah, war ich mir sicher, dabei könnte es sich nur um einen Kunstdruck handeln. Die Einbringerin hatte vorab weder ein Foto geschickt, noch auf andere Weise Kontakt aufgenommen. Als die kleine, zarte, alte Dame, flankiert von einer Bekannten, dann im Türrahmen stand, musste ich sie mehrmals zu mir bitten. Sie kam zögerlich näher und entschuldigte sich, mich mit diesem sicherlich nicht wertvollen Gemälde aufzuhalten. Ihre Freundin hätte sie überredet.

Als ich endlich das in ein Handtuch eingeschlagene Bild zu Gesicht bekam, war ich sprachlos. Auf den ersten Blick sah ich, dass es echt war. Es war fantastisch. Es ist ungefähr 100.000 Euro wert, sagte ich der zarten Dame, die sogleich zu zittern anfing und mich ungläubig anstarrte. Ich fragte sie, woher das Bild stammte. Sie erzählte, dass sie es von ihren Großmutter geerbt hätte. Ich fragte sie, ob das Bild einen Rahmen gehabt hätte, da ein Rahmen oft Aufschluss über die Geschichte eines Werkes geben könnte. Sie verneinte.

Aber da mischte sich wieder ihre Bekannte ein: In den Rahmen habe sich die Dame doch einen Spiegel machen lassen, den Spiegel könnten sie vorbeibringen. Als das ungleiche Paar einige Zeit und Schneeflocken später den Rahmen brachten, erschloss sich die gesamte Geschichte des Bildes. Der Rahmen enthielt Künstleretikett und Vermerke der Galerie, nun wussten wir, wie es geheißen hat, wo es ausgestellt und verkauft wurde. Die Großmutter der Einbringerin hatte es 1898 in Liverpool vom Künstler erworben, seitdem war es in Familienbesitz.

Als ich den amerikanischen Experten Dr. Vern. G. Swanson kontaktierte, war er begeistert: Er hatte dieses Gemälde sein Forscherleben lang gesucht und es in Folge der Entdeckung in die erweiterte Ausgabe des Werkkataloges aufnehmen können.

Die alte Dame in ihrer Bescheidenheit fiel aus allen Wolken, als das Bild in der Auktion 268.700 Euro erzielte, und spendete die Hälfte einer wohltätigen Organisation.

Dimitra Reimüller ist Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts im Dorotheum.

KONTAKT

 Gemälde des 19. Jahrhunderts
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
Mo – Fr 10 – 13 Uhr
19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 377

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